Rebekka Bakken (N)

"Living is letting go"

Die norwegische Sängerin Rebekka Bakken zeigt sich vielgesichtig – im Duo mit Gitarrist Wolfgang Muthspiel brachte sie Lieder über Liebe, Leid und Beziehungs-konflikte mit geradezu schauspielerischem Impetus aufs Tapet. Als Hauptfigur von Julia Hülsmanns Projekt ‚Scattering Poems‘ – wo sie unlängst deutschlandweit Erfolge feierte – sang sie Texte von E.E. Cummings. Im Juli ist sie jetzt mit ihrer Band in ganz Deutschland, Österreich und Spanien on Tour.

Rebekka Bakken „The Art of How To Fall“
Im letzten Jahr ist ihr erstes Soloalbum bei Universal Jazz erschienen: eigene Songtexte und Kompositionen, ruhig erzählte Geschichten von der, wie sie es nennt, Kunst zu fallen. Ein Album sehr persönlichen Inhalts ist „The Art Of How To Fall“ geworden, in dem Rebekka Bakken viele Facetten ihrer Persönlichkeit offenbart. Derer hat sie eine Menge – sie vereint „Die Schöne und das Biest“, Ehrlichkeit und Subtilität, Kraft und Verletzlichkeit in einer Person. Puzzlesteine, die an ihren richtigen Platz fallen zu lassen, auch eine Kunst bedeutet. „I just happen to be a singer,“ sagt sie über sich – eigentlich sei es Zufall, dass sie singt, dass sie Musik macht.

Deine ersten musikalischen Projekte standen in Verbindung mit Funk und Rock. Später hast du dann deine Fühler in Richtung Songwriting und Jazz ausgestreckt. Wie kommen diese Wechsel zustande?

Rebekka: Eine solche Veränderung beruht niemals auf einer Wahl, die man trifft. Sondern sie ist etwas, das einfach ganz von alleine passiert: Je intensiver du lebst, desto öfter veränderst du dich. Eine Erklärung oder gar Begründung habe ich für diese Veränderungen nicht – eigentlich tue ich einfach immer nur das, wonach ich mich im Moment fühle.

Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit mit anderen Musikern in deren Projekten erscheint nun dein Soloalbum. Du bist derzeit eine erfolgreiche Musikerin. Wie fühlt sich das für dich an, macht der Erfolg die Dinge kompliziert?

Rebekka: Das ist eine gute Frage. Ich weiß, dass ich –als Person – nicht identisch bin mit dem Erfolg, den ich habe. Dass ich ebenfalls nicht gleichzusetzen bin mit der Musik, die ich mache. Auch dass ich in Wirklichkeit nicht so bin, wie andere Leute sich mich vorstellen. Diese Bilder sind nicht ich, sie haben eigentlich nichts mit mir zu tun. Das Wissen hierum gibt mir etwas wie ein ruhendes Zentrum. Wenn ich nicht in mir selbst ruhe, fühle ich mich unwohl – ich strebe dann zu diesem Pol zurück. Wenn ich mich in meinem Zentrum befinde, weiß ich, dass ich nicht bin, weil ich jemand sein will. Sondern einfach, weil ich bin. Dass ich nichts tue, um etwas zu erreichen, sondern um es zu tun. Und dieses ganze Album, das Einspielen dieses Albums dreht sich um mein „in mir selbst ruhen“. Es ist ein gutes Abbild meiner Selbst im Hier und Jetzt.

Wie tauchst du als Sängerin in das Material und die emotionale Atmosphäre des jeweiligen Songs ein?

Rebekka: Ich denke kaum darüber nach. Es ist eher so, dass ich mich dem Song zur Verfügung stelle, mich ihm öffne. Ich forciere nichts, lasse es einfach geschehen. Die Dinge kommen zu mir, und ich singe sie. Früher habe ich immer zu viel über alles nachgedacht, aber das hatte immer Distanz zur Folge. Es gab eine Distanz zwischen mir und der Musik, zwischen mir und den Worten. Das ist jetzt nicht mehr so.

Neben dem Komponieren der Songs und dem Schreiben der Texte hast du auch die Arrangements für das neue Album gemacht.

Rebekka: Ich habe das ganze Album selbst produziert und ich wollte genau diese Besetzung dafür haben. Weil alle vier großartige Musiker sind, die dieses Projekt entsprechend unterstützen; die Musik ist größtenteils Ergebnis ihrer gesammelten Musikalität. Ich hatte eigene Bands in New York, und dadurch habe ich eine Menge gelernt.

Ein Musiker, den du ‚anheuerst‘, mit dem wirst du in der Regel nicht üben können. Darüber hinaus musst du genau wissen, was du willst. Denn er ist nicht interessiert daran, Ideen einzubringen oder statt deiner an der Musik zu arbeiten. Wenn du dein eigenes Material aus dem Eff-Eff kennst, dann folgt das Arrangement daraus auf beinahe logische Weise. Ich mag es aber eigentlich nicht, wenn alles zu sehr durcharrangiert ist, weil ich nicht möchte, dass die Musiker beim Spielen denken. Ich möchte, dass sie lediglich ihrer Intuition folgen.
Norwegen, New York, Prag und nun Wien – wie groß ist der Einfluss deiner Umgebung auf deine Musik, deine Kreativität?
Rebekka: Ich bin viel unterwegs und habe gelernt, mich nicht ständig mit einem Schutzwall zu umgeben. Und inzwischen gelingt es mir auch, mit Angstgefühlen gut klar zu kommen. Du kannst ja die Angst nicht daran hindern, sich in deinem Kopf breit zu machen, aber du brauchst nicht auf sie zu hören! Das habe ich für mich gelernt, und davon hat auch meine Musik profitiert.

Wenn du lernst, dass es nicht gefährlich ist, ängstlich zu sein, dann kannst du auf Entdeckungsreise gehen – und ehrlich sein im Umgang mit Musik und Performance. Ehrlich in dem, was du machst. Und das ist etwas, dessen ich mich immer wieder versichere – dass ich noch auf diesem Weg bin. Ehrlichkeit ist die schönste Sache der Welt. Aber es ist manchmal schwer, sich das zu vergegenwärtigen oder daran zu glauben!

Aktuelle CD: Rebekka Bakken „The Art of How To Fall“ (Emarcy/ Universal)

Quelle: Dieses Interview ist die etwas gekürzte Version eines Interviews, das im März 2004 bei JAZZDIMENSIONS erschien. www.JAZZDIMENSIONS.de

Hier geht es zum ausführlichen Interview
http://www.jazzdimensions.de/interviews/portraits/2004/rebekka_bakken.html

Wir bedanken uns bei der Autorin für die kollegiale Unterstützung.

Dieser Text ist nur nach Absprache mit der Redaktion der Melodiva und Genehmigung des Autors/ der Autorin für eine Weiterveröffentlichung zu verwenden.

http://rebekkabakken.universalmusic.at
Autorin: Carina Prange

29.06.2004