Meike Goosmann
"Inspirierte Geschichten voller Emotionen"
Als Solistin und überhaupt als Sidewoman hat sich die Saxophonistin und Klarinettistin einen Namen gemacht. Mit „Portraits“ liegt nun seit Anfang dieses Jahres endlich das Debütalbum der in der Nähe von Berlin lebenden Musikerin vor. Sie „lasse sich beim Komponieren durch Menschen, Gefühle, Zustände und Situationen inspirieren,“ erklärt Meike Goosmann selbst ihre Quellen.
Dieses Einfühlungsvermögen in die Lebenswelten ihrer Mitmenschen merkt man der Musik durchaus an – es handelt sich bei „Portraits“ um eine entspannte, ausgefeilte, balladeske Geschichtensammlung. Im Interview erklärt sie ihre Herangehensweise an Komposition, Musik und das Leben an sich genauer.
Carina Prange sprach für Jazzdimensions mit Meike Goosmann.
Carina: In deiner musikalischen Vita findet sich, dass du auch Klezmer gespielt hast – ist das aktuell noch der Fall?
Meike: Es begann eigentlich damit, dass ich als Kind Klezmer hörte und zwar auf Familienfesten und dann auch zu Hause von Schallplatte, weil meine Familie mit der Band „Espe“ befreundet war, das war die erste Band oder eine der ersten, die nach der Nazizeit hier in Deutschland wieder Klezmer spielten. Ich verfolgte das nicht aktiv selbst weiter, aber als mir als junge Erwachsene Feidman und andere Klezmorims wieder begegneten, begann ich das auch zu spielen – erst auf der Klarinette, dann auf dem Sopransax.
Auf Festen und anderen entsprechenden Anlässen spiele ich „natürlich“ gerne Klezmer. Für meinen ganz eigenen künstlerischen Ausdruck, das heißt in meinen Kompositionen und mit meiner eigenen Band spielt Klezmer jedoch meist nur als Ingredienz eine Rolle. Manchmal greife ich ganz bewusst auf diese Stilistik zurück, wenn es mir aus einem künstlerischen Grund wichtig ist.
Carina: Wenn du Klarinette spielst, bei was für Musik greifst du speziell zur Bassklarinette anstatt zum Saxophon?
Meike: Ich nehme die Bassklarinette, wenn ich diesen warmen erdigen, urigen, dunklen Ton brauche um eine bestimmte Stimmung auszudrücken, heraufzubeschwören. Gern auch, wenn es bei einem Stück oder Thema „lustig“ oder auch ironisch zugeht. Das Sopransax ist heller, lichter, klarer auch tänzerischer im Sinne einer Leichtigkeit und Beweglichkeit. Es ist sehr filigran einzusetzen, auch leise, ohne dass es die Strahlkraft verliert. Und es ist natürlich bei der relativ großen Besetzung des Quintetts auch durchsetzungsfähiger. Aber gerne habe ich dann auch mal den Kontrast und will dann die Tiefe, die warme „Erde“ hören lassen.
Carina: Du bist Gründungsmitglied des United Women’s Orchestra. Wie entstand damals die Idee eines reinen Frauenorchesters und welchen Stellenwert hat das UWO inzwischen in der Jazzwelt?
Meike: Das UWO begann als wild zusammengewürfelter Haufen, mehr im Sinne eines selbstgestalteten Workshops. Die Frauenbigband „reichlich weiblich“ gab es nicht mehr und da gab eine Freiburger Musikerin eine Anzeige auf, in der Zeitschrift „Melodiva“ oder ihrem Vorgänger glaube ich…. Die Band hat sich über ihre fast 15 Jahre Existenz sehr entwickelt und in manchen, auch schmerzhaften Prozessen, ist sie zu dem geworden, was sie heute ist.
Den Stellenwert des Orchesters in der Jazzwelt kann ich schwer beurteilen. Es ist inzwischen nicht mehr unbekannt und hat ein eigenes musikalisches Profil. Ich finde es wunderbar, dass diese Band schon so lange existiert. Für mich persönlich war diese Band ein sehr wichtiger Nährboden und eine Art Heimat, in der ich in meiner musikalische Entwicklung immer wieder „andocken“ konnte.
Carina: Wieso kam es erst verhältnismäßig spät zur Gründung deines eigenen Quintetts und noch später zur ersten eigenen CD?
Meike: Ich habe sehr viele verschiedene Projekte, Produktionen und Bands, Touren, CDs gemacht und irgendwann war die Sehnsucht nach einer eigenen Band bestehend aus meinen Berliner LieblingsmuskerInnen und meiner eigenen Musik so groß, dass ich die Band einfach ins Leben rufen musste.
Ich bin froh, dass die Band über die Zeit zusammengeblieben und -gewachsen ist. Wir haben jetzt, glaube ich, eine sehr gute und tiefe Art der Zusammenarbeit, des Zusammenspiels. Alle sind sehr individuelle ausdrucksstarke MusikerInnen und alle haben große Ohren, so dass das Zusammenspiel sehr kreativ, spontan und lebendig ist. Die große Freude, die wir alle beim gemeinsamen Musizieren haben ist so beflügelnd.
Carina: Ist dein Quintett derzeit dein Hauptschwerpunkt?
Meike: Ja, das Quintett ist mein Herzensprojekt aus den schon genannten Gründen. Es ist eine Band, mit der ich auf eine lange Geschichte zurückgreifen kann. Ich spiele mit tollen MusikerInnnen zusammen, wir spielen meine Kompositionen, das was ich „sagen“ möchte. Ich arbeite als Komponistin gerne mit einem außermusikalischen Thema als Inspiratonsquelle. Das hilft mir aus der unendlichen Fülle an möglichen Melodien die „herauszufischen“, die genau zu dem Menschen, der Situation, dem Bild passt, das ich ausdrücken möchte.
Diese Band ist für mich die Plattform, auf der ich nach dem Eigenen suchen kann. Ich schreibe für diese Besetzung und ich weiß, dass alle ihr Eigenes geben, um gemeinsam originale Musik zu machen. Wir lassen die musikalischen Geschichten immer wieder neu erstehen, erzählen sie jedes mal neu. Für mich ist jedes Konzert mit dieser Band ein Fest, ein spirituelles Fest. Ein schönes Konzert zu spielen macht mich und meine Mitspieler sehr glücklich. Ich würde gern viel mehr mit dem Meike Goosmann Quintett spielen.
Carina: Du bist ja auch als Solokünstlerin aktiv – was ist da gerade aktuell im Gange?
Meike: Ich spiele als Solokünstlerin sehr gerne bei Ausstellungseröffnungen oder Lesungen. Dabei interessiert mich unter anderem die inhaltliche Bindung. Wenn ich Solo spiele kann ich sehr direkt und spontan reagieren und erfinden, die Menschen in einen anderen Raum führen oder ein Entsetzen, zum Beispiel über ein verbal vorgetragenes Thema ausdrücken, so dass sich die Starre löst und Bewegung in die Gefühle kommen kann. So beispielsweise auch bei Gedenkgottesdiensten- oder Veranstaltungen, das kommt mir dann immer vor wie eine Meditation, ein Gebet mit und für alle zu dem Thema.
Carina: Wie würdest du deinen Sound, deinen Ton auf dem Saxophon oder auf der Klarinette beschreiben?
Meike: Das ist eine sehr schwierige Frage! Ich finde es eher interessant zu erfahren, wie andere meinen Sound beschreiben … Ich stehe ja direkt dahinter, es ist ein bisschen wie die Frage: „Wie siehst Du aus?“ – Wahrscheinlich klinge ich eher „weich und warm“. Ich mag das allzu nasale, was Sopransaxophone oft haben, nicht so recht. Ich liebe den offenen, klaren Klang, der nicht „quäkig“ ist.
Auf der Klarinette … hm, das ist noch viel schwerer: auf der Kleinen klinge ich eher offen und frei, nicht allzu schlank.
Carina: Als Workshopdozentin und Musikschulpädagogin, unterrichtest du da derzeit sowohl Saxophon als auch Klarinette und Blockflöte?
Meike: Im Moment nur Klarinette und Saxophon. Und eben Ensembles.
Carina: Und was gibst du all deinen Schülern unbedingt mit auf den Weg?
Meike: Ich versuche ihnen die Liebe – also ihre ganz spezielle eigene Liebe! – zur Musik bewusst zu machen, zu wecken und sie zu fördern. Ich glaube es ist ganz wesentlich, etwas außerhalb unserer Selbst und anderen Menschen zu kennen und zu lieben und sich dafür zu interessieren.
Und ich versuche den Schülern dabei zu helfen, dass sie ihre eigenen Interessen entwickeln, vertiefen und verfolgen. Ein Instrument oder die Musik macht nur richtig Spaß, wenn und weil man übt und in Kontakt ist. Ich glaube es ist ein Schatz für das gesamte Leben und die Persönlichkeit, wenn man das umsetzen kann: ein Interesse entwickeln und verfolgen.
Carina: Du hast auch Musik für Tanz und Theater geschrieben – was ist das Spezielle, wenn es um das Komponieren dieser Musik geht?
Meike: Wie vorhin schon sagte, ist für mich das Interessante an dieser Art des Komponierens und auch Improvisierens, dass die Inspirationsquelle für die Musik aus einem außermusikalischen Zusammenhang kommt. Das interdisziplinäre Arbeiten inspiriert mich ebenfalls sehr. Die verschiedenen Medien ergänzen sich zu viel mehr als ihrer Addition.
Es ergeben sich neue Dimensionen, wenn Lesung, Schauspiel oder Tanz und Musik aufeinander treffen, sich verweben. Ich habe zuletzt mit der Cellistin Anka Hirsch und dem Schaupieler Robert V. Hofmann eine Konzert-Lesung komponiert und gestaltet. Wir haben die Biografie eines Holocaust Überlebenden, dem jüdischen Tänzers Sylvin Rubinstein gelesen und Anka Hirsch und ich haben beide Musik zu dem Menschen und seinem Leben komponiert. In der Aufführung haben wir Musik und Text verflochten.
Diese Art des Komponierens: etwas einzufangen, das jenseits der sprachlichen, bildlichen, filmischen Ebene liegt und auch dort anrührt, ist für mich sehr wichtig. So habe ich auch die Portraits auf der aktuellen CD komponiert. Musik ist ein Medium, in das ich meine unbeschreiblichen Eindrücke „übersetzen“ kann, darin betten, wieder von mir geben, ausdrücken kann. Und ich glaube es ist für mich auch ein Medium, mit dem ich auch etwas geben, auch zurückgeben kann, was ohne die Musik ungehört bleiben würde.
Carina Prange führte im Oktober 2007 dieses Interview für Jazzdimensions.
Wir danken für die freundliche Nachdruck-Genehmigung.
© jazzdimensions 2007
Februar 2008
CD: Meike Goosmann “ Portraits “
(NRW Records NRW 8002)
31.01.2008