Viel Schönes dabei
Preis der Deutschen Schallplattenkritik veröffentlicht Longlist
Aufgeführt ist z.B. „Visions of Venus“ von Wallis Bird & Spark in der Kategorie „Grenzgänge“: eine genreübergreifende Platte, auf der die preisgekrönte Singer-/Songwriterin und das klassische Quintett ihre Kräfte für ein genreübergreifendes Konzerterlebnis bündeln, das ein ganzes Jahrtausend weiblicher Klangkunst umfasst. Die sechs Musiker*innen bieten einen 360-Grad-Blick auf das reiche und farbenfrohe Universum, das von visionären Frauen vom Mittelalter bis heute geschaffen wurde. In den Neuinterpretationen der Werke von Hildegard von Bingen über Clara Schumann zu Billie Holiday, Carole King und Joni Mitchell, bis hin zu Tori Amos und Björk wird Birds Stimme in völlig neue Klanglandschaften eingebettet, was für beide Fangruppen Überraschungen bereithalten dürfte.
In der Jazz-Jury I wird das Jihye Lee Orchestra mit „Infinite Connections“ gewürdigt, auf der die Jazz-Komponistin und Dirigentin traditionelle koreanische Rhythmen mit dynamischen Orchester-Jazz-Arrangements verbindet. Auch das neue Album „Echoes Of The Inner Prophet“, eine spirituelle musikalischen Reise der Saxofonistin Melissa Aldana, wurde dort erwählt. Die Jazz Jury II entschied sich für Aki Takase & Japanics „Forte“, über das Jazz Fun schreibt: „Die Musik ist nicht nur pulsierend von unterschwelligen Emotionen, sondern auch voll von überraschenden Wendungen, Humor und selbstbewusst geschnittenen, überraschenden Formen. Hier gibt es nichts, was man schon einmal gehört hat“. Auch die CD „Plateaux“ der Pianistin Clara Haberkamp findet dort Erwähnung, die erste, auf der sie – neben ihrem langjährigen Partner Oliver Potratz am Bass – mit dem norwegischen Schlagzeuger Jarle Vespestad zu hören ist. Die London Jazz News schreibt, ihre Musik sei „im Geiste großer Trios ein fesselndes Gespräch zwischen erstklassigen Musikern“.
In der Jury Weltmusik sind zahlreiche tolle Künstlerinnen zu finden: die marokkanisch-französische Rockband Bab L’Bluz um die Leadsängerin und E-Awichaspielerin Yousra Mansour etwa, die mit „Swaken“ elf kraftvolle Portionen psychedelischen Gnawa-Blues liefert. Katja Šulc huldigt auf „West Wind, Blow From Your Prairie Nest“ der Poesie und Kultur der amerikanischen Ureinwohner*innen; das Album entstand im Rahmen einer Künstlerresidenz am Institute of American Indian Arts (IAIA) in New Mexico. Šulc zieht eine Parallele zwischen der Kultur der amerikanischen Ureinwohner*innen und der vorchristlichen, heidnischen Kultur in Slowenien, die bis in die späten 1960er Jahre an entlegenen slowenischen Orten existierte. Die Parallele liegt in einer starken Verbundenheit zur Natur und im tiefen Respekt vor den Naturkräften.
Die Jury Liedermacher nahm u.a. „Durch die Nacht“ von Maria Schüritz & Band in die engere Wahl, auf der sie neue, unterwegs eingesammelte Impulse aus verschiedenen Musik- und Kunstrichtungen mit viel Experimentierfreude in ihre ureigensten soulinspirierten Songs transformiert. Ihr politischen wie persönlichen Texte greifen aktuelle Themen wie Verschwörungstheorien, Klimawandel und den Zusammenhalt von Gesellschaften auf, sezieren und vertonen klug beobachtete Alltagssituationen.
Bei der Jury Folk & Singer-/Songwriter finden wir die bei uns vorgestellten CDs von 6hunesseq mit „Ma Olen Maa Peal v66ras“ (CD-Tipp Mai), Jule Malischkes CD „Seagull“ (CD-Tipp April) und The Henry Girls mit „A Time To Grow“ (CD-Tipp April), aber auch das neue Album „Halocline“ der queeren Dudelsackspieler*in, Geiger*in, Instrumentenbauer*in und preisgekrönten Komponist*in Malin Lewis (Bild links). Lewis spielt einen neu erfundenen, selbstgebauten Dudelsack und findet als Trans-Person in der „Halokline“, einer sichtbaren Wasserschicht, die sich zwischen Salzwasser und Süßwasser bildet, ein schönes Sinnbild für ihr eigenes Schweben zwischen zwei Welten.
Auch die Jury Pop listet einige großartige female* Acts wie z.B. die Grammy-Gewinnerin Arooj Aftab (Best Global Music Performance) (Bild rechts), die mit „Night Reign“ ein betörendstes und stilistisch vielfältigstes Werk veröffentlicht hat, auf der sie mit Maeve Gilchrist, Moor Mother, Kaki King u.a. zusammengearbeitet hat. Außerdem ist die Sängerin von Portishead Beth Gibbons mit ihrem ersten Soloalbum „Lives Outgrown“ vertreten, einem „melancholischen Triumph zwischen Artrock und postmoderner Kammermusik und einem Schlagzeug aus Paella-Schüsseln“ (VISIONS). Nicht verwunderlich ist das neue, dritte Studioalbum der 22jährigen Musikerin und vielfachen Grammygewinnerin Billie Eilish gelistet, die beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik mit „Hit Me Hard and Soft“ gleich dreimal (Rock, Pop & Alternative) nominiert wurde und damit sicherlich jede Menge neue Preise abräumen wird.
Die Blues-Jury entschied sich u.a. für Katarina Pejak mit ihrem Album „Pearls On A String“, ein Album, das unsere Autorin Fee Kuhn bereits begeistert besprochen hat (Review). Stark ist auch das von der Jury R’n’B/Soul/HipHop ausgesuchte Album „Letters From A Black Widow“ von Judith Hill, das Geschichten über Widerstand, hart erkämpfte Klarheit und Erlösung enthält und diese in wunderschöne, kraftvolle Soul-, Funk- und Blues-Musik kleidet. Gleich dreifach nominiert wurde die neue Scheibe von Orkestar Kriminal, der vielköpfigen Band aus Montreal um Sängerin Giselle Claudia Webber. Es erweckt jiddische Ganovengeschichten der Unterwelt von Warschau, Odessa und Istanbul zu neuem Leben und enthält neben jiddischen, griechischen und spanischen Songs auch Werke in Hindi, Mixteco, Arabisch, Polnisch, Bosnisch und norwegischem Bokmal.
Die Bestenliste 3/2024 wird am 15. August veröffentlicht.
Hier geht es zur neusten Longlist 3/24.
08.07.2024