Omara Portuondo

"Die Grande Dame des SON"

Omara Portuondo wurde als einzige Sängerin im Männerclub des Buena Vista Social Club bekannt. Unvergessen ist die Szene in Wim Wenders Film, als ihre Tränen, die nach dem Applaus der Ballade ‚Silencio‘ fließen, von ihrem Gesangspartner Ibrahim Ferrer abgewischt werden. Auch sie erreichte der Weltruhm spät, die Sängerin blickt mittlerweile auf über 50 Karrierejahre zurück und feiert im Herbst ihren 74. Geburtstag. Vom Ruhestand ist sie weit entfernt.
Sie wird ihre neuen Platte ‚Flor de Amor‘ (World Circuit / Indigo), die so anders klingt als die anderen Buena Vista Social Club-Veröffentlichungen, im Juli auf vielen Bühnen vorstellen.

Omara Portuondo sagt zu ihrem neuen Album „Flor de Amor“‘:

„Es sollte ein großer Unterschied zum ersten Album herausgearbeitet werden. Das erste war mehr Jazz, es war lauter und beschwingter, das zweite sollte romantischer, sanfter oder intimer sein. Die Idee kam von Nick Gold, der das Album zusammen mit dem Brasilianer Alê Siqueira (u.a. Produzent von Carlinhos Brown oder Gaetano Veloso) produziert hat. Es gibt Stücke, die klassisch entworfen wurden und immer so interpretiert wurden, die mußten natürlich so traditionell bleiben. Aber andere haben einen anderen Rhythmus oder ein anderes Tempo bekommen. So bleibt die Habanera zwar eine Habanera, aber sie ist schneller und mit mehr Rhythmus, deshalb kommt sie zeitgemäßer daher.“

Omara Portuondo wurde in die kubanische Musik hineingeboren.
Ihre Eltern, eine Frau aus reicher Familie und ein schwarzer kubanischer Baseballspieler, hatten im Alltag mit ihrer nicht akzeptierten Mischehe zu kämpfen, ihr Zuhause war aber der sichere und musikalische Hafen für ihre Kinder. Mittags und abends sang das Ehepaar kubanische Lieder im Duett und prägte das musikalische Leben der Kinder. Als ihre Schwester vor einer Ballettpremiere stürzte, mußte Omara einspringen. Das war ihr erster ‚Ausflug‘ ins Rampenlicht. Später sang sie viel mit ihrer Schwester Haydée in Bands, unter anderem in der Frauenband D’Aida. Ihre Interpretationen amerikanischer Standards brachten ihr den Titel ‚Financée of ‚filin‘, was die adaptierte Schreibweise des Wortes Feeling ist, ein. 1959 (!) erschien ihre erste Platte unter eigenem Namen, und oft war Omara Portuondo mit Bands auf Tournee, zumeist natürlich in den kommunistischen Bruderländern, aber auch in Frankreich und Japan.

Melodiva:
Ich bräuchte Hilfe bei der Definition von Boleros, Guarijas, Montunos, Guaguancós, Canziónes und des Son, die alle Vorläufer der bekannten Salsa-Musik sind.

Omara Portuondo:
Genaue Grenzen zwischen den Genres zu ziehen, fällt selbst mir nicht leicht. Der Son ‚Mueve La Cintura Mulato‘ ist rhythmischer und schneller, sehr tanzbar. Aber die Art und Weise, wie man ein Stück interpretiert, ändert das Lied. ‚Lagrimas Negras‘ kennt jeder und es ist eigentlich ein trauriges Stück, aber wenn das rhythmischer arrangiert ist, wird es zum Son und damit tanzbar. Trotzdem bleibt es traditionelles Liedgut. Als Bolero finden sich auf der neuen Platte ‚Amor De Mis Amores‘, das von dem mexikanischen Komponisten Agustín Lara geschrieben wurde. ‚Hermosa Habana‘ und ‚Si Ilego A Besarte‘ sind ebenfalls Boleros. ‚He Venido A Decirte‘ ist trauriger. Alle anderen Stücke sind Guarijas. Die kommen aus ländlicheren Gegenden, was man auch an den Texten merkt. ‚Junto A Un Canaveral‘ handelt von einem Zuckerrohrfeld und ist ein Lied von ganz einfachem Bauernvolk mit bodenständigeren Ryhthmen. ‚El Madrugador‘ gehört auch dazu oder ‚Alma De Roca‘, auch wenn vorletztes schon wieder rhythmischer bearbeitet wurde.

Melodiva:
Wer hatte die Idee dieser schönen Instrumentation mit Gitarren, Geigen, Chören und Klarinetten?

Omara Portuondo:
Die Idee kam von Nick Gould zusammen mit Alê Siqueira, die zusammen produziert haben. Beide hatten die Idee entwickelt. Es gibt Stücke, die klassisch entworfen wurden und immer so interpretiert wurden, die müssen so bleiben. Aber andere bekommen einen anderen Rhythmus oder ein anderes Tempo. So bleibt die Habanera zwar eine Habanera, aber sie ist schneller und mit mehr Rhythmus und so zeitgemäßer.

Melodiva:
Dieser Schleier von Trauer und Traurigkeit in den Stücken, ist das eine persönliche Vorliebe?

Omara Portuondo:
Das kommt von den Stücken, wenn die Stücke traurig sind, dann muss man sie traurig interpretieren, aber es gibt natürlich auch fröhliche Stücke.

Melodiva:
Die neue CD ist wieder im EGREM Studio in Havanna aufgenommen worden. Steckt immer noch die Magie in den Wänden des Studios?

Omara Portuondo:
Oja, das hat diese Magie und das gewisse Etwas. Es ist das bekannteste und größte Studio in Kuba und ist das Aufnahmestudio in Kuba gewesen. Die Akustik ist besonders, und World Circuit bevorzugt diese Akustik. Ich habe da schon viel aufgenommen und bin auch gerne da. Das atmet die Geschichte der Künstler. Ich fühle mich wie in meinem Wohnzimmer. Das erste Mal war ich vor sehr vielen Jahren dort. Die Studios wurden in der ganzen Welt bekannt und jeder konnte durch den Film in die Studios hineinsehen.

Melodiva:
Meinem Eindruck nach gibt es in Kuba mehr Musikerinnen oder auch Komponistinnen. Ist es selbstverständlicher in Kuba für Frauen, Musik zu machen?

Omara Portuondo:
Es gibt jede Menge Frauen, aber wie überall auf der Welt mehr Männer als Frauen, die komponieren. ‚Alma de Roca‘, die Seele aus Stein ist von einer Frau komponiert worden. Was es früher viel gegeben hat, waren Frauenorchester, reine Frauenorchester. Die berühmte Frauenband Ana Caronas hat mich 1952 eingeladen, in Haiti aufzutreten, oder auch schon vorher in den 40er und 50er Jahren gab es eine Zusammenarbeit. Da habe ich auch Percussion gespielt. Danach habe ich mit dem Frauenquartett Quarteto D’Aida konzertiert. Es gibt ein breites Spektrum von Frauenbands, einmal ganz im klassischen Bereich, die auch alte Musik interpretieren und nur im klassischen Bereich bleiben. Es gibt kleine akustische Besetzungen, aber auch moderne Salsabesetzungen. Wer am Konservatorium in Havanna aufgenommen werden will, muß eine Gehörprobe machen, ob man das Gefühl für Rhythmus hat. Die kubanische Musik kennt da jeder, das wird vorausgesetzt. Doch auch, wenn sich jemand nur auf die moderne Musik beschränken will, muß er doch durch die klassische Ausbildung durch. Die gehört einfach dazu.

Melodiva:
Was sind die Pläne für die nächste Zeit?

Omara Portuondo:
Das Album zu promoten! Fünf Stücke sind übrigens von Alê Siqueira produziert worden. Insgesamt tauchen fünf Gitarren und / oder Tres auf dem Album auf. Und bei meiner Liveband gibt es immerhin drei Frauen im Chor und eine Geigerin – Frauen machen das Orchester besser. Insgesamt sind wir 17 Musiker auf der Bühne. Findest du mein Album zu intim?

Melodiva:
Ich mag die andere Klangfarbe. Man hätte es sich einfach machen können und den ’normalen‘ Buena Vista Sound mit austauschbaren Sängern produzieren können. Das dem nicht so ist, das ist genau das Schöne daran.
Gibt es Momente, in denen du dich über die große Nachfrage wunderst? Du machst, was du immer gemacht hast, nur mit größerer Nachfrage.

Omara Portuondo:
Der ‚Buena Vista Social Club‘ hatte diesen Riesenerfolg. Der Film, das Album hat die Musik in die ganze Welt verbreitet. Es hätte aber auch früher passieren können, aber ich bin froh, daß es passiert ist. Ich bin glücklich, dass ich mein Stückchen abbekommen habe. Und als einzige Frau habe ich ein dickes Tortenstück bekommen. Jetzt kommt mein zweites Soloalbum. Die ganze Welt kennt mich aus dem Film und interessiert sich auch für meine Soloalben. Das ist großartig!

Dank an Anja Klöckler für ihre Übersetzertätigkeiten

Kontakt Omara Portuondo:
www.nuzzcom.com

Discographie:

CD „Flor de Amor“ (2004)
(World Circuit / Indigo)

CD „Alfa Bravo Charlie“ (2001)

CD „20 Blumen“ (1997)

Copyright: Redaktion Melodiva

Autorin: Angela Ballhorn

31.05.2004