Manou Gallo
Bassistin von der Elfenbeinküste
Zap Mama hieß das Zauberwort, das ihr Tür und Tor öffnete, nebenbei gastierte sie bei „Tambours de Brazza“ und den „Dissidenten“. Nach intensiven Reisen um den Erdball verwirklicht Manou Gallo nun ihren Traum: Ein eigenes Debut-Album, das mit Gästen aus Belgien, Burundi, Haiti und Dänemark ihren Lebensweg erzählt. Ein Album, das angefüllt ist mit den Farben Afrikas, aber dennoch nicht auf dem Schwarzen Kontinent verharrt.
Selten ist einer afrikanischen Künstlerin schon mit einem Debüt dieser Spagat so außerordentlich gut gelungen. Im vergangenen Sommer wurden die Songs von „dida“ erstmals live vorgestellt: beim renommierten Afro-Pfingsten-Festival im schweizerischen Winterthur und der Tropicana in Bregenz.
Zwischen Trommelgewitter & Funk-Bass
Die Kultur ihres Volkes, der Sound der sprechenden Atombra-Trommeln, die autobiographischen Geschichten ihrer Kindheit und Jugend – all das geht hier eine zeitgenössische Synthese mit Vokalakrobatik aus der Zap Mama-Zeit, aus Hip-Funk, Rockattitude, Afro-Blues und einer Prise DJ-ing ein.
Überwältigend, die unbändige, drahtige Frau zwischen fulminantem Trommelgewitter und funkigem Bass auf der Bühne hin- und herfegen zu sehen. Und so wie damals die Dorfgemeinschaft, so reagierte jetzt das europäische Publikum: ungläubiges Staunen, das sich bald in frenetische Begeisterung wandelte. Manou Gallo mit Band, die im Oktober bei der Worldmusic Expo in Sevilla begeistern konnte.
Eine spannende Geschichte
Das achtjährige Mädchen nimmt Platz an der Trommel.
Niemals zuvor war es einer Frau erlaubt gewesen, bei der Beerdigungszeremonie der Djiboi diese heilige Atombra zu spielen. Doch nun richten sich die ungläubigen Augen der versammelten Dorfgemeinschaft auf sie, die das Trommelspiel wie durch einen Zauber beherrscht.
„Das war ein sehr starker Moment in meinem Leben“, erinnert sich Manou Gallo. „In meinen Fingerspitzen konnte ich die Kraft meiner Vorfahren spüren. Ich dachte, wenn ich diese Her-ausforderung, diesen Augenblick meistere, dann wird es in meinem weiteren Leben nichts mehr geben, was mich blockieren kann.“
Es ist der 31. August 1972 als Manou Gallo in Divo, einer Stadt im zentralen Westen der Côte d’Ivoire, das Licht der Welt erblickt. Ein Tag, der von der Aura eines Mysteriums umgeben ist. Denn in eben jenen Stunden von Manous Geburt stirbt ihre Urgroßmutter – sie hatte der Urenkelin die Gabe des Trommelspiels durch einen Traum übermittelt, wie dem Kind dann später erzählt wurde. So verwundert es nicht, dass die kleine Manou schon als Kind auf Eisenkanistern herumschlägt, mit den Füßen die traditionellen Rhythmen in den Boden stampft und dazu singt. Ohne jemals unterrichtet worden zu sein, nähert sie sich schließlich bei jener Totenfeier den heiligen Trommeln und übernimmt den Part eines Drummers, der nicht erschienen ist. Man lässt sie gewähren – obwohl die Atombra für Frauen tabu ist und niemand sich erklären kann, wo und wann die Kleine ihre Fertigkeiten erworben hat.
Das Erstaunen zieht größere Kreise, dringt bald über Divo hinaus.
Manou feilt zunächst an der Beherrschung der Atombra-Rhythmen, verkauft nebenbei Orangen. Der Bürgermeister ist stolz auf dieses Mädchen und lässt sie bei offiziellen Anlässen ihre Künste zeigen. Doch schon mit zwölf verlässt sie ihren Heimatort und schließt sich der Band Woya an. Die wird in den achtziger Jahren in etlichen westafrikanischen Ländern mit ihrer Mélange aus Afro-Pop und Zouk zur Identifikations-Gruppe für viele Jugendliche. Manou ist mit Abstand die Jüngste in der Band, gibt sich aber mit der Rolle der Trommlerin nicht mehr lange zufrieden. Denn verlockend ist der E-Bass, den sie bei Woya entdeckt, und der neue Herausforderungen für die vom Rhythmus Besessene darstellt. Ganz natürlich eignet sich die Perkussionistin das Instrument an, entwickelt einen knackig-funkigen Stil, der fortan ihr Markenzeichen wird und später als Basis für ihre eigene Kompositionen dienen wird. Von 1985 bis 89 tourt sie mit der Gruppe in Burkina Faso, Mali, Togo und Benin. Als Woya sich auflöst, steht für Manou fest, dass sie den Weg der professionellen Musikerin einschlagen möchte.
Marcelin Yacé, dem ehemaligen Leader von Woya, folgt sie nach Abidjan und von ihm erhält sie auch ihren ersten eigenen Bass. Von musikalischer Wissbegierde getrieben, zieht sie von 1993 an für drei Jahre ins ivorische Künstlerdorf Ki-Yi-Mbock. „Eine fantastische Zeit“, erinnert sie sich, „dort habe ich gelernt Djembé zu spielen, nahm teil an Tanz- und Theatergruppen. In dem Dorf herrschte eine richtige panafrikanische Atmosphäre. Man vergaß dort das Klanwesen, diese ganzen kriegerischen Auseinandersetzungen, die in Afrika herrschen.“ Es war in Ki-Yi-Mbock, wo sie auch an der Produktion einer Ray Lema-CD mitmachte und wiederholt auf Michel De Bock, den Manager einer Gruppe namens Zap Mama traf.
Als Marie Daulne, die Chefin von Zap Mama, 1997 eine Bassistin sucht, springen De Bock sofort die Begegnungen mit Manou Gallo ins Gedächtnis. Man lädt sie ein, in Brüssel bei der Meisterin vorzuspielen — und so macht sich die junge Frau auf die Reise ins eiskalte Europa.
Nach drei Tagen intensiven Castings, Bass- und Djembé-Spielens und ebenso intensiven Aufwärmens neben der Heizung, ist Daulne überzeugt: Manou wird Zap Mamas Bassistin.
Erstmals ist sie während der Live-Umsetzung des Albums „Seven“ zu hören und tourt in den Folgejahren mit Marie Daulne und ihrer Band um den Globus. „Marie und ich sind zwei wirklich starke Künstler-Persönlichkeiten“, rekapituliert sie ihre Zeit bei den „Zaps“. „Die Begegnung war sehr fruchtbar, für beide von uns. Ich bin jemand, der sich nicht so leicht beeinflussen lässt, aber bei Zap Mama habe ich eine Öffnung für mich vollzogen.“
Neue Herausforderungen stehen an: Inmitten von 15 männlichen Trommlern meistert sie 1999 mit Bravour ein Bühnen-Gastspiel bei den kongolesischen Tambours de Brazza — die Jungs akzeptieren sie ohne Umstände. Im gleichen Jahr geht sie mit den Dissidenten im englischen Glastonbury on stage — bei einem der größten (und sicherlich dem schönsten) europäischen Open Air-Events. Mit den Worldbeat-Pionieren entwickelt sich eine spontane Freundschaft, die sich auf weiteren gemeinsamen Konzerten festigt.
Fest verankert im globalen Dorf gehen ihre Gedanken zu Beginn des neuen Milleniums wieder in ihre Heimat zurück, der sie sich nun unter anderen Vorzeichen, mit einer neuen Sprache nähern möchte: „Hier in Europa habe ich die Vermischung der Kulturen kennen gelernt, den weiten Blickwinkel. Aber jedes Mal wenn ich in mein Land zurückkehre, entdecke ich die Klänge und die Rhythmen aufs Neue, die während der Kindheit in meinen Ohren widerhallten. Ich wollte jetzt eine Musik kreieren, die die verschiedenen Schritte meines Lebens in einem Mix wiedergibt.“
Im Jahre 2001 ruft sie in ihrer neuen Basis Brüssel als Hommage an ihr Volk die Band Le Djiboi (sprich: dschi’boa) ins Leben und beginnt, ihre eigenen Stücke zu schreiben. Die liegen nun auf einem Album vor, das den Titel „Dida“ trägt – und damit nach der Sprache der Djiboi benannt ist. Die Kultur ihres Volkes, geprägt durch viele Immigranten-Einflüsse des benachbarten Liberia und Ghana, der Sound der sprechenden Atombra-Trommeln, die autobiographischen Geschichten ihrer Kindheit und Jugend — all das geht hier eine zeitgenössische Synthese mit Vokalakrobatik aus der Zap Mama-Zeit, aus Hip-Funk, Rockattitude, Afro-Blues und einer Prise DJ-ing ein. Unterstützt wird sie durch einige der besten Musiker der multikulturellen Szene Brüssels: Bilou Doneux ist ein begehrter Gitarrist der belgischen Jazz-Szene und sorgt für die angerockten Einwürfe, mit denen er so mancher Afro-Atmosphäre blitzschnell ein Hendrix-Flair verpasst. Tanga Rema aus Burundi war auch schon in den Reihen von Zap Mama als gewitzter Vokalist zu finden, hat sich in der Vergangenheit für Landsfrau Khadja Nin als Songschreiber betätigt oder seine Stimme auf dem Projekt „Pork Pie“ von Charlie Mariano / Jasper van’t Hof/ Philippe Catherine ertönen lassen. Autodidakt Patrick Dorcéan hat haitianische Wurzeln und war trommelnd auch bei Khadja Nin oder der Chansonière Maurane zu hören. Perkussionist Michel Seba schließlich ist in der Latin-Jazz-Szene der Hauptstadt tätig und spielte kürzlich mit Orgel-Derwisch Eddy Louiss.
Die Überraschungs-Vokalistinnen sind das Sahnehäubchen auf dida: Sowohl Ex-Zap Mama Sabine Kabongo als auch Chefin Marie Daulne selbst geben sich die Ehre, und mit der dänischen Sängerin Lene Christensen entspinnt sich eine ganz besonders gelungene Verbindung von Nordischem und Tropischem.
„Ein kantiger Mix aus westafrikanischen Traditionen, Funk und Blues lässt die bisherigen Schemata des Afro-Pop blass aussehen.“, so beschreibt der „Rolling Stone“ ihre aktuelle CD „DIDA“.
Copyright: Redaktion Melodiva
29.02.2004