Rupa & The April Fishes
mit ihrem rebellischen Soundtrack "Build" auf Europa-Tour
Rupa trifft mit ihrem Album Build den Nerv der Zeit, denn in den drei Jahren der Entstehung des Albums ist viel auf unserem Globus passiert. Grundfeste wurden erschüttert, autokratische Führungen haben sich aufgelöst, mit dem arabischen Frühling, Hoffnung und Optimismus auf der einen Seite, der Finanzkrise und dem Kollaps der globalen Finanzsysteme auf der anderen Seite – Millionen von Menschen stehen auf der Verliererseite dieser Entwicklungen, sind als Flüchtlinge auf der Suche nach Schutz und Nahrung unterwegs und haben keine Chance, etwas aufzubauen. Doch in jedem Zusammenbruch steckt eine Chance, eine Zeit der Bewusstwerdung, die es zu nutzen gilt und der Rupa Marya mit ihrem Album beseelt und wütend zugleich einen Ausdruck verschafft. Warum nicht eine Welt von Grund auf mit den Händen eines jeden Individuums schaffen, jenseits des Ausverkaufs und der Spekulationen? „Was gehört uns allen? Was gehört keinem von uns? Was kann ich erschaffen, das nicht verkauft werden kann und einen ganzheitlichen Wert hat?“ umreißt die Musikerin das Konzept ihres Albums. Und verweist auf die enorme, in der Musik innewohnende Schöpfungskraft, die im wahrsten Sinne etwas „bauen“ kann: „Words and sounds (…) can help build everything again, ourselves, our lives, our villages and cities and democracies and dreams and loves, build them out of stories and suffering, our deepest memories and the force of imagination – that’s how the music goes here“.
Die Musikerin hat schon viel erlebt, sie ist Kosmopolitin durch und durch. Geboren in Kalifornien, wo sie die ersten vier Jahre verbringt, lebt sie bis zum Alter von zehn Jahren bei ihren Großeltern im indischen Punjab. An diese Wurzeln knüpft Marya jetzt mit ihrem Titelthema an: „Ich stamme von Wüstenkriegern in Rajasthan und Farmern im Punjab ab, und mein Vater pflegte zu sagen: ‚Wenn wir alles verlören, würde ich mir keine Sorgen machen, denn ich weiß, wie man baut.’“ Danach geht ihre Familie ins französische Aix-en-Provence, wo man sie ausgrenzt und wahlweise für ein Romamädchen oder eine Araberin hält. Rupa Marya schreibt sich schließlich für ein Medizinstudium in Kalifornien ein, singt jedoch abends in Clubs und Cafés ihre eigenen englisch- und französischsprachigen Lieder.
Bald findet sie in Ed Baskerville, einem Cellisten, dem Trompeter Marcus Cohen, der Akkordeonistin Isabel Douglass, Aaron Kierbel am Schlagzeug und Safa Shokrai am Bass kreative Mitstreiter. Die Band The April Fishes, benannt nach der französischen Sitte, sich am 1. April heimlich Papierfische auf den Rücken zu kleben, wird geboren. Mit einem energiegeladenen Mix aus Folk, Gypsy Jazz, Tango, Texmex, Hindi-Flair und französischem Chanson schaffen sie es zügig in die großen Konzertsäle von San Francisco, ihr erstes Album extraOrdinary rendition erscheint 2007 und bezieht sich auf die US-amerikanische Praxis der außerordentlichen Auslieferung z.B. von Terrorverdächtigen. Rupa & Co. erobern nach und nach die Ostküste und schließlich Europa.
Neben dem aufregenden Leben als Musikerin hat sie noch eine zweite Berufung: sie arbeitet als Ärztin in der Notaufnahme für Migrantinnen am San Francisco General Hospital, wo sie Tragisches erlebt. Da ist zum Beispiel eine alte Frau, die ihre große Liebe nach 40 Jahren an Krebs verloren hat. Die Musik hilft ihr, das Erlebte zu verarbeiten und dem Geschehen Ausdruck zu verleihen. „Eine solche Traurigkeit zu spüren, und dann nach Hause zu gehen und sie meiner Gitarre anzuvertrauen, ist für mich eine unglaublich energetische Erfahrung“. Diese Energie, so glaubt sie, kommt nicht nur ihr selbst, sondern auch ihren Patienten zu Gute: „Als Ärztin glaube ich, dass Wissenschaft mit Menschlichkeit gepaart sein muss, um einen Menschen oder gar einer ganzen Familie wirklich zu heilen. Meine Musik hilft mir, meine Menschlichkeit am Krankenbett zu bewahren.“
Diese Menschlichkeit zieht sich auch durch ihren zweiten Longplayer Este Mundo (2009), der – erstmals auch spanischsprachig – von den Facetten der Liebe, von Leben und Tod handelt und sich für eine bessere Behandlung von Wirtschaftsflüchtlingen an der Grenze zu Mexiko einsetzt.
Drei Jahre später ist die Zeit reif für ihre neue Platte Build, und es schien an der Zeit, endlich ein Statement zu veröffentlichen. „Packt alle mit an!“ scheinen die fünf MusikerInnen zu sagen, wenn sie im Mini-Booklet mit verschwitzten und verdreckten Arbeitsoveralls in die Kamera blicken. Tatsächlich bilden die 12 Songs einen Soundtrack, der allen Graswurzel-, Volks-und Occupy-Bewegungen von Tunesien über Chile und Griechenland zur Wall Street Manu Chao-gleich poetische Nahrung geben und kraftvolle musikalische Unterstützung zurufen dürfte. Neben zärtlich-ruhigen, von allerlei Klängen der Welt erfüllten Folksongs („Inheritance“, „No Olvidado“, „Metamorphosis“) haben Rupa und ihre Band vor allem Reggae, Cumbia, Mariachi-Trompeten, Swing und Sambareggae („Electric Gumbo Radio“) als groovige Stimmungsmacher und Beschleuniger in ihre Musik gestrickt. Das einzige Cover, „The Guns Of Brixton“ von The Clash thematisiert Polizeigewalt von damals und heute. Zu ihrer zum Teil neu formierten Band – neben Aaron Kierbel (drums) und Safa Shokrai (bass) gesellten sich noch Misha Khalikulov am Cello und Trompeter Mario Alberto Silva als feste Bandmitglieder dazu – kam ein neuer Produzent, Todd Sickafoose, der schon Songs von Ani DiFranco den letzten Schliff verpasst hat.
Ab Mitte November ist diese energiegeladene und beseelte „rebel music“ hierzulande auch live zu erleben.
Aktuelle CD „Build“ (2012), Label: Electric Gumbo Radio Music
Tourtermine:
20.11.2012 Hamburg – Fabrik
21.11.2012 Berlin – Lido
22.11.2012 Köln – Stadtgarten
23.11.2012 Bochum – Bahnhof Langendreer
24.11.2012 Heidelberg – Heidelberg-Halle 02 „Welten hören“ Tanzfest
26.11.2012 Salzburg – Jazz it
28.11.2012 München – Ampere
29.11.2012 Erlangen – E-Werk
30.11.2012 Tübingen – Sudhaus
01.12.2012 Darmstadt – Centralstation
Autorin: Mane Stelzer
08.11.2012