US-Folksängerin Odetta gestorben

Zum Tod einer Legende

Sie hat Dutzende von Folk- und ProtestsängerInnen der 60er Jahre inspiriert und mit ihren Liedern das amerikanische Civil Rights Movement entscheidend beeinflusst. Sie selbst bezeichnete ihre Songs als bloßes Werkzeug, „um zu lehren, zu predigen und zu verkünden“. So lag es auf der Hand, dass sie zur Amsteinführung von Barack Obama im Januar 2009 singen würde. Dazu kommt es jetzt leider nicht mehr.

Odetta Holmes, 1930 in Birmingham/Alabama geboren, kam als Sechsjährige nach dem Tod des Vaters allein mit ihrer Mutter nach Los Angeles, wo eine Lehrerin bald darauf Odettas Stimme entdeckte. So begann sie, klassische Musik am College zu studieren.
1944 trat sie einem Musicaltheater bei und spielte dort, bis sie 1950 die Folkmusik entdeckte, in der sie sich wie in keiner anderen Musik wiederfand. Sie borgte sich eine Gitarre, lernte ein paar Akkorde und begann auf Parties aufzutreten. Die Folkmusik brachte ihr die Geschichte der Schwarzen näher und verschaffte ihr auch so etwas wie ein Ventil: „As I did those songs, I could work on my hate and fury without being antisocial. Through those songs, I learned things about the history of black people in this country that the historians in school had not been willing to tell us about or had lied about.

Sie verließ das Musical-Theater und entschied sich für eine Karriere als Solosängerin in den Cafés und Nachtclubs von Los Angeles. Ihr Repertoire bestand aus rauen Folksongs, Spirituals und Working Chants der schwarzen Bevölkerung des ländlichen Amerika, die sie eindrucksvoll mit ihrem ausdrucksstarken Gesang und sparsamer Gitarrenbegleitung dramatisierte. 1954 nahm sie ihr erstes Album auf.
Ihre Vorbilder waren die Gospelsängerin Mahalia Jackson und der Multiinstrumentalist und Bluessänger Leadbelly. Harry Belafonte holte sie 1959 in seine Fernsehshow und die beiden landeten 1961 als Duo einen respektablen Platz in der britischen Hitparade mit dem Song „There’s a Hole in the Bucket“. Ihr Album „Odetta Sings Folk Songs“ gehörte zu den meistverkauften Platten des Jahres 1963.

Doch wirklich berühmt wurde sie durch ihre Unterstützung und Mitwirkung im Civil Rights Movement, der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der späten 50er und 60er Jahre. Sie begleitete den „Marsch nach Washington für Arbeit und Freiheit“ 1963, wo Martin Luther King seine berühmte Rede „I Have a Dream“ hielt, mit zwei ihrer Songs: „O Freedom“, mit der Botschaft, dass es besser ist, seinem Leben selbst ein Ende zu machen, denn als Sklave weiterzuleben, und mit dem Lied „I’m on my Way“.

«Ihre Lieder haben die Kraft, das Herz der Welt zu verändern», sagte der frühere US-Präsident Bill Clinton 1999 bei der Verleihung der Nationalen Kunstmedaille. Zu ihren VerehrerInnen gehörte auch die Bürgerrechtlerin Rosa Parks, die sich 1955 geweigert hatte, ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Fahrgast aufzugeben und damit den „Montgomery Bus Boycott“ auslöste, der als Initialzündung für die Bürgerrechtsbewegung gilt.

Odetta beeinflusste viele Folk- und RockmusikerInnen, u.a. Joan Baez, Janis Joplin und Bob Dylan, der erst durch ihre Musik zum Folk fand. Sie selbst bezeichnete ihre Songs als bloßes Werkzeug, „um zu lehren, zu predigen und zu verkünden„. Dabei ging es ihr immer auch um Authentizität und die intensive Auseinandersetzung mit den Themen, die sie in ihren Songs präsentierte: „Um die Gefühle eines Gefangenen in der Zwangsarbeit zu verstehen, zerkleinerte sie einmal sogar Felsbrocken mit einem Presslufthammer.“ (Time Magazine)
Trotz ihrer angeschlagenen Gesundheit – sie litt an einer Herzkrankheit, gab sie in den letzten Jahren noch an die 60 Konzerte, musste aber vor ca. drei Wochen mit Nierenversagen ins Krankenhaus. Am Dienstag starb Odetta infolge eines Herzinfarktes.

Die New York Times führte mit Odetta ein ca. 17minütiges Interview, das mit folgendem Link erreicht werden kann:
http://www.nytimes.com/packages/html/arts/20081203_odetta.html.

Copyright: Redaktion MELODIVA

Autorin: Mane Stelzer

05.12.2008