Tourstart für die LINES FOR LADIES
Interview mit den Initiatorinnen Anne Czichowsky und Sabine Kühlich
Bei „Lines for Ladies“, einem temperamentvollen und mitreißenden Programm eines reinen Frauenquintetts, treffen mit den beiden Initiatorinnen SABINE KÜHLICH und ANNE CZICHOWSKY erstmals zwei preisgekrönte Vollblutsängerinnen aufeinander, musikalisch bereichert um die virtuose LAIA GENC an Klavier und Stimme – die drei Damen verstehen sich nicht nur auf der Bühne blendend. Nach einer erfolgreichen ersten Tournee im Herbst 2014 samt Aufnahme eines Live-Albums werden die Ladies ab 2016 auf Releasetour sein, und zwar mit der Besetzung des Live-Albums: KRISTIN KORB an Kontrabass und Gesang – ein Supertalent, das aktuell in Dänemark lebt – und eine ganz besondere Dame, nämlich die „First Lady of Bebop“, SHEILA JORDAN.
Diese Jazz-Legende wird mit den vier Ladies die Bühnen in und um Deutschland beswingen und bescatten, auf einer beseelten Reise zurück in die Bebop-Nachtclubs des New York der 50er Jahre. Sheila Jordan ist eine einzigartige Zeitzeugin dieser Ära, als persönliche Freundin von Jazzgrößen wie Charlie Parker, Horace Silver, Sonny Rollins und Tom Harrell. Sie war die erste Sängerin, die auf dem bekannten Jazz-Label BLUE NOTE eine Platte aufnahm. Ihre Interpretation der Songs, ihr Scat-Gesang, spontane Improvisationen mit Lyrics aus dem Moment machten sie weltweit berühmt – als Botschafterin des Jazz. In den letzten Jahren ist Sheila Jordan mit Awards überhäuft worden, den wichtigsten bekam sie 2011: den NEA Jazz Master Award – die größte Auszeichnung, die ein Jazzmusiker in Amerika bekommen kann. Seit den 40er Jahren ist Jordan „on the scene“, Workshops und Konzerte auf der ganzen Welt – Sheila ist so aktiv wie ein Youngster, voller Esprit und Humor – im November 2015 wurde sie 87 Jahre alt.
Die Bassistin und Sängerin KRISTIN KORB kommt aus den USA, Montana und lebte in Los Angeles bis 2011 die Liebe sie nach Dänemark verschlug. Sie tourte schon in der ganzen Welt und spielte bereits mit Llew Matthews, Kim Richmond, Pete Christlieb, Jeff Hamilton und Ray Brown, der u.a. auch einer ihrer Lehrer war. Mit dem Ray Brown Trio veröffentlichte Kristin 1996 ihr vielgefeiertes Debütalbum als Sängerin.
Anne Czichowsky und Sabine Kühlich sind als Improvisatorinnen im weltweiten Wettstreit siegeserfahren, die goldenen Preisgewinne der beiden sprechen für sich: Sabine gewann u.a. die Shure Vocal Competition in Montreux 2008, Anne u.a. den Lady Summertime Vocal Contest in Finnland 2008 und den Landesjazzpreis Baden Württemberg 2011. Die Pianistin Laia Genc strahlt in diesem Quintett als musikalisches Juwel und tritt erstmals auch als Sängerin in Erscheinung. Sie bringt den französischen touch und freies Spiel mit in die Band. Für ihre Projekte als Künstlerin mit eigener Handschrift wurde sie u.a. mit dem Kölner Jazzpreis 2007 ausgezeichnet.
Kennengelernt haben sich Anne Czichowsky und Sabine Kühlich 2012, wie Sabine auf ihrer website schrieb: „Letztes Jahr habe ich Anne Czichowsky endlich persönlich kennengelernt auf der Hürther Jazznacht. Wir haben uns direkt verbündet, ich hab sie zum Gig mit Sheila eingeladen – hier ein Youtube-Video von der Begegnung: https://www.youtube.com/watch?v=BynGSB0BK64 – und nun haben wir eine Ladies-Band gegründet: „Lines for Ladys“ – unsere Mädchenband!!!“
Sabine Kühlich ging schon 2006 auf eine allererste Tour mit CRISP! feat. Sheila Jordan. „Seither touren wir einmal im Jahr – wahnsinnig toll… – und mit Sheila haben wir Jazzgeschichte an unserer Seite!“
Daraus entstand die Zusammenarbeit der Two Generations of Singers – 44 Jahre Altersunterschied und Kommunikation auf der ganzen Breite! 2012 erschien bereits die dritte CD der beiden WUNDASCHEEN – LOVERLY! Als Teenager mit weisser Hautfarbe saß Sheila Jordan auf den Mülltonnen hinter den Jazzclubs um ihren schwarzen Held Charlie Parker am Saxophon hören zu können. Später versuchte sie sich mit dem Ausweis ihrer Mutter, geschminkt und in High Heels in die Clubs zu schmuggeln. Sabine Kühlich liebte Jazz und Saxophon auch schon als Teenager – vor dem Fall der Mauer im Osten Deutschlands – Parkers Soli brachten sie zum mitsingen. Beide Sängerinnen erzählen Jazz, reimen spontan beim Singen – jedoch das Wichtigste: „These chicks certainly swing“. Die Two Generations of Singers vereinen Swing und Bebop im Parallel-Singen und performen eigene Kompositionen vom japanischen Calypso bis zu impressionistisch und speziell für diese Besetzung arrangierte Jazzstandards.
Laia Genç, die Jazz-Pianistin aus Köln, lud Sabine Kühlich zu ihrem ersten gemeinsamen Projekt Jazz für Pänz/kids – Jazz mit Kick mit 7 Akteuren/Musikern – ein. Mittlerweile gibt es schon 5 gemeinsame Mitmach-Konzertprogramme für Kinder. Aus dieser inspirierenden Arbeit entstand das Duo „S(W)INGING BRUBECK“. Sabine Kühlich und Laia Genc präsentieren die Songs des Dave Brubeck Quartets mit Stimme, Saxophon und Klavier. Die berühmteste Komposition des Saxophonisten dieses Quartetts Paul Desmond „Take Five“ spielt im 5/4-Takt. Brubecks „Blue Rondo a la Turk“ in 9/8, „Unsquare Dance“ in 7/4 – zum Mitklatschen? Die wunderschönen Jazzwalzer „In her own sweet way“ und „Emily“ lassen das Mitzählen vergessen und den unvergleichlichen Komponisten Dave Brubeck im romantischen Licht erscheinen. Auch die musikalischen Kulturen verschiedener Länder prägten den Texaner Brubeck: Kühlich und Genc bedienen sich der brasilianischen, kubanischen wie europäischen Musiktradition und vermischen geschmackvoll mit dem „Great American Songbook“ in European Tradition „S(W)INGING BRUBECK“.
Wie ist dieses Projekt entstanden, wie kam es zu dieser Idee?
Wir, Sabine und Anne, haben uns 2012 kennengelernt, als wir beide auf der Jazznacht in Hürth gespielt haben, Sabine mit Sheila und Anne mit ihrem Quintett. Eine heiße Milch mit Honig an der Hotelbar nach dem Gig war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft! Sabine lud Anne zwei Wochen später ein, in Mannheim bei ihrem letzten Konzert mit Sheila mitzusingen, danach war die Idee für ein gemeinsames Projekt geboren – weil wir uns unglaublich gut verstehen und zu schätzen wissen, und weil es noch nie eine solche Kollaboration von zwei deutschen Sängerinnen gab. In der Zwischenzeit sind wir beide beste Freundinnen geworden, telefonieren täglich miteinander, Anne ist die Patentante von Sabines jüngstem Sohn und wir sind froh, dass wir uns haben, als Freundinnen und als Musikerinnen.
Ihr seid 2014 mit „Lines for Ladies“ erstmals auf dem Women in Jazz-Festival in Halle aufgetreten, was hat das ausgelöst? Hat es dazu geführt, dass Ihr dieses Projekt weiterführen wolltet?
Das Debüt in Halle bei einem so tollen Festival zu spielen, war natürlich spektakulär! Wir wussten danach, dass das Konzept sein würde, dass wir beide und Laia der feste Kern von Lines for Ladies sind, und mit verschiedenen Gästen (Gästinnen!) arbeiten werden. So gab es zum Beispiel schon Konzerte mit der Münchner Schlagzeugerin Carola Grey, mit der Stuttgarter Bassistin Judith Goldbach, bevor es zur jetzt aktuellen Besetzung mit Kristin Korb und Sheila Jordan kam.
Wir haben gelesen, dass Sabine Kühlich seit 2006 mit Sheila Jordan auf Tour geht und die „Two Generations of Singers“ schon mehrere CDs veröffentlicht haben. So konntet Ihr wahrscheinlich sie auch für „Lines for Ladies“ gewinnen, oder?
Richtig, Sabine arbeitet bereits seit zwölf Jahren mit Sheila zusammen, und es lag somit nahe, sie als Gast bei den Ladies einzuladen, zumal Sheila Jordan die ‚First Lady of Bebop‘ ist und wir natürlich den Straight Ahead Jazz, den Swing und das Element der Scat-Improvisation enorm feiern und pflegen. Sheila ist auf diesem Gebiet eine Legende, ein role model für alle Jazzsängerinnen.
Sheila Jordan hat Euch einige Jahrzehnte Erfahrung und Leben voraus – auf der Bühne hat Sheila Jordan Euch als „ihre wundervollen Enkelinnen“ bezeichnet 🙂 Wir könnten uns vorstellen, dass es spannend ist, von ihr etwas aus ihrem Leben zu erfahren. Habt Ihr Zeit, Euch darüber auszutauschen, wie es damals war und wie es heute ist, als Jazzmusikerin zu arbeiten?
Ja, wenn wir unterwegs sind, erzählen wir uns viele Geschichten, Sheila ist einfach ein Stück Jazzgeschichte, und es ist uns bewusst, wie sehr sich die Zeiten verändert haben, auch für Frauen im Jazz. Sheila war 1963 die erste Sängerin, die mit ‚Portrait of Sheila‘ ein Album auf Blue Note veröffentlichte. Sie war damals alleinerziehende Mutter einer Tochter, deren Vater ihr Ex-Mann Duke Jordan war, Charlie Parkers Pianist. Diese Umstände haben eine freiberufliche Tätigkeit als Jazzsängerin natürlich nicht einfach gemacht. Aber Sheila lebt für diese Musik, wie sie in ihrem Blues immer singt, ‚if it wasn’t for jazz music, I wouldn’t be alive today‘ – sie ist eine unglaubliche Inspiration und mit ihr auf der Bühne zu stehen, ist für jede von uns eine wichtige und wertvolle Erfahrung. Sie gibt uns mit jedem Ton, den sie singt, eine Unterrichtsstunde.
Und wie kam es zur Zusammenarbeit mit Kristin Korb?
Anne ist seit ihrem Studium ein Riesenfan von Kristin, die nebst ihrem Gesang einfach auch wahnsinnig geil Kontrabass spielt – der große Ray Brown war ihr Lehrer.
Kristin haben wir einfach angerufen, weil ein befreundeter Schlagzeuger uns ihre Nummer gab. Nach unserer ersten Tour im Herbst 2014 sagte Kristin, dass sie gerne fester Bestandteil dieser Band sein möchte, was uns natürlich sehr freute. Somit haben wir jetzt eine unglaublich nette, virtuose, unfassbar swingende und großartig singende Bassistin in der Band – was will man mehr!
Eure CD ist jetzt erschienen und Ihr seid ab 13. Mai auf CD-Release-Tour. Wie müssen wir uns das vorstellen, kommt Ihr erst kurz vor dem ersten Konzert aus allen Richtungen zusammen oder trefft Ihr Euch schon vorher?
Es ist natürlich schwierig, alle vorher zusammenzukriegen, Kristin lebt in Kopenhagen, Sheila in New York und wir drei alle in Deutschland verteilt – also die Wahrheit ist, wir treffen uns einen Tag vor Tourbeginn, essen erstmal was Gutes und besprechen dann das Programm. Anne und Sabine haben das Programm vorab geschrieben und es gibt Noten für jeden per Email vor Tourbeginn. Der Rest ist dann einander zuzuhören, zu improvisieren und zu interagieren. Vieles ist also auch nicht abgesprochen, sondern entsteht aus dem Moment heraus.
Wie sucht ihr Eure Stücke aus? Habt Ihr gemeinsame stilistische Vorlieben im Jazz? Spielt Ihr mehr eigene Stücke oder nehmt ihr Stücke aus dem reichen Jazz-Repertoire?
Wir sind definitiv im Straight Ahead Jazz zu Hause, wir zelebrieren den Swing und lieben es zu improvisieren, zu scatten. In unserem Repertoire gibt es sowohl mehrstimmige Arrangements als auch Solo-Features, Sabine und Anne haben auch ein paar Vocaleses geschrieben, das sind Betextungen von Instrumentalsoli. Die Besonderheit der Band ist eben auch, dass wir alle singen, Laia Genc hat bei Lines for Ladies ihr Debüt als singende Pianistin. Grundsätzlich bewegen wir uns im Bereich von Jazzstandards, Kristin hat eins ihrer eigenen Stücke für uns arrangiert, welches auch eine Art Bandmotto wurde: ‚There’s always something to celebrate!‘ 🙂
Ihr seid eine Mischung aus renommierten und erfolgreichen Jazzmusikerinnen, die jede ihre eigenen Bands und Projekte verfolgt, und nun als Frauenquintett auf der Bühne steht. Was hat Euch an dieser Idee gereizt?
Das Lustige ist, es war ursprünglich nicht als reine Frauenband geplant, das war dann eher Zufall. Aber jetzt, da wir Frauen unter uns sind, macht es wahnsinnig Spaß, auch wenn wir alle in unseren anderen Projekten natürlich mit großartigen und liebenswürdigen männlichen Kollegen zusammenarbeiten. Da gibt es jetzt so pauschal keinen Unterschied. Der wesentliche Unterschied ist im Backstage-Bereich zu finden: da tauschen wir fröhlich unsere Kleider aus, probieren die Klamotten der Kollegin an, tauschen Lippenstiftfarben und Nylonstrumpfhosen (wenn es mal wieder eine Laufmasche gab), und irgendwer hat immer was zu essen dabei, bevorzugt Schokolade – herrlich! Das Mutter-Gen führt dazu, dass wir uns alle umeinander kümmern und sorgen, das ist auch eine sehr schöne Komponente.
Auf den großen Jazzfestivals ist es der Normalfall, dass rein männlich besetzte Gruppen auftreten, deshalb ist eine Frauenformation doch immer noch eine große Ausnahme. Glaubt Ihr, dass solch ein Projekt die Stellung der Musikerinnen in der Jazzszene weiter voranbringen könnte? Und Ihr auch ein Vorbild für junge Musikerinnen werden könntet?
Das hoffen wir natürlich, und wir freuen uns aber auch zu sehen, dass der Frauenanteil in der Männerdomäne Jazz stetig wächst. Früher gab es mal Aussagen wie ’she plays good for a chick‘, heute ist sowas ja Gott sei dank kein Thema mehr. Wir denken, dass die Frauen im Jazz schon sehr weit gekommen sind.
Gibt es schon weitere Pläne für die Zukunft?
Konkret gibt es die noch nicht, da wir ja jetzt dieses Jahr erstmal mit Sheila Jordan die Release unserer CD feiern, im Oktober gibt es eine zweite Tour. Aber wir haben natürlich eine Wunschliste mit zukünftigen Gästen. Greetje Kauffeld ist im Gespräch, die ‚Dutch Lady of Jazz‘, die wir letztens kennengelernt haben, sie ist eine grossartige Sängerin und eine unglaublich nette Dame. Jedenfalls ist Lines for Ladies ein lebenslanges Konzept für uns, dass sich immer wieder mit neuen Gästen präsentieren wird.
Vielen Dank, dass Ihr noch die Zeit gefunden habt, unsere Fragen zu beantworten! Wir wünschen Euch eine wunderbare Tour, mit tollen Konzerten, vielen verkauften CD’s und viel Erfolg!
LINE-UP:
Sheila Jordan – vocals – www.sheilajordanjazz.com
Kristin Korb – vocals & bass – www.kristinkorb.com
Sabine Kühlich – vocals & sax – www.sabinekuehlich.com
Anne Czichowsky – vocals – www.annesingsjazz.com
Laia Genç – piano & vocals – www.laiagenc.com
Auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=xh-0C79s7to
RELEASETOUR IM MAI 2016:
13. Mai Jazzrallye, Düsseldorf
14. Mai Jazzclub, Minden
15. Mai Jazzfest am Dom, Trier
16. Mai Workshop, Trier
18. Mai Workshop, Stuttgart
19. Mai BIX Jazzclub, Stuttgart
20. Mai Jazztone, Lörrach
21. Mai Moods im Schiffbau, Zürich (CH)
22. Mai Kulturzentrum am Münster, Konstanz
23. Mai Domicile Jazzclub, Pforzheim
25. Mai Workshop, Hilden, tba
26. Mai Jazztage, Hilden
27. Mai Workshop, Aachen, tba
28. Mai Bürgerhaus, Hürth
Autorin: Hildegard Bernasconi
12.05.2016