Petra Krumphuber – In einer Wolke von Sound

Interview von Peter A. Cordes

Die Linzerin Petra Krumphuber, deren Wohnsitz seit einigen Jahren Berlin heißt, bringt mit ihrer Band „Croomp“ einen Sound voller Ecken und Kanten in die Wohnzimmer. Ihre Erfahrungen als Bandleaderin mit wenigen Worten beschreibend, liefert sie eine Palette von Adjektiven ab: „Spannend, anstrengend, lustig. Nervig, aber auch beglückend.“

Als Posaunistin im Jazz kann sie auf Vorreiterinnen ihres Geschlechts wie Annie Whitehead, Melba Liston oder Sarah Morrow schauen. Ihr musikalisches Vorbild allerdings ist keine Musikerin, sondern das österreichische Projekt „Heavy Tuba“, gegründet von ihrem ehemaligen Musikschullehrer Heimo Schmid. Und mittlerweile spielt Petra Krumphuber dort auch gelegentlich selbst mit…

Peter: Petra, Du wärst, ist auf deiner Myspace-Seite zu lesen: „aufgewachsen im österreichischen Alpenvorland, griff sie, als ihre Arme lang genug waren, zur Posaune.“ Warum, heißt es, sei ein Rätsel… Wieso gab es zuhause bei Deinen Eltern eine Posaune? Wie war es tatsächlich und wie alt warst Du?

Petra: (lacht) In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, gab es viel schöne Landschaft, vier Feuerwehrvereine, einen Sportverein, eine katholische Kindergruppe und zwei Blasmusikkapellen. Diese Blasmusikkapellen warben natürlich um die Kinder des Dorfes als ihren „Nachwuchs“. Und nachdem mein Vater Obmann der einen Kapelle war, ging ich auch, bevor ich noch selbst mitspielte, mit ihm zu den Proben und Konzerten und hörte mir das an.

Eigentlich sollte ich Waldhorn lernen, weil das gerade benötigt wurde. Aber die Posaune hat mich dann doch mehr fasziniert. Es war als erstes der Zug und diese Bewegung die mir gefallen hat. Der Sound natürlich auch, aber ich war einfach heiß auf dieses Ziehen. Der Musikschullehrer befand mich für noch zu jung für die Posaune und so bekam ich mit neun Jahren, kurz nach Weihnachten, ein Bariton (ein etwas breiter gebautes Tenorhorn) aus dem Fundus des Musikvereins. Das war toll und ich kann mich daran noch viel besser erinnern als an meine erste Posaune, die ich dann wahrscheinlich mit elf oder zwölf bekommen habe.

Mein allererster Instrumentenwunsch war aber übrigens aus mir selbst und meiner Familie unerfindlichen Gründen das Hackbrett. Hat damals aber nicht geklappt, denn die Musikschule, in der das angeboten wurde, war zu weit entfernt. Vielleicht wär ich jetzt ansonsten eine Avantgarde-Hackbrettspielerin oder auch total in der Volksmusikszene beheimatet. Lustige Vorstellung!

Peter: Was faszinierte Dich als Kind und was fasziniert Dich heute am Klang der Posaune ?

Petra: Als Kind war’s wie gesagt auf jeden Fall der Zug und überhaupt das Prinzip des Instruments. Das finde ich heute natürlich immer noch interessant, auch wenn seitdem vielleicht eher andere Facetten in den Vordergrund traten. Mir gefällt, dass die Posaune ein ziemlich „unanalytisches“ Instrument ist. Dass der Sound sehr wandelbar, von butterweich bis fast schon aggressiv, sein kann. Und die Energie, die man damit transportieren kann, gefällt mir natürlich auch.

Peter: Du hast in Linz Posaune studiert und mit Diplom und Auszeichnung dein Studium abgeschlossen. Es gibt nicht ja viele weibliche Jazzposaunistinnen – fallen Dir namentlich mehrere ein?

Petra: In Berlin habe ich einige Kolleginnen. Beispielsweise Anke Lucks, Tanja Becker, Katrin Schollmeyer oder Ulrike Hauptmann. Dann fallen mir noch ein: Annie Whitehead, Melba Liston, Annemarie Roloefs, Sarah Morrow. Und es gibt sicher noch jede Menge andere.

Peter: Und wer sind Deine Vorbilder?

Petra: Ein Grund, warum ich das mit dem Jazz lernen wollte, war sicher „Heavy Tuba“, ein Projekt, das mein damaliger Musikschullehrer Heimo Schmid vor 15 Jahren gründete und das sich aus einem Musikschulensemble zu einer professionellen Band entwickelte.

Die Konzerte haben mich damals regelmäßig umgehauen, so toll war das für mich, die Kollegen spielen zu hören. Besonders in Erinnerung sind mir viele Solos von Robert Bachner und Jon Sass, der ebenfalls mehrere Jahre mit Heavy Tuba gearbeitet hat. Aber auch der oberösterreichische Pianist Helmar Hill oder der Gitarrist Kurt Erlmoser. Insofern waren das meine ersten Vorbilder.

Peter: Wie setzt Du Dich in der „Männerdomäne“ des Posaunensektors durch?

Petra: Diese Frage wird mir sehr oft gestellt, auch in verschiedenen Abwandlungen, beispielsweise: Wie ist das so, als einzige Frau in einer Big Band, etc. etc. So oft, dass ich oft schon genervt bin davon! Ich versuche mir darüber nicht mehr so viele Gedanken zu machen, weil es mich eher aufhält, als dass es mich weiterbringt. Ich möchte Musik machen und nicht mir überlegen, ob ich in das Rollenbild von irgend jemand passe.

Bei den Kollegen, die einem so unterkommen, sind die allermeisten kollegial und entspannt. Aber natürlich gibt’s auch hin und wieder den einen oder anderen Macho darunter, für den das gewöhnungsbedürftig ist, dass eine Frau in der Band ist, die nicht singt. Aber das ist ja dann sein Problem und nicht meines! Meistens ist es, wie gesagt, ohnehin unproblematisch..

Was mir schon oft zu schaffen machte, ist, dass es für uns Instrumentalistinnen im Jazz eher wenige Rollenvorbilder gab und gibt, an denen man sich einfach orientieren kann. Deshalb bin ich sehr froh über unser kleines „Netzwerk“ hier in Berlin. Wir sind eine Gruppe von Jazzmusikerinnen, die alle im Frauenmusikzentrum Wedding proben und üben. Und in den letzten Jahren haben alle von uns eigene Projekte an den Start gebracht. Ein gewichtiger Grund dafür war schon auch der Austausch und die Unterstützung, die man sich da gegenseitig gibt.

Peter: Du warst 2004 beim Workshop in Kanada im Banff Center, den Dave Douglas leitet.

Petra: Es war für mich eine tolle Erfahrung! Drei Wochen in dieser schönen Umgebung sein zu können, und nichts anderes zu tun zu haben, als Musik zu machen und spazieren zu gehen. Man ist völlig aus seinem normalen Alltag herausgerissen. Gleichzeitig gibt es eine riesige Bibliothek mit Noten, CDs, Videos und den ziemlich intensiven Austausch mit den anderen TeilnehmerInnen.

Im großen und ganzen wechselt auch jede Woche die „Faculty“. Es ist schön, mitzubekommen, wie unterschiedlich die Herangehensweisen an die Musik auch bei den arrivierten Musikern und Musikerinnen sind. In der Mitte des Workshops gab es auch einen Punkt, wo ich mich am Ende fühlte, weil es die ganze Zeit so wahnsinnig viel Eindrücke gab. Und weil mir auch klar wurde, dass es keine fertigen Antworten darauf gibt, wie mein Leben als Musikerin auszusehen hat.

Peter: Wie würdest Du Deine bisherigen Erfahrungen als Bandleaderin mit wenigen Worten beschreiben?

Petra: Spannend, anstrengend, lustig. Nervig, aber auch „beglückend“ … ein komisches Wort! Aber ein besserer Ausdruck fällt mir nicht ein, für das Gefühl, wenn die Kollegen und Kolleginnen aus den Ideen, die man hatte, Musik machen. Alles in allem ist das schon eine Herausforderung für mich.

Peter: Du spielst mit bei „Heavy Tuba“, in der Band von Dietrich Koch, im United Womens Orchestra und bei Ed Partyka – wieviel Spaß macht Dir die Arbeit als Sidewoman? Gibt es etwas, das man gerade in größeren Formationen besonders gut lernt?

Petra: Was lernt man in Big Bands? Seine Individualität zu behalten, aber trotzdem mit den anderen einen Satz, beziehungsweise, eine Band zu werden. Dinge wie „Blending“, das „Zusammenschmelzen“ des Sounds. Man lernt, sich zu konzentrieren und extrem exakt zu spielen. Und sonst: pünktlich sein, sein Zeug geübt haben oder gut vom Blatt lesen und sich bis zu einem gewissen Grad den musikalischen Vorstellungen von jemand anders unterordnen.

Und ansonsten finde ich genau das gleiche daran toll, wie das Publikum: Dass viel Energie daherkommt, dass es viele verschiedene Farben gibt, unterschiedliche Solisten. Dass man von einer Wolke von Sound umgeben ist, wenn man da so in der Mitte drinnen sitzt… Und auf jeden Fall bin ich als „Sidewoman“ in den meisten Fällen entspannter als mit meiner eigenen Band!

Peter: Du hast auf der Posaune Deine eigene Variante der Mangelsdorff’schen Multiphonics entwickelt. Wie verändert sich durch diese Art des Spielens Deine Herangehensweise an Musik im Allgemeinen und Deine Vorstellung von Klangwelt?

Petra: Ich weiß gar nicht, ob sich dadurch meine Klangvorstellung so wahnsinnig verändert hat. Für mich ist das einfach eine interessante Technik, die ich nutzen möchte. Vielleicht habe ich dadurch eine etwas bewusstere Wahrnehmung der Obertöne, die ja immer vorhanden sind.

Im Moment versuche ich das bei unseren Konzerten spontan einzusetzen, mir also dabei keine großen Gedanken zu machen. In Zukunft würde ich das auch gern noch mehr als Ausgangsbasis für Kompositionen verwenden. Mein Ziel ist jedenfalls, damit so locker zu werden, dass ich dabei nicht mehr nachdenken muss. Einfach als Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten.

Peter: Hast Du Albert Mangelsdorff eigentlich noch kennengelernt?

Petra: Leider nicht. Ich habe ihn auch nur einmal live gesehen, vor mehreren Jahren.

Peter: 2009 bist Du zehn Jahre in Berlin – wie fühlt sich das an?

Petra: Zehn Jahre Berlin klingt nach einer ganz schön langen Zeit für mich. Gleichzeitig ist es auf jeden Fall ein positives Gefühl, weil ich sehe und merke, wie sich das alles in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich bin glücklich, dass ich Musikerin sein darf und mir meinen Lebensunterhalt damit verdienen kann, Posaune zu spielen. Das sehe ich schon als Privileg.

Das Interview führte Peter A. Cordes für Jazzdimensions (www.jazzdimensions.de: Jazz, worldmusic, songwriting & more); wir bedanken uns für die freundliche Abdruckgenehmigung.

Aktuelle CD:
Croomp – „On The Loose“
Label: Double Moon Records

www.myspace.com/petrakrumphuber

27.10.2009