Lalah – Ich wär soweit
Interview von Christina Mohr
Es kann also losgehen für Lalah: der organische Elektro-Chanson-Pop auf „Ich wär so weit“ vereint jazzige Elemente mit Computerbeats und bildet den perfekten Rahmen für Lalahs unverwechselbare Stimme. Jeder Song verströmt eine andere Atmosphäre: der somnambule Opener „Weiter als weit“ kontrastiert mit dem entschlossenen „Nicht mehr verliebt“; softe Reggaeklänge ertönen bei „Mathematik“, „Kaviar“ ist ein moderner Shanty, düster und melancholisch. Bemerkenswert sind Lalahs (deutschsprachige) Texte, sie verbreitet keine in Stein gemeißelten Parolen, keine schwarz-weißen Wahrheiten. Lalah denkt in Gegensatzpaaren, in sowohl-als-auch-Spannungsfeldern; „Du bist heiß – kalt, gut – schlecht, ein Mensch“ heißt es in „Süßes Salz“. Lalah kann und will sich nicht entscheiden, nicht zwischen Stadt und Land, Gehen und Bleiben, Verlangen und Verlassen. Genau so ist das Leben – wir sind so weit. Bereit für Lalah.
Christina: Du lebst gerade in Los Angeles: fühlst du dich dort wohl? Oder zieht es dich wieder nach Hamburg?
Lalah: Wunderbar warm ist es hier und der Pazifik ist in Laufnähe. Allerdings würde mir der Jahreszeitenwechsel fehlen. Mein Aufenthalt ist begrenzt: Ich werde nur ca. ein halbes bis ein Jahr bleiben, daher fällt es leichter, die angenehmen Seiten mitzunehmen und die negativen Seiten auszuhalten. Musikalisch scheint hier sehr viel möglich zu sein, selbst die Straßenmusiker sind innovativ, mit eigenen Songs. Meine Freunde fehlen, aber es gibt ja Skype!
Christina: Gibt es Auftrittsmöglichkeiten für deutsche MusikerInnen in LA? Würdest du gern in den USA arbeiten?
Lalah: Ich kann eigentlich in jedem Land arbeiten, da ich nur mein Laptop, Gitarre, Snare, Percussion und Basis-Studio-Equipment brauche. Songs schreiben geht überall, ich arbeite ähnlich wie eine Schriftstellerin. In Dänemark sind z.B. die meisten meiner Songs entstanden. Ich hoffe, dass die kalifornische Sonne mich nicht faul macht, sondern fröhlich. Ich werde hier ein paar Gigs spielen, eine kleine Tour vielleicht auch. In LA gibt es sehr viele Clubs, die elektronische, europäische Musik spielen. Und es gibt ein festes Lineup, Drums usw. stehen auf der Bühne, man stöpselt ein und legt los. Am Abend spielen vier bis sechs Bands. Das habe ich auch schon in New York gemacht. Wir waren beim CMJ-Music-Festival eingeladen, ich habe mit der Band Hippiehaus im CBGB’s gespielt. Ich wollte nicht so weit fliegen, um dann nur einmal zu spielen. Also habe ich vorher im Internet eine Tour zusammengebucht und war als Lalah u.a. Special Guest beim Friday Night Slam im Nuyorican, dem größten farbigen Poetry-Club in den USA. Die Sprache ist kein Hindernis, man versteht den Song meist auch ohne Worte, das hat diese Erfahrung gezeigt. Und wenn nicht, mache ich zuvor eine englische Ansage mit dem Grundthema.
Christina: Du arbeitest mit Leuten wie Chris v. Rautenkranz, Johnnie Liebling und vielen anderen – wie lange kennt Ihr Euch schon, wie kam es zur Zusammenarbeit?
Lalah: Mit meiner vorherigen Band hatten wir schon im Soundgarden Studio aufgenommen und Martin Fekl von Johnny Liebling war dabei. Später haben wir uns wiedergetroffen, auf der Straße. Immer wieder haben wir zusammen gearbeitet, ich sang auf dem Album von Johnny Liebling und sie spielten mehrere Songs für mein Album ein. Chris v. Rautenkranz co-produzierte einige meiner Songs, Martin mischte viele Nummern, wir haben uns alle angefreundet, über mehrere Jahre hinweg. Zuletzt hat Kim Kiesling mein Lalah-Release-EPK-Video geschnitten. Diese Jungs kennen mich richtig gut und sind extrem sensibel. Ich bin immer noch überrascht, wie gut die sich in mich hereinversetzen können und so einfach mal die Welt von Lalah erkennbar gemacht haben. Nils Kacirek kenne ich seit dieser New York-Tour, da er mit seiner Band Plexiq auch von der Kulturbehörde dorthin geschickt wurde. Als ich seinem Studio Untermieterin wurde, habe ich ihn gebeten, mich zu produzieren. Wir haben zusammen an den Songs gebastelt und er hat mir das Handwerkszeug gegeben, das mir noch gefehlt hat und die Augen für Stärken und Schwächen der Songs geöffnet.
Christina: Ab wann hast du dich Lalah genannt – hast du jemals daran gedacht, unter deinem „echten“ Namen aufzutreten?
Lalah: Lalah, das bin ich seit 2001. Und nein, unter meinem echten Namen wollte ich nie auftreten, denn früher hiess ich Dörte Krützfeldt. Ich habe kurz über einen schwedischen Nachnamen von Lalah nachgedacht, aber dann verworfen.
Christina:Wie arbeitest du? Komponierst du erst die Musik oder kommen dir zuerst die Lyrics in den Sinn?
Lalah: Ich beginne mit den Drums und dem Bass, die ich mir in mein Notizbuch notiert oder in mein Telefon gesungen habe. Vieles fällt mir in gedankenlosen Situationen ein, z.B. beim Autofahren. Manchmal höre ich einen guten Beat in einem Konzert oder in neuen Songs, die ich in Itunes lade. Lange sammele ich. Im Studio bastele ich dann eine Rohversion und experimentiere mit dem Gesang dazu, auch textlich, oft in einer Phantasiesprache mit einigen deutschen Worten und Zeilen. Daraus ergibt sich dann der ganze Text. Ich sammle auch Sätze und Worte, aber die kann ich mir, im Gegensatz zur Musik, sehr gut merken und kann sie beim Improvisieren mit Text und Melodie abrufen. Das ist der schönste Teil beim Komponieren. Die Gesangslinien und den Text mache ich immer spontan, um innovativ zu bleiben.
Christina: Trittst du gerne live auf oder arbeitest du lieber im Studio/zuhause?
Lalah: Live! Ich liebe das. Dass sich alle bewegen, weil wir auf der Bühne sind. Die kleinen Nuancen. Wie kann ich so wahrhaftig sein, dass es magnetisch wird? Dass es von selbst läuft und keiner mehr denkt? Ich möchte, dass die Leute nach Hause gehen und grinsen, wenn sie den Abend fühlen, dass sie eine Lieblingszeile und einen Lieblingssong haben. Studio ist Arbeit, besonders der Anfang. Die Studiotechnik ist so vielfältig, es hat lange gedauert, bis ich mich endlich im Wust der zu vielen Möglichkeiten von Logic orientiert habe, da ich mir alles selbst beigebracht habe. Aber gegen Ende gefällt es mir wieder, dann kann ich es kaum erwarten, dass sich die hölzernen Rohversionen in richtige Songs verwandeln und anfangen zu glänzen. Ich liebe es, Schlagzeug zu spielen und meine eigenen Samples aufnehmen. Hölzer, Steine, Papier, knarzende Stühle, eine Kamintür in einem dänischen Ferienhaus. Auch ein Rhodes klingt wunderbar.
Christina: Deine Stimme wird als jazzig bezeichnet – wie empfindest du sie selbst? Bist du eine Jazz- oder ?-Sängerin? Oder ist das sowieso unwichtig?
Lalah: Ich bin keine reine Jazz-Sängerin, habe zu Schulzeiten auch eine klassische Stimm-Ausbildung bei einem Operntenor gemacht. Ich habe Jazz gesungen, im Landes-Jugend-Jazz-Orchester-Schleswig-Holstein (heisst wirklich so), danach dann nur noch meine eigenen Sachen. Ich liebe Jazz-Sängerinnen wie Billie Holiday und Madeleine Peroux. Erstere hat mich stark beeinflusst. Ich benutze Mouthdrums, das hat seinen Ursprung im Scat-Gesang. Mein Gesangssound ist melancholisch, der Unterton härter. Ich hoffe, meinen eigenen Stil gefunden zu haben. Meine Musik ist nicht Jazz, aber meine Einstellung schon.
Christina: Mir gefällt, dass deine Texte so ambivalent sind – es gibt einen Song über das „Schlußmachen“ und gleich darauf ein Stück über das Nicht-Voneinander-Loskommen, Songs über das gute und das „böse“ Gesicht des Meeres – Konzept oder Zufall?
Lalah: Ja, schon. „…und gleichzeitig“ ist eine meiner Hauptwendungen in einem Gespräch. Es gibt kein Schwarz und kein Weiß. Jeder Mensch trägt alle Möglichkeiten in sich. Man muss sich jeden Tag neu entscheiden, wie man handelt und ist dafür verantwortlich. An mir selbst und an anderen habe ich das beobachtet. Das Meer ist das beste Bild dafür. Wenn man auf ihm fährt, merkt man, dass dieser riesige Quader von Blau unter einem alles ist. Schönheit, Tod, Vergangenheit, Zukunft. Und vor allem jetzt.
Christina: Das Meer spielt eine große Rolle in deinen Texten – könntest du dir vorstellen, irgendwo zu leben, wo es kein Meer gibt?
Lalah: Nein, überhaupt nicht. Doch, vielleicht an einem See. Meine Urgroßmutter kommt aus Schweden, das Land hat viel Meer und noch mehr Seen, so soll es sein.
Christina: Wie stark prägt die Gegend/Stadt deine Musik? Wie klänge eine Münchner Lalah?
Lalah: Todtraurig und sie würde noch mehr verreisen. Und ob LA sich in meinen Sound einbringt, das werde ich bald wissen!
Christina: Du hast eine kleine Tochter – mag sie deine Musik? Wer hört deine neuen Songs zuerst?
Lalah: Sie ist noch sehr klein, 2 ½. Und sie mag meine Musik, hab ich ein Glück, dass meine Punk-Rock-Zeit vorbei ist. Meine Freunde hören meine Songs zuerst.
Christina: Hast du das Gefühl, dass das Popgeschäft noch immer eine Männerdomäne ist?
Lalah: Ja, und das habe ich früher immer ignoriert und bin damit sehr gut gefahren. Zwischendurch hat mich die Härte der Bandagen deprimiert. Nichts hilft; ebenso hart sein, klappt gar nicht, das nimmt einem keiner ab und den weiblichen Charme zu benutzen, das fühlt sich oft nicht gut an. Jetzt nehme ich wieder alles leicht, benehme mich natürlich und es läuft! Und ich arbeite nur mit Leuten, die ich mag und vor allem, die Musik mögen, was im Musikgeschäft nicht so häufig vorkommt, wie man meinen möchte.
Christina: Du bist sehr vielfältig kreativ, designst auch Cover für Manga: welcher Bereich ist dir am wichtigsten und worauf könntest du am ehesten verzichten?
Lalah: Ich bin Musikerin, alles andere mache ich, um zusätzlich Geld zu verdienen. Ich habe Kommunikationsdesign studiert und als freie Fotografin, Designerin und Autorin gearbeitet, damit ich mir damit die Musik finanzieren kann. Ich wusste schon bald, wie sich das anfühlt, wenn man den Dispo ständig ausreizt. Fotografin war ich sehr gerne, aber das war sehr zeitaufwändig, deshalb musste ich es aufgeben. Ich fing an, mich mit vier Berufen zu verzetteln, alles litt darunter, ich wurde in allem schlechter. Also nur noch ein bisschen Grafik und viel, viel Musik, das klappt gut.
Das Interview führte Christina Mohr für das Onlinefeuilleton „satt.org“ (www.satt.org/); wir bedanken uns für die freundliche Abdruckgenehmigung.
CD Lalah „Ich wär soweit“
VÖ: 06.02.2009 Freibank Recordings
Autorin: Christina Mohr
09.02.2009