Melodiva online

Nachdenkliches ...Und tschüß - von Angela Ballhorn

Die letzte Ausgabe der Melodiva wäre eigentlich ein Anlass, einen Nachruf zu schreiben. Doch ich kann es drehen und wenden, wie ich will, mir kommt zwar Nachdenkliches, aber nicht unbedingt Wehmütiges in den Sinn.

No risk – no fun

Zum einen bleibt natürlich die Frage des „Warum?“. Warum wurde die Unterstützung immer weniger, warum wurden bei Aufrufen eher Abos gekündigt als neue Leserinnen geworben? Inzwischen hatten ja sogar die Plattenfirmen und Promoter Melodiva als Medium entdeckt, das händeringende Suchen nach Aufmachern und CDs von Frauen hatte ein Ende. Für mein Gefühl hätte man jetzt richtig mit der Arbeit loslegen können. Dem gegenüber stand aber wenig Reaktion aus der Leserschaft. Ich hätte so gerne kontroverse Leserbrief-, bzw. Mailschlachten zum Thema „Sex Sells“ gehabt. Überhaupt einmal eine Reaktion, außer einem Danke von Künstlerinnen oder Plattenfirmen.

Vielleicht hat das alles in allem mit einer gewissen Müdigkeit zu tun, die in vielen Dingen in Deutschland zu beobachten ist.
Farbe bekennen und sich engagieren oder gar Einsatz sind völlig out. „No risk no fun“ ist die Devise, und beim Gedanken an absolut zweckfreie Kommerzveranstaltungen wie die Love Parade wird mir übel. Für Spaß gehen heute anderthalb Millionen Menschen auf die Straße, während die Friedensbewegung, die ja nicht echt überflüssig geworden ist, kaum jemanden mehr motiviert bekommt.
Oder am aktuelleren Beispiel Kampfhunde. Für die „armen“ Viecher gehen über 10.000 auf die Straße, während am gleichen Tag wegen eines erneuten Brandanschlags auf ein Ausländerwohnheim und rechten Übergriffen nur ein- bis zweihundert Menschen demonstrieren.

Es liegt viel im Argen

Und so weit abgeschweift bin ich nicht, finde ich, denn mit der Frauenbewegung verhält es sich ähnlich. Zur Frauenbewegung zähle ich Melodiva auch. Es liegt noch vieles im Argen, aber offensichtlich ist man zufrieden mit dem, was man erreicht hat.

Auf der anderen Seite hat Melodiva meiner Ansicht nach immer versucht, eine Bresche zu schlagen, wo keine Bresche mehr nötig war. Denn die Melodiva-Schreiberinnen- und vielleicht auch Abonnentinnen sind etabliert und wollen anderen das bieten, was sie früher gebraucht hätten, was alles viel einfacher gemacht hätte.

Nur warum keine Nachfrage da ist, leuchtet mir nicht so ganz ein. Frauenbeauftragte in normalen Berufen können natürlichen mit Quoten jonglieren, aber in der Kunst ist das schwierig. Vorbilder gibt es inzwischen auch im Rock- und Jazzbereich, auch da finden sich langsam immer mehr Musikerinnen, auch an so „untypischen“ Instrumenten wie Bass und Schlagzeug.

Aber Musikerinnen im Pop- Jazz- und Rockbusiness wird es – abgesehen von Sängerinnen – immer zahlenmäßig viel weniger als Männer geben. Das hat auch mit dem Markt zu tun. Mädchen / Frauen wollen eher eine(n) Sänger(in) anhimmeln, als eine Gitarristin.

Personal View

Bleibt noch zu überlegen, was Melodiva für mich persönlich bedeutet hat in den letzten Jahren? In erster Linie Kontakte mit anderen Musikwelten, da ich über meinen Jazztellerrand rausgucken konnte. Songwriterinnen, Punkladies, Neofolk, Weltmusik, all das wäre mir sonst nicht so schnell unter Ohren und vor das Mikro gekommen.

Es ist schade, dass Melodiva aufhört.
Schade, weil Melodiva eine mit viel Liebe und noch mehr Arbeit zusammengestellte Zeitschrift ist, deren Autorinnen – denn auch das muss mal gesagt werden – ohne Bezahlung gearbeitet haben.

Und besonders schade ist, dass dieser Nachruf wieder nur die erreicht, die nichts dafür können; die noch ein Melodiva-Abo halten. Trotzdem wäre es zu guter Letzt interessant zu erfahren, warum Melodiva abonniert worden ist, und warum so wenig Feedback kam.

Angela Ballhorn
(Jahrgang 1968), Musikjournalistin und Musikerin, „spätberufenes“ Jazzstudium 1990 – 1995 an der Amsterdamer Hochschule der Künste (Querflöte, Jazz und Klassik), seit 1996 in Berlin und Lehrerin an einer deutsch-französischen Musikschule und der Jazzschule Berlin. Musikalische Projekte: Angela Ballhorn Quartett, 1998 / 99 Mitglied im Oli Bott / Laura Andel Jazz Orchestra, neues Projekt für 2001 in Planung.

Sie ist für verschiedene Musikfachzeitschriften als Journalistin tätig (Jazzthetik, Jazz Thing, Gitarre & Bass, Keyboards, Sticks) und seit vier Jahren aktivste Interviewerin und engagierteste Schreiberin für die Melodiva.

Copyright: Redaktion Melodiva

Autorin: Angela Ballhorn

31.03.2001