Kristiina Tuomi

"Finnisches Jazz-Songwriting"

Mit Kristiina Tuomi stellt sich nun eine aufregende und eigensinnige Vokalistin vor, die Finnland auf der Landkarte des Jazz platziert – und dies mit modernen Jazz-Songwritings und transeuropäischer Unterstützung sowie Poesie von Poe bis Shakespeare.

Dass im Reigen der skandinavischen Sängerinnen von Rebekka Bakken bis hin zu Kari Bremnes, noch mindestens eine Finnin fehlte, war eigentlich klar, auch wenn Kristiina Tuomi betont, dass die Finnen keine echten SkandinavierInnen seien. Doch Tatsache ist, dass die in Berlin lebende Deutsch-Finnin mit Tightrope Walker (Traumton / Indigo) zwar keine ultraleichte Kost zum nebenher Hören beim Kaffeetrinken aufgenommen hat, aber doch sehr direkte Musik, in der alles gesagt wird, was gesagt werden muß. Damit reiht sie sich in die interessanten Vokalistinnen aus dem europäischen Norden ein.

Schon die Klangzusammenstellung ist sehr apart: Stimme, Klavier und Kontrabass. Die Musik ist ebenso apart. Intelligent verweben sich Texte und Melodien, die fast an Jazz- und Lyrik-Projekte denken lassen. Die 27jährige hat sich mit ihren Mitmusikern Carsten Daerr am Klavier und Carlos Bica am Kontrabass einen eigenen melancholisch-traurigen Kosmos geschaffen. Ohne Schnörkel oder divenhafte Verstellungen nimmt uns Kristiina Tuomi auf eine Reise durch die leiseren Seiten des Lebens mit.

„Für das CD Programm haben wir die Perlen aus unserem Programm ausgewählt. Die Stimmung ist allen Stücken gemein und ist melancholisch und sehnsuchtsvoll. Deshalb finde ich es gar nicht so wichtig, dass die Texte nicht aus der gleichen Epoche stammen. Wir haben eigenes, Shakespeare-Vertonungen, Gedichte von Edgar Allan Poe und Suzanne Vega. Sie müssen was ähnliches ausdrücken, letztendlich klammert sie der Sound der Band zusammen.“

Berlin meets Finnland

Der Weg zu dieser stimmigen Klangmischung war nicht vorgezeichnet. Die Sängerin kommt nicht aus Musikerkreisen.
„Ich bin am Stadtrand von Berlin aufgewachsen. Meine Mutter ist Finnin, mein Vater Deutscher, ich bin zweisprachig aufgewachsen. Erst an der Uni habe ich Kontakt zu Musikern bekommen, aber gesungen habe ich schon immer. Meine Eltern hören viel Musik, vor allem Soul, Aretha Franklin, Stevie Wonder und auch neuere Sachen wie Whitney Houston. Die alle waren meine ersten Gesangslehrer. Ende der 90er hatte ich dann Gesangsunterricht bei Céline Rudolph. Da habe ich zum ersten Mal mit Musikern zusammengearbeitet.“

Ziemlich zu Beginn des Studiums lernt Kristiina Tuomi den Pianisten Carsten Daerr kennen. Der hatte damals schon eigene Stücke, auch schon zwei Shakespeare Vertonungen. Damit war die Richtung vorgegeben: melancholisch und leicht folkiges Liederflair. Anfangs experimentierten die zwei noch etwas mit Elektronik, wie jeder das Ende der 90er machte. Nur mit Flügel, Stimme und Computer war der erste Auftritt. Nach einer geraumen Zeit mit Cellist kam der portugiesische Bassist Carlos Bica in die Band.

„Und mit ihm wird alles etwas sonniger. Ich fühlte mich in seinen Stücken gleich zuhause. Der portugiesische Fado hat auch das melancholisch-schwermütige, das mich schon immer fasziniert hat.”

Eben diese Stimmung scheint etwas typisch finnisches zu sein. Dass sie vom Ursprung her eigentlich keine Skandinavier sind, macht ja das Sprachliche schon deutlich.
„Die Dänen, Norweger und Schweden sind auch anders drauf. Die Finnen sind nicht so kühl, haben einen anderen Humor und sehen auch anders aus. In Finnland gibt es ganz viele dunkle Metal Bands, und irgendwie kommen die Finnen nicht mit dem langen Winter klar. Deshalb gibt es eine sehr hohe Selbstmordrate und ein anderes Trinkverhalten.“
Als typisch finnische Musik gibt es den Tango, denn „eigentlich sind die Finnen verkappte Argentinier. Auf den Sommertangofestivals gibt es jede Menge Tangos in Moll, zu denen viele Paare einherschleichen. Die Festivals werden im Fernsehen übertragen und die Sänger klingen alle herrlich altmodisch, da wird echt grammophonsoundmäßig geknödelt.“

Die Quereinsteigerin in Sachen Jazz studierte die improvisierte Musikform, sieht sich selber aber nicht als Jazzsängerin. Die Ästhetik, die sie mit ihrem Sound verfolgt und ihre Interpretationen gehen eher in Richtung Folk und Pop. Die Arbeitsweise ist allerdings „Jazz“, die Instrumentalisten sind wie im Jazz alle gleichberechtigt.

„Aber ich habe meine Probleme mit dem Begriff Jazz. Meist sind die neuen Sachen mit Gesang sowieso eher acoustic pop.“

Berührungsängste kennt die 27jährige nicht. Jazz- und Lyrik-Projekte liegen ihr genauso wie Oper, Deephouse oder Dancefloor. Sie ist sehr ehrlich im Typ. Der Hörer bekommt keine künstliche Stimme serviert. Tuomi ist nicht für Schnörkel, Glitter oder Divengetue zu haben. So kommt das Projekt der drei Musiker absolut authentisch rüber.

Die Hoffnung, die Kristiina Tuomi mit dem Debüt der Band verknüpft, ist die, dass die Leute sich für die Musik des Trios interessieren und die Band etwas herumkommt.
„Deshalb ist eine Tour für den Herbst 2005 geplant. Die Musik paßt ja auch gut in den Herbst von der Stimmung her.“

Inzwischen sind wieder neue Stücke im Programm, auch die deutsche Vertonung eines Rilke-Gedichts. Englisch singt sich besser, sagt die Sängerin, auf deutsch zu singen sei wie eine andere Stimme. Man sei viel näher dran, und vor deutsch könne man nicht fliehen, da es einen anspringt.

Der große Traum – und da kommen wir wieder zu den knödelnden Schellack-Tango-Finnen – wäre es, wie Max Raabe für einen ganzen Stil zu stehen.

„Der Name der Band oder meine Name, der einen sofort eine bestimmte Atmosphäre assoziieren läßt wie Portishead zum Beispiel, das wäre mein Traum!“

Kristiina Tuomi „Tightrope Walker“ Label: Traumton
Vetrieb (bis 2005):Indigo

Copyright: Redaktion Melodiva

www.kristiinatuomi.com
Autorin: Angela Ballhorn

29.03.2005