Sandra Hempel
Die Jazz-Guitar-Queen
„jazz-guitarr“
Die Hamburger Gitarristin Sandra Hempel ist schon ordentlich herumgekommen. Nach ihrem Studienabschluss an der Amsterdamer Hochschule der Künste war sie über ein Stipendium zwei Jahre in New York, vor allem um eines zu tun: spielen, spielen, spielen…..
Seit dem Sommer ist sie wieder in Deutschland und organisiert ihr freies Musikerleben: Viel spielen und unterrichten. Letzteres wird sie um Ostern auch mit den Teilnehmerinnen der Frauenmusikwoche machen, denn die Jazzgitarristin wird sich um das fortgeschrittene Ensemble kümmern.
Ein Interview mit der 31-Jährigen von Angela Ballhorn
Melodiva: Hast du dich inzwischen wieder gut eingelebt? Du bist ja erst im Sommer aus den USA heimgekehrt.
Sandra Hempel: Am Anfang war viel los mit dem Jazzbaltica-Festival, NDR-Konzerten und Workshops, und dann war erst mal nichts. Nach meinem Urlaub bin ich in ein absolutes Loch gefallen. Das Studium war endlich vorbei, das Stipendium war auch abgelaufen, aber damit gab es auch kein Geld mehr. Obwohl ich in New York auch viel gespielt habe, war das Stipendium natürlich eine super sichere Grundlage. Im Sommer war hier in Hamburg nicht viel los, und Schüler bekommt man in der Sommerzeit auch nicht. Mittlerweile habe ich einen guten Schülerstamm, die alle Jazz spielen wollen. Früher hatte ich solche Schüler nicht, das ist eine echte Herausforderung. Und ich unterrichte gerne. Live läuft auch viel, obwohl die Sachen komischerweise genauso schlecht bezahlt sind wie in New York auch. Aber das macht nichts.
Melodiva: War es immer ein Traum von Dir, nach New York zu gehen?
Sandra Hempel: Ich wollte unbedingt nach New York, und die Frage war wirklich, wie bekomme ich ein Visum und Geld, um in dieser teuren Stadt zu überleben. Ich hatte anfangs im holländischen Hilversum studiert, und nachdem mir da die Decke auf den Kopf gefallen ist, bin ich nach Hamburg zurück, um das Studium in Amsterdam im zweiten Anlauf abzuschließen. Als ich wieder in Amsterdam war, gab es ein Austauschprogramm mit New York und ich bin als Versuchskaninchen auserwählt worden und kam an die Manhattan School of Music. Drei Monate war ich insgesamt da. Das ist aber eine richtige Schule, man hat den ganzen Tag Unterricht, viel Schreibzeug für Zuhause, nicht nur Musikalisches und Instrumententechnisches. Darauf hatte ich nach einigen Jahren Studium nicht unbedingt Lust. Trotzdem wollte ich, als ich mich beim DAAD für ein Stipendium beworben habe, an die Manhattan School, weil ich die schon kannte. Aber die Schule kostet mehr, als das Stipendium bezahlt, und ich war dann letztendlich am Queens College, was viel günstiger war, und man hat nicht so viel Unterricht. Ich hatte nicht immer das Gefühl, wegen dem Studium da zu sein. Ich konnte jeden Abend auf einer Session spielen. Als ich mit meinem Quartett meinen wöchentlichen Gig im Village hatte, war das letzte Set immer offen für Session. Da hat man immens viele Leute kennengelernt, und wenn du abends nach Hause kamst, hattest du schon wieder Verabredungen für vier andere Sessions. Es ist erstaunlich, wie man auch nach zwei Jahren in einer Stadt nicht alle Musiker kennen kann. In Hamburg hast du die Musiker ziemlich schnell durch. Aber dafür hat Hamburg viele andere Qualitäten.
Melodiva: Mit wem hast du alles gespielt?
Sandra Hempel: Von den bekannteren Namen habe ich mit der Trompeterin Ingrid Jensen gespielt, auch einen Festivalgig in Georgia, und auch in New York selber. Will Vinson ist ein Saxophonist, mit dem ich viel gespielt habe, wir haben auch eine CD aufgenommen, die hoffentlich nächstes Jahr erscheinen wird.
Melodiva: Hattest du Probleme als Musikerin?
Sandra Hempel: Ich habe das auch in Europa noch nie so für mich wahrgenommen, kenne aber aus Erzählungen, dass man als Musikerin und dann auch noch als Gitarristin manchmal komisch angeschaut wird. Ich bin in Europa wie auch in den USA bisher gut aufgenommen worden. In den Staaten ist Kommunikation größer geschrieben, auch die Sachen, die hier als oberflächliche Floskeln abgetan werden. Das störte mich nie, und ich hatte den Eindruck, dass man schneller mit Leuten, auch mit wildfremden Musikern, warm wird.
In den Jahren, in denen ich in Hamburg studiert und gespielt habe, habe ich viele Leute kennengelernt, aber nie das Gefühl gehabt, dass ich mich beweisen oder besonders profilieren muss, weil ich eine Musikerin bin. Vielleicht war das Glück. In der Beziehung kann ich mich nicht beschweren. Aber von befreundeten Musikerinnen habe ich schon anderes gehört.
Melodiva: Was ist eigentlich mit deiner CD, die irgendwann mal aufgenommen werden sollte?
Sandra Hempel: Das ist immer noch geplant und wird hoffentlich auch irgendwann mal passieren. Die CD mit Will Vinson ist eigentlich fertig, aber ich weiß nicht, welches Label jetzt dafür verantwortlich ist.
Melodiva: Du bist Dozentin bei der Frauenmusikwoche. Was wirst du mit den Frauen anstellen?
Sandra Hempel: Ich werde ein Ensemble anbieten für fortgeschrittene Musikerinnen. Miles, Metheny und Co. Der Schwerpunkt liegt auf der Improvisation und wir werden anhand von Standardjazzstücken, aber auch von moderneren Komponisten lernen und Stücke spielen wie Sco oder Metheny. Dann würde ich gerne, da man ja vormittags und nachmittags unterrichtet, untersuchen wollen, was eigentlich ein gutes Solo ausmacht. Ich wollte in der Gruppe zusammen anhören und Parameter herauskristallisieren, was denn ein gutes Solo ausmacht. Improvisationsübungen an den Stücken anwenden. Arbeit mit der Rhythmusgruppe, Zusammenspiel, Interaktion. Gestaltung eines Stückes, Arrangement, das soll auch zur Sprache kommen, aber der Schwerpunkt liegt auf der Improvisation.
Melodiva: Wer sind deine Lieblingsgitarristen?
Sandra Hempel: Pat Metheny, Scofield, Kurt Rosenwinkel, vor allem letzteren höre ich gerne. Ich habe ihn erst vor drei Jahren für mich entdeckt und ich finde seine Ästhetik klasse, da alles nicht so offensichtlich schön ist, sondern eher kantig. Die älteren Sachen wie Jim Hall und Wes Montgomery oder aber auch Neueres wie von Bill Frisell finde ich toll. Peter Bernstein aus New York finde ich auch noch toll, um meine Lieblingsgitarristen zu vervollständigen.
Melodiva: Hast du ein all time favourite Solo?
Sandra Hempel: Ich finde, dass auf der Miles Davis ‚Kind Of Blue‘-Platte immer noch Meilensteine drauf sind – auch wenn keine Gitarre dabei ist. Die eignen sich für den Workshop gut. Es gibt auch einige Pat Metheny Soli, die ich absolut toll finde.
Melodiva: Was hat dich überhaupt zur Gitarre und zum Jazz gebracht?
Sandra Hempel: Ich habe als Kind lange Akkordeon gespielt und Klavier. Mit 15 oder 16 hatte ich die Nase voll von dem klassischen Klavierunterricht und wollte endlich ein Instrument haben, das ich mir selber aussuche. Zu der Zeit hatten wir Zuhause schon eine Akustikgitarre. Zu der Zeit habe ich Rock gehört und wollte dann E-Gitarre spielen. Ich habe dann in Rockbands gespielt und auch Unterricht genommen. Der Lehrer gab mir irgendwann eine Pat Metheny Scheibe mit – und bis zu diesem Zeitpunkt habe ich Jazz eigentlich gehasst. Die Pat Metheny Group Scheibe fand ich toll, und ab da hat sich vieles für mich erschlossen. Ich habe mir die Einflüsse von Pat Metheny angehört und bin so tief in die Jazz-Gitarrengeschichte eingetaucht. Als ich dann zum Studium in Hilversum war, mochte ich auf einmal Standards. Ich kann verstehen, dass Gitarristen sagen ‚Jazz, das interessiert mich wirklich nicht‘. Das dachte ich ja auch mal. Rock finde ich auch immer noch toll. Auch wenn ich jetzt ab und zu mal in einer Popband spiele, fühle ich mich immer ‚von der Jazzseite kommend‘.
Melodiva: Was sind deine Pläne?
Sandra Hempel: Meine CD aufnehmen, meine eigene Band, regelmäßig spielen. Das dauernde Hin- und Herpendeln zwischen Hamburg, Amsterdam und den USA macht einem was Regelmäßiges nicht einfach. Man hat immer das Gefühl, dass es sich doch nicht lohnt, für ein halbes Jahr was aufzuziehen. Ich möchte meine Kontakte mit New York halten und öfters rüberfliegen. Berlin möchte ich besser kennenlernen, Amsterdam fand ich auch toll, das möchte ich auch wieder aufwärmen. Meine Zentrale sollte aber Hamburg bleiben.
Kurz-Biographie SANDRA HEMPEL
Sandra Hempel wurde 1972 in Pinneberg bei Hamburg geboren.
Sie spielte zunächst einige Jahre Akkordeon und Klavier, bevor sie mit 16 Jahren zur Gitarre wechselt. Dann interessiert sie sich für Jazz, spielt in lokalen Bands u. dem Landesjugendjazzorchester/ Schleswig-Holstein. Nach dem Abitur Jazzstudiengang der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und am Amsterdamer Konservatorium.
Von September 2001 bis Juni 2003 lebt sie in New York (Stipendium über den Deutsche Akademischer Austauschdienst). Dort studiert sie bei Paul Bollenback, Antonio Hart, Michael Mossman und Sir Roland Hanna im Graduierten Jazzprogramm der Aaron Copland School of Music mit Abschluß im Sommer 2003 als „Master of Music in Jazzperformance“.
Sie spielt u.a. mit:
Seamus Blake, Rick Margitza, Dick Oatts, Ingrid Jensen, Mike Manieri, John Riley, Scott Wendholt, Will Vinson, Herb Geller, Wolfgang Schlüter, Bundesjazzorchester „Bujazzo“ (unter Leitung von Peter Herbolzheimer), New Cool Collective Bigband (Leit:Ben Herman und Willem Friede) und der NDR-Bigband.
Im Jahr 2001 gewinnt sie beim „Sisters in Jazz“-Wettbewerb (International Association of Jazz Educators) und spielt mit der aus den Gewinnern formierten Band in NYC, beim Mary Lou Williams Festival in Washington D.C. und auf mehreren europäischen Jazzfestivals (Wien, Pori, North Sea in Den Haag, Vienne, Vittoria und Istanbul). Im Jahr 2002 gewinnt sie den Louis Armstrong Award der amerikanischen ASCAP Foundation.
Sie unterrichtet u.a. bei diversen Jazzworkshops (Staatl. Jugendmusikschule Hamburg, Sommerjazz in Rendsburg, Jazzworkshop Lüneburg) und an der Hamburg School of Music.
Copyright: Redaktion Melodiva
30.11.2003