SHERYL CROW
Multi-Instrumentalistin unterwegs
Als Background-Sängerin für Bob Dylan, Michael Jackson und Joe Cocker hat die Multiinstrumentalistin aus Missouri das Show-Geschäft kennen gelernt. Als Autorin für Celine Dion, Don Henley und andere das Songwriting. Als Solokünstlerin hat sie die Lust am Klang entdeckt. Und bei der Wahl ihrer Instrumente beweist die Allround-Musikerin ein ausgeprägtes Gespür für Stil und Geschmack: Sheryl Crow.
16. Dezember 2003, Berlin, Columbiahalle. Trotz einer heimtückischen Erkältung, erscheint die Band-Chefin in bester Sonntagslaune zum Gespräch. Der Soundcheck verlief kurz und zur Zufriedenheit. Dazu die Aussicht in Kürze wieder Zuhause zu sein, sorgt bei Sheryl Crow trotz rekordverdächtigem Konsum von Kamillentee und Taschentüchern für gute Laune.
Sheryl, wie hast du dich auf diese Tour vorbereitet? Verordnest du dir und der Band im Vorfeld ausgiebige Proben?
Das hängt immer von den Musikern ab, mit denen ich unterwegs bin. Diesmal habe ich einen neuen Schlagzeuger dabei, da brauchten wir verständlicherweise ein paar Tage mehr, um uns das Repertoire raufzuschaffen. Außerdem setzen wir jetzt auch eine Menge Loops und Samples ein. Das musste sich alles erst einspielen. Aber es war gut, weil die Band dadurch zusammengewachsen ist. Außerdem suche ich immer Wege, um neue Energie in die alten Songs zu stecken. Wir haben zum Beispiel eine neue Version von ,Everyday Is A Winding Road‘ erarbeitet, mit einem Rhythmus-Loop und einem sehr einfachen Feel.
Und wie bereitest du dich am Tag eines Konzerts vor? Singst du dich ein? Spielst du Gitarre?
Crow: Ich singe und spiele auch Gitarre. Das beschränkt sich allerdings auf den Soundcheck. Da nutze ich die Zeit, um an neuen Ideen zu arbeiten. Außerdem spiele ich mit der Band jene Songs des Vorabends, die nicht so gut liefen. Das gehört zur Routine. Ebenfalls zum Tagesablauf einer Tour gehört, dass ich zuerst morgens meditiere und dann jogge. Einfach um fit und im Gleichgewicht zu bleiben.
Mit auf Tour hast du ein Gibson-Sheryl Crow-Modell, das auf deiner ’64er Country Western basiert. Welche Features schätzt du an diesem Instrument?
Crow: Die ’64er ist meine wichtigste Gitarre. Auf ihr schreibe ich fast alle Songs. Ich nehme sie verständlicherweise nicht mit auf Tour, weil sie einfach zu kostbar ist. Die Leute von Gibson waren so nett, mir eine Gitarre nach diesem Vorbild zu bauen. Der Hals hat den exakten Radius wie mein Original, sie besitzt das gleiche Rosewood-Griffbrett, hat die gleiche Größe und in etwa das gleiche Gewicht. Diese Gitarre ist vermutlich die exakteste Annäherung an das Original, die man erreichen kann. Immerhin trägt die Firma ein berühmtes Erbe. Sie bauen einfach großartige akustische Gitarren.
Gibson ist ausgesprochen wählerisch mit seinen Signature-Gitarren. Damit stehst du in einer Reihe mit B.B. King, Chet Atkins, Dwight Yoakam und Emmylou Harris …
Crow: Ja, ich weiß. Gibson war wirklich unglaublich nett zu mir. Sie haben mich von Anfang an unterstützt, schon auf den ersten Touren.
OK. Aber was glaubst du, wegen welcher Qualitäten sie dich für ein Signature-Model ausgewählt haben?
Crow: Vielleicht, weil ich klassischen Rock ‘n‘ Roll spiele. Und weil der einen hohen Anteil akustischer Gitarre beinhaltet. Die Jungs wussten von Anfang an, dass ich auf meiner Country Western schreibe. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch gut für sie, wenn bekannte Musiker ihre Instrumente spielen.
Und wie sieht es mit deinen weiteren Vintage-Instrumenten aus?
Crow: Ich habe eine Gibson SJ-200 aus dem Jahr 1965 und eine J-45 aus dem Jahr 1964, die ich beide wirklich liebe. Ich habe viele dieser Instrumente gespielt und sie haben alle einen ganz eigenen Charakter. Dann habe ich noch eine Martin D-28 von 1956 und eine Martin Parlour Guitar von 1913. Eine nette, kleine Gitarre, mit der ich allerdings so gut wie nie aufnehme. Was die elektrischen Gitarren betrifft, spiele ich meist Teles. Ich habe eine von 1961, dann eine Les Paul Junior von 1967 in einem tollen Sunburst und eine TV Special aus dem selben Jahr. Und natürlich meine ES 335 von 1967. Die ist zur Zeit meine Lieblingsgitarre. Die meisten Songs auf dem letzten Album habe ich auf ihr eingespielt.
Was fasziniert dich an alten Instrumenten?
Crow: Das ist nicht rational erklärbar. Ich habe eine Menge Gitarren gespielt und man sollte meinen, dass sie sich ähneln. Aber diese alten Gitarren haben alle ihren ganz eigenen Charakter. Jedes Instrument hat im Laufe der Jahre seine eigene Persönlichkeit entwickelt. Das ist mir wichtig. Ich glaube fest daran, dass das dein Spiel beeinflusst.
Wählst du deine Band-Mitglieder auch in klanglicher Hinsicht aus? Nicht nur, wer welche spielerische Qualität einbringt, sondern auch welchen Ton?
Crow: Sicher. Ich habe zum Beispiel auf fast allen meinen Platten mit (Gitarrist) Jeff Trott gespielt, weil er einen der besten Sounds hat, die ich kenne. Auf der anderen Seite kenne ich auch eine Menge technisch hervorragender Gitarristen, die aber einfach keinen interessanten Ton besitzen. Wenn du wie ich, eine gewisse Persönlichkeit mit deinen Songs rüberbringen willst, dann geht es um Ton und Charakter. Und weniger um Virtuosität und Technik.
Wie sieht dein aktuelles Setup auf der Bühne aus? Telecaster und Matchless-Top plus Box – hat das noch seine Gültigkeit?
Crow: Ja, genau! Ich mag die Matchless-Verstärker wegen ihrer Vielseitigkeit und ihrer Zuverlässigkeit. In der Vergangenheit habe ich im Studio meistens kleine Amps benutzt, einen Supro oder einen Marshall-Combo, denn ich finde, je kleiner der Amp, desto größer sein Sound. Ich würde auf der Bühne gerne meinen alten Vox AC30 benutzen, den ich liebe, weil er einen wirklich charakteristischen Ton hat. Aber den will ich eben nicht mit auf Tour nehmen, weil er da nur in Mitleidenschaft gezogen wird.
Wenn du einen Song schreibst, hast du da schon im Hinterkopf, wie er live klingen wird?
Crow: Wenn ich Songs schreibe, denke ich natürlich daran. Ich muss allerdings dazu sagen, ich schreibe derzeit mehr auf dem Bass, als auf meinen akustischen Gitarren. Ich hab‘s gern einfach. Plug in and play! (lacht) Ich hab‘ inzwischen für mich herausgefunden, dass ich auf dem Bass eine Melodie spielen kann, die mir dann den weiteren Weg des Songs zeigt.
Was ja ein eher ungewöhnlicher Ansatz ist.
Crow: Ja, aber weniger ist oft mehr. Für mich muss ein Song ganz einfach sein. Mir geht es weniger um Produktion, als um Melodien und Texte.
Du spielst einen Guild M-85-E-Bass, oder?
Crow: Ja, genau, den habe ich auch mit auf Tour.Im Gegensatz zum Studio rockst du auf der Bühne ziemlich. Ist das das Adrenalin? Oder die Lust an der Interpretation deines Materials?Crow: Ich will keine Songs schreiben, die nur schön im Radio klingen während ich mich live zu Tode langweile. Live zu spielen ist ein wichtiger Teil dessen, was ich als Unterhaltung für mich selbst definiere. In Zukunft möchte ich noch mehr Songs schreiben, die nicht unbedingt für den Pop-Markt gedacht sind, sondern für mich als Musikerin interessant sind. Gerade heute, wo die Aufmerksamkeitsspannen so niedrig sind, musst du dir schon einiges einfallen lassen, um dein Publikum zu halten.
Und worin liegt für dich die Herausforderung, bei der Umsetzung deiner Songs auf die Bühne?
Crow: Darin Wege zu finden, die älteren Songs für mein Publikum interessant zu halten. Für mich natürlich auch! Es gibt Songs, die sind jeden Abend toll. Aber dann gibt es auch Songs, auf die muss ich mich wirklich konzentrieren, um Spannung und Energie rüberzubringen.
Es gibt da diesen Song von dir, ,My Favorite Mistake‘ – verrätst du uns deinen peinlichsten Bühnenmoment?
Crow: (lacht) Oh, davon gibt’s viele! Ich habe oft meine Texte vergessen. Ich wünschte ich hätte Aufnahmen davon, was ich dann gesungen habe! Aber das ist eben ein Teil dessen, wenn du jeden Abend auf der Bühne stehst. Irgendwann erwischst es dich. Und dann denkst du: Was, zum Teufel, mache ich hier gerade?
Text: Stefan Woldach – Fotos: Woldach, Polydor
Discographie
Quelle: Der gesamte Bericht erschien im März 2004 bei „Gitarre & Bass“. Dank an die Redaktion und den Autor für die kollegiale Unterstützung.
Dieser Text ist nur nach Absprache mit der Redaktion der Melodiva und Genehmigung der Autorin/des Autors für eine Weiterveröffentlichung zu verwenden.
29.05.2004