Mystéfy

"Mit viel Respekt vor dem Selbst…"

Mystéfy lebt in Kanada und kommt aus Deutschland – sie ist Sängerin, Songwriterin, Produzentin und Lebenskünstlerin, alles in einer Person. Was sie singt, hat dementsprechend viel mit ihrer eigenen Person zu tun – was sie schreibt, erzählt von dem, was sie erlebt, was sie berührt, was ihr wichtig ist. Kurz: Authentizität ist Mystéfys Lebensmotto…

Mit „Me“, ihrem neuen Album, stellt sie klar, dass man keine Starallüren zu haben braucht, um ein echtes, ein gutes Album einzuspielen und auf der Bühne jemand zu sein. Kurz: „Me“ ist Mystéfys Liebeserklärung an das Leben. Und der Hörerschaft gibt sie die Gelegenheit, daran teilzunehmen.

„Selten so authentischen Vocal Jazz aus Germany gehört…“, stand über dich im WOM-Magazin. Authentizität scheint ja eine große Rolle auch für dein neues Album „Me“ zu spielen. Ist „authentisch sein“ ein Lebensziel, gar eine Lebensweise – oder bist und warst du immer ein authentischer Typ?

Ich glaube, dass man sich als Mensch entwickelt… ich war als Kind und Teenager eher schüchtern, sensibel und introvertiert – und eine klassische Außenseiterin! Zunächst probiert man „dazu zu gehören“. Und entweder spielt man diese Rolle sein ganzes Leben lang, oder man stellt fix fest: es ist besser sich selbst ehrlich gegenüber zu sein, und auch anderen nicht gefallen zu wollen. Das hat auch mit Respekt vor dem Selbst zu tun. Ein ständiges Anbiedern oder „aus seiner Haut fahren“ macht krank, unglücklich und bringt Dir nicht einmal echte Freunde. Wenn man authentisch ist, zwingt man sein Gegenüber automatisch dazu, sich preiszugeben. Oder aber, man bekommt nie „einen Draht“ zu dieser Person – falls diese es vorzieht, eine Maske zu tragen, wie so viele Menschen… Sagen wir mal so: Authentizität ist mein „Lebensmotto“ – ich mag nichts mit Menschen zu tun haben, die nicht wissen wollen, wer sie wirklich sind, was sie bewegt, ausmacht… Was sie erfreut! Nur authentische Menschen haben eine Chance ihr Lebensglück zu finden, davon bin ich fest überzeugt.

Sind nicht vielleicht auch Situationen denkbar, in denen es sich anbietet, ganz und gar nicht authentisch zu sein?

Ja, wenn mein Gegenüber so rational ist, dass Mitgefühl, Liebe oder Herzenswärme für ihn oder sie Fremdwörter sind – denn so ein Gegenüber wird meine Sprache gar nicht verstehen. Da muss man – schon aus Selbstschutz – sein eigener Simultanübersetzer sein. Ebenso gruseln mich oberflächliche Menschen, die sich entweder aus Neugier anbiedern oder versuchen mich zu manipulieren um etwas von mir „zu bekommen“. Da entziehe ich mich ohne weitere Umschweife. Höflich, und respektvoll – aber klar und deutlich.

„Ehrlich“ und „authentisch“, ist das eigentlich dasselbe? Ist die „Authentizität“ im Jazz das, was im Rock die „Ehrlichkeit“ ist? Oder vielleicht doch nicht?

Der Rock ’n‘ Roller sagt „Ehrlichkeit“ dazu, der Jazzer „Authentizität“. Und der Volksmusikant nennt es vielleicht „Freimut“. Man kann da viele Worte machen, aber der Fakt ist: Wenn wir alle aufrichtig zueinander sind im täglichen Miteinander, gibt es mehr Glück in der Welt. Coole Vorstellung, oder?

Kommen wir mal zu deinen CDs zurück. Nach „Spark Within'“ ist „Me“ nun das Nachfolgealbum. Inwiefern siehst du eine Weiterentwicklung vom ersten zum zweiten Album?

Sagen wir mal so – ich hatte beim zweiten Album viel mehr mitzureden. Bei allen Prozessen. Ich hatte ein musikalisches und künstlerisches Konzept, und wir haben es in einem von mir gewählten Team umgesetzt. Es ist also noch mehr von „mir“ drin – daher „ME“ –, als bei „Spark Within“. Dafür habe ich aber auch die ganzen Kosten an der Backe! (lacht)

Präziser gefragt: wo siehst du dein eigenes Wachsen und Reifen in der Musik? Wieviel steckt an Arbeit darin, wieviel „ergibt sich“?

Bei „Spark Within“ sollte ich sanfte und zarte Töne anklingen lassen – daher zeigt der Vokalsound nicht die ganze Bandbreite meiner Stimme. Bei „Me“ hat mir niemand reingeredet, wie ich zu singen habe. Friedrich Thein, mein Co-Produzent, war aber sehr wohl mein Qualitätsprüfer. Die Songs sind immer ein Reifeprozess. Manche kriegen, wie Äpfel, viel Sonne ab, und sind sofort zuckersüß. Andere brauchen etwas länger, um Aroma zu bekommen. Wie ein guter Bauer erkennt man, wann Erntezeit ist – und dann pflückt man den reifen Song vom Baum!

Vokalistinnen, die selbst komponieren und texten, sind in der Jazzbranche nicht so häufig vertreten. Wann wurde dir klar, dass du „nur“ auf diese Weise Musik machen kannst?

Das war schlichtweg mein Eigensinn. Man wird als Sängerin – gerade im Jazz! – sowieso schon den Instrumentalisten untergeordnet, die als „cooler“ gelten. So gibt es viele Hardcore-Jazzclubs, wo ich nie ’nen Gig bekäme, weil ich denen zu wenig jazzig bin. Achtung, ich scatte nicht! Auch wenn ich es kann! Haha! (lacht)
Meine Musik ist an Songs orientiert, nicht an Skalen. Daher wollte ich unbedingt ein Statement machen mit eigenen Songs – weil man als reine Interpretin von Jazzstandards a) nix verdient, b) keinen Respekt bekommt, und c) sich wiederholt. Neue Wege wollte ich schon immer gehen – auch wenn diese steinig sind.

Von der Interpretin von Jazzstandards (denn du hast ja diesbezüglich ein großes Repertoire in deinem Gepäck) zu eigener Musik und eigenen Texten – ist so ein Weg abhängig vom Sammeln von Lebenserfahrung?

Oh ja! Ohne Erfahrungen, ob traurig oder glücklich, und deren Erzählung, entstehen keine Songs. Ich hatte „sauviel“ Blues und Bizarres erlebt, da schreiben sich die Texte und Musiken quasi von selbst. Aber viele Jazzstandards liebe ich nach wie vor, ich verneine ja nicht, wo ich her komme. Nur, sie zum x-ten Male aufnehmen, wie schon 897 Interpretinnen zuvor, das wollte ich einfach nicht. Nur Sängerin sein und nicht über das singen zu können, was mich bewegt – das fand ich fad. Glücklicherweise muss man in den Genres Jazz oder Singer-Songwriter nicht mehr zwanzig sein, oder seinen Hintern permament in die Kamera halten um wahrgenommen zu werden. Obwohl, mein Hintern könnte da noch mithalten… Popcharts, ich komme! (lacht)

Du machst, wie du es nennst, „Jazz für’s Volk“ – unterscheidet sich „das Volk“ in Kanada und Deutschland? Wie sind deine Erfahrungswerte mit dem Publikum?

(lacht) Speziell in Kanada hatte ich, weil mein Vertrieb damals pünktlich zur VÖ Pleite ging, noch zu wenige Auftritte, um das beurteilen zu können. Ich liebe aber das englische Publikum. Die kommen auch gut mit meinem teils zweideutigen Humor klar. In Deutschland sind die Kölner die besten „Mitsänger“, gefolgt von den Berlinern und Hamburgern. Und die Münchener Fans sind sehr treu. Aber ich glaube, diese angeblichen „Charakteristiken“ verschwischen immer mehr, je globaler die Welt wird. Letzen Endes zeigen sich darin deine Fähigkeiten als Entertainer, ob Du ein Publikum für Dich gewinnen kannst – unabhängig davon, was vor Ort für eine Stimmung herrscht. Das muss man erfühlen und dementsprechend den Fokus im Song-Repertoire setzen. Oder die entsprechenden Anekdoten erzählen… um aufzulockern, um zu bewegen. Oder zu bezaubern.

Wenn man als Musiker partout eine Musik spielen will, die kaum Hörer findet, hat man sicher ein Problem. Siehst du es als Begabung, „Jazz für’s Volk“ machen zu können, ohne dass es nach Intention aussieht?

Als Konzertbesucher ist es schlimm, wenn man emotional nicht eingefangen wird vom dem, was auf der Bühne passiert. Da lege ich als Fan lieber zu Hause eine CD auf, wenn die Livepräsenz des Künstlers keine neuen Erkenntnisse mit sich bringt. Ich habe eine klassische Gesangsausbildung, also begeistere ich die Leute gerne mit drei Oktaven Umfang und diversen Timbres – und das ist nun einmal ein Jazzklang, den ich da vokal erzeuge: Mit Soul, Blues, Rockeinflüssen – und diese finden sich in den Songs ebenso wieder. Gesteuert ist das nicht: Die Melodien kommen mir einfach in den Sinn, dann schreibe ich die Akkorde dazu. Und suche mir einen Arrangeur, wie zuletzt Tim Allhoff, der die Songs umsetzt. Aber ist das jetzt Jazz? Oder schon Popmusik? Ist Mystéfy eher Singer-Songwriter? Das empfindet jeder Mensch anders. Und wie man es nennt ist mir piepegal, solange meine Musik viele Menschen begeistert – und erst live zeigt sich ja, ob ein Song auch wirklich trägt, denn ich trete oft nur im Duo auf. Da muss man richtig fit sein, damit es für Konzertbesucher abwechslungsreich bleibt.

Du wirst in Berlin auf der Jazzkomm spielen. – Was verbindet dich mit der deutschen Hauptstadt musikalisch und gefühlsmäßig?

Ich bin unfassbar gerne in Berlin! Da darf ich ganz offen Neu-Öko sein (in Prenzlberg), kann günstig meine Haare machen lassen (in Kanada kostet der Friseur das Dreifache, und Pflanzenfarben kennt man nicht), in der Heavy-Metal-Bäckerei Schrippen zum Frühstück holen, in Cafés & Clubs rumlungern und mich mit lieben Freunden treffen. Meine beste Freundin Regina lebt in der Hauptstadt, also habe ich nie das Gefühl „zu Besuch“ zu sein.

Wie wird das Konzert auf der Messe aussehen – es wird wahrscheinlich nur ein kleiner, kurzer Auftritt werden?

Wir spielen circa vierzig Minuten, so die Ansage von meiner Managerin. Im „Frannz Club“, in der Kulturbrauerei – und ich habe die gesamte Besetzung dabei. Also Pianist, Bassist, Percussion und sogar meinen Cellisten Raphael Zweifel aus Nizza als „special guest“. Leider sind Tim und Dieter im Urlaub, d.h. es ist nicht die exakte Besetzung wie auf meiner CD – aber eine hervorragende Berliner Profimusiker-Liga ist am Start.

Wie wichtig sind Messen für die Musik? Oder anders, wie sollte eine solche Messe sein, damit sie für die Musiker und für das Publikum etwas bringt?

Solche Messen sind immer Business und Magnet für Medien und Player. Es ist kein großes Geheimnis, dass man für Auftritte dieser Art zahlen muss – und natürlich kommt reguläres Publikum und meine Fans. Aber wir spielen dort auch, weil ich mein Album in anderen Ländern veröffentlichen möchte, und weil ich Booker und Agenten begeistern will, sowie meinen Vertrieb. Das gehört zum Geschäft dazu. Wer heutzutage als Künstler die Regeln im Business nicht kennt, wird sich nicht durchsetzen können. Vermarktung ist ein wichtiger Teil des Erfolges – ebenso wichtig wie Talent! Spätestens seit TV-Shows wie „Popstars“ denken viele Künstler aber, es ginge nur noch um Vermarktung. Man kann einen Badewannensänger zwar kurzfristig zum Möchtegern-Pavarotti hypen… Aber wenn die Substanz fehlt, säuft dieser sogenannte Fernsehstar so schnell ab wie seine Quietscheente bei U-Boot-Alarm!

Die Schönheit des Lebens, die Liebe zum Leben, die du auf deinem neuen Album besingst, hast du die erst in Kanada für dich entdeckt?

Die Liebe zum Leben weiß ich erst seit einigen Jahren wirklich zu schätzen. Ich hatte viel zu lange vergessen, innezuhalten. Hier in Kanada wird man zur Ruhe gezwungen. Das bringen schon die bis zu sechs Monate langen Winter mit sich… und die Natur ist eine Inspiration – jeder Spaziergang spendet Kraft…

Kannst du sagen, wo diese positive Grundeinstellung ihren Ursprung nahm?

Ja, ich habe viele unschöne Dinge erlebt, und meine gute Portion Leid abbekommen. Also habe ich mir vor einigen Jahren geschworen, dass es jetzt reicht mit dem Frust und mich entschieden, glücklich zu sein. Es geht ganz einfach, wenn man die eigenen „Negativ-Mechanismen“ erkennt und dem rechtzeitig Einhalt gebietet.
Das Glück anziehen, und somit auch Menschen, die dir Positives zurückgeben, das kann man wirklich. Das heißt nicht, dass ich niemandem mehr helfe, der „down“ ist. Aber man lernt, sich abzugrenzen und zu erkennen, wann jemand unglücklich bleiben möchte. Das gibt es tatsächlich.

Hast du so etwas wie eine Lebensphilosophie?

Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden. Sagt Hermann Hesse. Oder als Kontrapunkt dazu, denn das Timing muss stimmen – frei nach Mystéfy: „Learn Just To Be. Ultimately, what’s meant for you will always come around“.

Das Interview führte Carina Prange für Jazzdimensions (www.jazzdimensions.de: Jazz, worldmusic, songwriting & more); wir bedanken uns für die freundliche Abdruckgenehmigung.

Aktuelle CD: Mystéfy – „Me“ (2010)
Label: Silver Sonic Records

www.mystefy.com
Autorin: Carina Prange

04.01.2011