Musikerinnen auf der Frankfurter Musikmesse 2001

Erlebnisberichte von Anne Breick und Patty Stucki

„Herrenrunde meets Promo-GIRLS“

(von Anne Breick)

März – Frankfurt verstopft, voller neuer Gesichter, überquillend vor Werbung und Konzertdates…dann geanu ist es soweit und zig-tausende Musikschaffende finden ihren Weg in die Main-Matropole. Was sich gerade am 8. März, dem internationalen Frauentag, so auf der Musikmesse tat, war eher erschreckend.

Dies war meine vierte Musikmesse und ich kannte mich aus. Das war ein absoluter Vorteil, denn ich wußte genau, auf welche Hallen ich meine „Melodiva-mäßige“ Exkursion ausweiten wollte und konnte. Schwerpunkt meines selektiven Besuches waren Halle 8 und 9.3., sowie die Konzerte auf der Galleria-Bühne.

Frau + Gitarre + tosender Beifall

Bei den Konzerten auf der Großbühne entdeckte ich, wenigstens an meinem Besuchtstag, eine Musikerin und dann so ein Power-Paket. Dies war meine erste Begegnung mit DIANE PONZIO, die hier ihren Gitarrenhersteller + ihre neueste CD promotete. Sie war spitzenmäßig und schaffte es, solo und verschwindend auf der riesigen Bühne, die gestressten FachbesucherInnen bereits mit ihrem zweiten Song für sich zu gewinnen. Das sonst verschlafene Publikum ließ sich zu Beifallsstürmen hinreißen und es war sogar ausnehmend still bei sanften Balladen. Ein absoluter Live-Act, freurig, authentisch, lebendig, absolut groovig und voller Energie ging sie auf die etwas müde Meute los. Auch ich verließ beschwingt durch dieses Erlebnis die Galleria. Auf dieser Bühnen begegnete ich bei der letzten Messe übrigens Cathrin Pfeiffer am Akkordeon. Sie war auch damals die einzige und absolut super, zusammen mit einem Bassisten und Percussionisten on Stage.

Herrenrunde meets Promo-Girl

Ich weiß es ja eigentlich, aber es schockt mich doch immer wieder. Die „Jungs“ haben es einfach besser raus, haben ihre Connections und „featurn“ sich gegenseitig etc. Ich fand in der ganzen Halle 8 keine einzige Kollegin. Hinter dem Ladentisch, hübsch zurechtgemacht, da waren Frauen zuhauft anzutreffen – am Instrument oder sogar auf Plakaten und/oder als Vortragende, aktiv on Stage….da gab es nur einige handverlesene exotische Wesen. Mit dabei, auch mit Sponsorvertrag war auf der ganzen Messe nur Carola Grey zu entdecken. Patty Stucky von Melodiva hat mehr dazu zu berichten. Ich entdeckte in Halle 9.3., in der sogenannten „acoustic village“, neben Diane Ponzio noch eine weitere amerikanische Singer-Songwriterin, die mir aber unbekannt war und auch nicht so prickelnd. Das war es dann auch hier in der Halle. Ich frage mich immer, woran das liegt? Warum sind so wenige Musikerinnen dort? Warum mischen sie da nicht mit? Ich setzte mich dann einfach ab und zu den trommelnden „Ausstellungsobjekten“ dazu und es entstanden schöne Sessions. Offenheit ist da. Aber die Blicke der Zuschauer, wenn ich spielte, waren immer noch sehr verwundernd. (..oder lag es etwa an meinem Spiel, das wage ich zu bezweifeln)

Instrumentenbauerin – ein Kuriosum?

In Halle 9.3. begenete ich dann einer Instrumentenbauerin, die sich auf Metallverarbeitung spezialisiert hatte und aus der Schweiz kam. Sie hat eine neue Art von Steel-Drums entwickelt. Es war nett sie kennenzulernen. Auch sie sagte, daß fast ausschließlich Männer ihren Stand besuchten und daß sie in der Schweiz die einzige Instrumentenbauerin ist. Die Besucher fragten auch oft andere Männer am Stand, bevor sie mitbekamen, daß sie die Instrumente gebaut hatte.

Music-Fair-Resumée

Ich finde es für mich persönlich wichtig, Kontakte zu knüpfen, Hersteller, Verlage, Vertriebe…. persönliche Kontakte zu machen, auch mich dort zu präsentieren (wichtig: nehmt Promotion-Material von Euch selbst mit, CDs, Fotos, Infos…+ macht Euch vorher einen Plan, wen ihr besuchen wollt. Evtl. bereits vorher dort verabreden, das ist das Beste) Ich entdeckte dort neue, andere Instrumente, probierte sie aus + lernte andere Mitmusiker, leider wenige Musikerinnen kennen (da muß ich wohl woanders hingehen).

Ich will keine Musik-Messe vermissen + merke, daß bei meinem regelmäßigen Besuch, sich allmählich Kontakte auftun, ich Sponsoring einwerben kann und sich eine Zusammenarbeit mit Herstellern entwickelt, die ohne die Messe nicht zustande gekommen wären.

Legt los, kann ich nur sagen!!! Let‘s meet auf der nächsten Musikmesse!

Anne Breick
www.ayebeegroove.de

Nur ein bißchen größer

(von Patty Stucki)

Alle möglichen Instrumente, eine eigene Messe für Audio und Lichttechnik, Stände, Präsentationen, Konzerte, Gewinnspiele, alles was irgendwie mit Musikbuz zu tun hatte wurde in jeder erdenklichen Form dargeboten. Eigentlich war es sogar wie jedes Jahr, immer ein bisschen grösser, mehr Hallen, mehr Stände und mehr erwartete Besucher als beim letzten Mal. Und wie immer war der weibliche Teil der Messebevölkerung unterrepräsentiert, vor allem fachkompetente Frauen sind im Musikbuz immernoch selten anzutreffen. Aber es gibt sie doch, und wer sich ein bisschen umsieht, findet sie auch.

z.B. Carola Grey (drummerin). Sie promotete AKG-Mikrophone und sie spielte als einzige an den Besuchertagen in den Show-Cases, umringt von Musikern.

Jazz mit Piano und Gesang: Margit „Muzz“ Pöhlert. Seit Jahren stellt das Familienunternehmen Pöhlert die eigenen Publikationen und Lehrmittel auf der Messe vor, mit Liveeinsätzen am Stand.

Jazz am Stand von Kawai: Daniela Beck voc, Christoph Spendel piano

zwei angehende Technikerinnen (Audio, Multimedia):
mittlerweile ist der Frauenanteil beim sae-Institut auf 2.5% gestiegen…

Klassik: auch im „silent“ Streicher-ensemble bei Yamaha sitzen zwei Musikerinnen: hören kann man diese Instrumente nur über Kopfhörer.

Und auch bei den elektronischen Instrumenten fand ich letztlich eine Frau (zugegeben nach besonders langem Suchen…) Analogsound rocks: eine Besucherin testet den Sunsynth von Jomox.

Inhaltlich empfand ich Neuerungen vor allem bei Software als besonders herausragend: auf diesem Gebiet gibt es immer wieder gute Ideen, die auch kleine Firmen mit weniger Ressourcen und finanziellen Mitteln umsetzen können, am beeindruckendsten war für mich „Melodyne“ von Celemony, eine neue Software mit der man sogar Gesangsaufnahmen in bisher einmaliger Klangqualität in Tonhöhe und Timing korrigieren kann.

Auffallend auch die steigende Anzahl von Webportalen, die sich auf der Messe präsentierten um Musiker für sich zu gewinnen. Und auch in den Hallen der Prolight & Sound gab es beeindruckendes zu sehen:

Eine gute Idee, sehr wirkungsvoll: dieser Feuereffekt ist mit einem nach oben wehenden von unten beleuchteten Stofftuch gemacht.

gigantische Paläste aus gehärtetem Styropor, auch Schriftzüge und Bandlogos in verschiedensten Grössen und Farben.

Besonders Spass gemacht hat mir natürlich auch die Suche nach frauenfeindlicher Werbung im Musikbereich. Während der Werbestil in den Hallen der Pro Light & Sound technisch-nüchtern war (da waren Geräte die „sexy models“ wie etwa dieses hier mit dem Namen „Andromeda“ aus dem Hause Alesis), fiel das Ergebnis in der Gitarrenabteilung ganz anders aus. Den Hammer an geschmackloser Werbung leistete sich aber in meinen Augen Digitech: die findet ihr in unserer neuen Rubrik „Sex Sells“, da haben wir eine ganze Sammlung solcher Bilder.

Seit 1989 war ich jedes Jahr auf der Messe, aber diesmal zum ersten Mal für Melodiva, und von „wieso brauchen Frauen ein eigenes Musikjournal“ bis zu „ja, ich kenne Melodiva, wir haben da auch inseriert“ war das ganze Spektrum an Reaktionen vertreten. Insgesamt war die Resonanz sehr positiv, Institute, Zeitschriften, Webportale, sogar Produkthersteller zeigten sich interessiert am Austausch von Informationen und Links, vor allem da Networking ja bekanntlich niemandem schadet und die Welt per Internet viel kleiner geworden ist und in jeden Monitor passt.

Patty Stucki (Saxophonistin, audio engineer + Melodiva web-designerin)
www.pattysplanet.de

Fotos: Patty Stucki (Musikmesse 2001)

31.03.2001