Rhythm King and her Friends

"Queerest Indie-Electro-Punk from Berlin"

Nach ihren gefeierten Auftritten als Vorgruppe der New Yorkerinnen „Le Tigre“ geht das Berliner Trio „Rhythm King And Her Friends“ mit dem Debütalbum „I Am Disco“ auf Deutschland-Tour. Der Mix aus Elektro, Punk und Indie besteht aus einer Vielzahl von Instrumenten, packt Harmonika und Xylophon zum Drumcomputer und erhebt mit Erfolg den Anspruch, feministische und queere Inhalte in tanzbare Rhythmen zu bringen. Leonie Wild sprach mit Linda Wölfel, Pauline Boudry und Sara John. Auch sind die ersten Statements zur neuen Scheibe weiter unten im Text zu finden, wie auch eine Konzert-Ankündigung für diese spannende Queer-Punk-Formation.

Interview von Leonie Wild

En passant fällt die Spielerei in Eurem Bandnamen gar nicht auf – umso größer die Wirkung beim zweiten Hinsehen. Wie programmatisch ist er gemeint, ist er eher Hingucker oder Gag?
Pauline: Er ist ein Spiel.
Linda: Hinter ihm steckt eine kleine Geschichte: auf einem Cover von „Blondie“ trug der Gitarrist den rosa Schriftzug „Rhythm King“ auf dem Rücken.
Pauline: Wir dachten uns, der Name passt zu uns, weil es zahlreiche Künstler und Titel zu „Rhythm King“ gibt, die aber durchweg männlich sind. Uns ist ein queerer, feministischer Zusammenschluss wichtig. So haben wir den „Rhythm King“ um „and her friends“ ergänzt und staunen, was aus dem Namen gemacht wird.
Linda: „And her friends“ wird erstaunlicherweise gerne weggelassen. Wir werden schnell zu den Rhythm Kings. So wie die Gypsy Kings… Und das Wortspiel ist hin. (lacht)

Und die „Friends“ haben welches Geschlecht?

Linda: Meistens Freundinnen. Aber mitunter auch Freunde.
Auf Eurem Debütalbum bietet Ihr sozialkritisch ambitionierte Texte an. Stand diese Übereinkunft am Anfang Eurer musikalischen Zusammenarbeit vor vier Jahren fest oder hat sie sich entwickelt?

Pauline: Uns war von Anfang klar, in welche Richtung es gehen soll – dass die Texte einen Sinn haben, hinter dem wir stehen.
Linda: Wir singen über das, was uns beschäftigt. Und das sind häufig Themen rund um queere Praxis, Geschlechterrollen oder Arbeitsleben.
Wo bekommt Ihr den Stoff her, zum Beispiel via Gender Studies oder privaten Netzwerken?

Pauline: Ich arbeite beispielsweise in einer Arbeitsgruppe, die sich mit Ökonomiekritik beschäftigt: so fließt dieses Thema in die Band ein. Was sich in unserem Leben abspielt, landet schließlich in unserer Musik.

Geschlechterrollen spielen in Euren Texten eine wesentliche Rolle, etwa in „Sister“, wo eine junge Frau auf die Lektüre ihres Lenins verzichtet, um sich vor den geifernden Blicken eines Busfahrers zu schützen. Wie schätzt Ihr die Wirkung von provokativen Stoffen ein, versperren die Euch Zielgruppen?

Linda: Gerne können diejenigen, die sich noch nie mit solchen Geschlechterstrukturen beschäftigt haben, durch die Songs darauf aufmerksam werden. Ob uns die Stoffe jedoch jenes Publikum versperren, das denkt: das betrifft mich nicht? Ein Publikum, das sich nicht auseinandersetzen möchte, interessiert uns nicht wirklich.

Pauline: Wir stellen eher eine Verbindung her zwischen uns und den Leuten, die eine Ahnung haben von dem, was uns am Herzen liegt. Die etwas übrig haben für queere oder feministische Netzwerke. Andere für unsere Sache zu gewinnen, ist eher nicht das Ziel.

Welche Gitarre – Marke und Firma – spielst du? Hast du verschiedene Gitarren, die du zu für unterschiedliche Songs oder Spieltechniken einsetzt?
Joyce: Ich habe verschiedene Gitarren. Wenn ich so darüber nachdenke, besitze ich tatsächlich eine ganze Menge Gitarren. Ich lasse jetzt mal alles beiseite und rede nur über meine akustischen Gitarren: Für Aufnahmen verwende ich meine Orozco. Die ist von Juan Orozco, ursprünglich ein Gitarrenbauer aus Uruguay. Er hatte sich aber in New York niedergelassen und in der West 56th Street ein Geschäft eröffnet. Und dort habe ich auch diese Gitarre gekauft, es ist eine 1977er Orozco, eine der wenigen, die er exklusiv selbst gebaut hat. Und ich nehme noch heute mit dieser Orozco auf, für die Studioarbeit möchte ich ohnehin nichts anderes verwenden als eine akustische Gitarre.

Ihr habt Euer Zielpublikum „erfunden“, verrät die Homepage. Wie denn?
Linda: Unsere ersten Konzerte haben wir bewusst in feministischen Kontexten absolviert, das erste zum Beispiel in der Bremer „Schlampenkneipe“. Aus einem Konzert hat sich das nächste ergeben, eine Zuschauerin lud uns zum Beispiel nach Hamburg in die „Rote Flora“ ein, wie spielten auf Frauen-Soli-Parties. Auf unserer ersten Tour vor zwei Jahren haben wir begonnen, in ganz „normalen“ Clubs zu spielen, und machten ziemlich gute Erfahrungen: das Publikum konnte immer etwas damit anfangen. Schnell hat sich rumgesprochen: „Die wenden sich an uns: hingehen!“
In dem Song „I Am Disco“ seht Ihr eine Hommage an Virginia Woolfs Text „A Room Of One’s Own“. Und ihr bindet Textpassagen der türkischstämmigen Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar ein. Wie fiel die Auswahl auf sie?
Pauline: In einem anderen Projekt haben wir ein Theaterstück über sie gemacht: ihre Biografie als in der Türkei und Deutschland aufgewachsene Künstlerin auf die Bühne gebracht und dazu Musik eingespielt. Aus dieser Zusammenarbeit heraus hat sie später ihr OK gegeben, Passagen aus ihrem neuen Erzählband auf unserem Album zu zitieren.

Ihr textet in Englisch, Französisch und zeilenweise wie in „Copie-moi“ auch Bulgarisch. Inhaltlich bergen die französischen Texte den härtesten Tobak, ist das Zufall?
Pauline: (lacht) Das höre ich öfter, ich habe es aber nicht darauf angelegt. Wir mögen es, mit Akzent zu singen, der ist ja auch bei unseren englischen Titeln bemerkbar und wir machen uns ein Spiel daraus. Die bulgarischen Zeilen stecken in einem Song, in dem es um den persönlichen Umgang mit dem Kalten Krieg geht, speziell um die Erfahrungen einer bulgarischen Familie. Durch die Sprache kriegt der Song größere Authentizität.
Linda: Ich halte es für ein Plus, in mehreren Sprachen zu singen. Darin herrschte von Anfang an Einigkeit.
Wie groß ist die Angst, von unterschiedlichen Szenen vereinnahmt zu werden, etwa der queeren oder schwul-lesbischen Bewegung?
Linda: Ganz reizvoll ist es, und auffällig dazu, dass wir einerseits in der Musikszene von Menschen wahrgenommen werden, die sich für vor allem für elektronische Musik interessieren, und andererseits in jenen Szenen, die wir inhaltlich ansprechen.

Pauline: Wir werden aus unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen, was sich zum Beispiel auch an den Fragen zeigt, die Medien oder Clubs an uns richten. Um glaubwürdig zu sein, gehört es dazu, sich eindeutig zu positionieren. Ich habe keine Sorge, dass diese Einstellung ausgenutzt wird.
Ein Wort zu Euren musikalischen Wurzeln?
Sara: Wir kommen alle eher aus der Ecke „Gitarrenmusik“, und hatten Lust, mit elektronischer Musik anzufangen und professionell zu arbeiten.
Linda: Vorher spielte ich in zwei Funkrock-Bands und schrieb seit Jahren Stücke für Gitarre. Damals in den Bands war die Aufgabenverteilung eindeutiger; wir heute wechseln uns mit den Aufgaben ab und singen, komponieren und mischen abwechselnd.

Wie habt Ihr Euch mit der fremden Technik vertraut gemacht?

Sara: Erst ganz schnöde durchgewurstelt und Schritt für Schritt experimentiert.

Linda: Es war nicht schwieriger, als Gitarre oder andere Instrumente zu lernen. Anfänglich haben wir viel gesampelt und am Computer gebaut, später mit mehr Mut die Gitarre integriert und einen Drumcomputer gekauft.

Von Eurer Bühnenperformance geht das Gerücht, sie sei weniger statisch als üblicherweise bei E-Konzerten.

Linda: Abwechslung kommt rein, weil wir nicht ständig vor unseren Kästchen stehen und daran rumdrehen, sondern etliche andere Instrumente mitnehmen und uns abwechseln.

Pauline: Es macht allein schon einen Unterschied, ob man sieht: „Die haben Spaß auf der Bühne, die Beats kommen live statt vorproduziert“, oder nicht.

Fallen Euch musikalische Inspirationsquellen ein, an denen Ihr Euch entlang hangelt oder die als Vorbild dienen?

Pauline: Als wie im Jahr 2000 mit elektronischer Musik angefangen haben, gab es noch nicht viele Frauenbands, die in eine ähnliche Richtung gingen. Wir konnten deshalb nicht sagen: „Wir versuchen es wie diese oder jene Band.

Sara: Es ging uns eher darum, unsere verschiedenen musikalischen Einflüsse neu zu verbinden, anstelle andere Bands als Vorbild zu nehmen.

Auf einem elektronischen Album wie angegossen ein Xylophon zu hören, ist eine Rarität…

Linda: Statt Vorbildern halten wir es gerne mit kleinen Instrumenten, zum Beispiel auch einer Viola. Mit kleinteiligen Dingen können wir besser reisen (lachen). Bei der Aufnahme von „Colaroid“ lagen merkwürdige Instrumente im Studio herum, Holzklöppel zum Beispiel, die wurden gleich integriert.

Pauline: Anstatt uns teuerste elektronische Apparate zu kaufen und dann sechs Monate vor der Gebrauchsanleitung zu verbringen, versuchen wir es schneller und unkomplizierter.

Linda: Trashige Sachen vom Flohmarkt! Stets sind wir voll Angst, die Instrumente stürben beim nächsten Konzert auf der Bühne. (lacht)

Welche Projekte stehen an?

Linda: Jetzt steht die Tour ins Haus. Und womöglich landen wir in diesem Jahr bei den Ladyfestivals in Stuttgart und Dänemark.

Aus einer Konzertankündigung:
„Shock & Pants statt Hot-Pants“
Feministische Politik ist tanzbar geworden.

Lässig und fest klopft der Beat, glockenhell perlt ein Keyboard, Sampler, Bass, Xylophone. Megaphone werden eingesetzt, entschieden verkündet eine Stimme Unerhörtes zum Thema Arbeit, queere Körperpolitik oder kulturelle Zuschreibungen. rhythm king and her friends sind angefangen vom Bandnamen im Bereich Subversion tätig: mit elektronischer – höchst tanzbarer – Musik nehmen sie eine Haltung zur Gesellschaft ein

Während ihrer Tour als Support der New Yorker Band Le Tigre feierten rhythm kings bereits ihre ersten Erfolge in Skandinavien und in Deutschland. Dann folgte das Ladyfest zusammen mit Noisy Pink Vagina in Hamburg und das dritte Berliner Label- Festival „Marke B“

Über die CD I Am Disco, Kitty Yo-Berlin 2004 – „Grrrl-Power mit freundlichen Klängen

„…Post-Punk meets elektronische Klänge meet Queer Politics. Die Rhythm Kings waren im vergangenen Jahr bereits mit den Indie-Heldinnen von Le Tigre unterwegs und bringen nun ihr Debütalbum „I Am Disco“ heraus. Ihr Sound und mehrstimmiger Singsang erinnert deutlich an die drei Chicks on Speed, die sich im Gegensatz zu Rhythm King allerdings „We Don`t Play Guitar“ auf die Fahnen geschrieben haben.

„Get Paid“ ist die erste Single Auskopplung und dürfte vielen direkt ins Ohr gehen. Darüberhinaus bietet „I Am Disco“ einige schöne Electropop-Songs („Shock“, „I Am Disco“, „One Two“), mit denen man sich schnell dicke anfreunden kann.

Quelle: Dieser Text erschien in der Juni-Ausgabe des Magazins LESPRESS
www.lespress.de
Fotos: (Label Kitty Yo-Berlin) and Headley Hudson [url:http://www.kitty-yo.de/]
Wir bedanken uns bei der Redaktion und der Autorin Leonie Wild für die kollegiale Unterstützung.
Text zusammengestellt von Anne Breick

Copyright: Lespress und Melodiva

29.06.2004