Newcomer: Ellen Klinghammer

"Zauberwort Authentizität"

„Ein bisschen Tori Amos, ein Hauch von Björk, und doch ganz sie selbst“, stand letzten Sommer in einer Konzertkritik. Ein doppeltes Lob für Ellen Klinghammer.Und zudem wird ihre Eigenständigkeit unterstrichen. Die junge Pianistin und Sängerin aus dem Taunus schreibt keine banalen Popliedchen, sondern komponiert Komplexes. Ihre Musik hat den Blues, ist jazzig, was den teils freien Umgang mit Metren und Melodien betrifft, und durchaus auch klassisch geprägt. Und in den englischen Texten geht es um Liebe und Beziehungen und was das so alles mit den Menschen anstellen kann. Das ist schon als intime Soloperformance spannend, begleitet von Cello und Schlagzeug kommen noch mehr Dynamik und zusätzliche Emotionen ins Spiel.

Newcomer & die Folgen

Als am 26. Januar kurz vor Mitternacht die HR 3-TV „Newcomer“-Folge mit Ellen Klinghammer im Hessen-Fernsehen lief, war überhaupt nicht abzusehen, welche Reaktionen die zwei Songs plus Interview auslösen würden. „Natürlich habe ich voller Spannung vor dem Fernseher gesessen, mir gedacht, da schauen jetzt eine Menge Menschen zu und mir positive Rückmeldungen erhofft“, gibt die junge Sängerin und Pianistin zu. Als sie dann wenig später ins Netz ging, um ihre Website zu checken, war die Überraschung dennoch groß. „Da gab es noch während der Sendung viele Mails mit tollen Feedbacks und CD-Bestellungen, was meine Erwartungen bei weitem übertroffen hat.“

Nicht so leicht einzuordnen

Gästebuch-Einträge wie „Was Besseres habe ich seit langem nicht gehört“ oder „Du hast mit deinen Liedern einen schönen Moment in mein Leben gebracht“ sind längst keine Seltenheit mehr. Seit ihren beiden Nachtleben-Konzerten im vergangenen November – erst solo als Support bei Britta, dann mit Lucid beim „Heimspiel“ – ist Ellen Klinghammer in Frankfurt im Gespräch. „Newcomer und die Nachtleben-Auftritte waren für mich Schlüsselerlebnisse. Da habe ich gemerkt, man wird wirklich wahrgenommen von einem größeren Publikum.“

Und das ist durchaus bereit, sich auf eine Musik einzulassen, die ganz eigen, auch eigenwillig ist, und sich stilistisch nicht wirklich einordnen lässt. Pop, Klassik, Jazz, Blues – die üblichen Kategorien greifen nicht, genauso wenig wie die vielen, oft schmeichelhaften Vergleiche von Kate Bush über Tori Amos bis Fiona Apple.

Das Schöne ist: Einmal emotionalisiert und berührt von Ellen Klinghammers Songs, der Magie ihrer Stimme und dem intensiven Pianospiel, hört jeder, was er hören möchte und womit er sich besonders wohl fühlt. Die oft herbei beschworene Musik, die ein potentielles Publikum zwischen 17 und 70 anspricht, funktioniert nie, wenn sie am Reißbrett entworfen sich plump anbiedert und zudem auf Chartstauglichkeit getrimmt ist. Bei Ellen ist dieses Crossoverpotential einfach vorhanden. Ein Backfisch liest Ellens Texte, die aus einem reichen persönlichen Erfahrungsschatz schöpfen und die immer die Menschen, von denen sie handelt, ganz direkt ansprechen, wie ein Tagebuch und versichert sich so der Solidarität bei der eigenen Problembewältigung. Ein älterer Mensch erkennt Spätromantik und Impressionismus in den Kompositionen. Der eine entdeckt Melanie, ein anderer Korn und Tool in ihren Stücken. Und alle haben Recht. Alte Alben der Hippie-Ikone ersteigert Ellen Klinghammer im Internet. Und die harten Jungs hört sie genauso gern.

„Ich möchte so viele Richtungen wie möglich ausprobieren“

Ellen Klinghammer will sich da für die Zukunft nicht einschränken. Um ein Höchstmaß an künstlerischer Freiheit sicher zu stellen, würde sie auch nicht davor zurückschrecken, ihren Plan für 2004, „endlich ein richtiges, komplettes Album aufzunehmen“, selber zu finanzieren. Das eigene Label existiert bereits, Holly Records. Und erfolgreiche Kolleginnen wie Ani diFranco (Righteous Babe Records) und Aimee Mann (Superego Records) haben schließlich bewiesen, dass diese Art der Unabhängigkeit bestens funktioniert. „Nicht nur das zeigt mir, dass die Emanzipation hier längst vollzogen ist.“ Für Ellen Klinghammer ist es jedenfalls kein Thema mehr, ob es etwas außergewöhnlich Bemerkenswertes oder Ungewöhnliches ist, als Frau Musik zu machen. Sie lebt es.

Dieser Text erschien in journal frankfurt.
Text: Christine Reiner/Frankfurt
Fotos: Detlef Kinsler

www.ellen-klinghammer.de

31.01.2004