Kitty Solaris

Interview von Christina Mohr

Kirsten Hahn alias Kitty Solaris ist Labelchefin und Musikerin in Personalunion: seit 2007 betreibt die Berlinerin das Label Solaris Empire, auf dem ihre eigenen Platten und Veröffentlichungen von Ijen Martin, Lady Boy, Kat Frankie, My Sister Grenadine und anderen vielversprechenden JungkünstlerInnen erscheinen.

Daneben organisiert sie die monatliche Konzertreihe „Lo-Fi-Lounge“ im Berliner „Schokoladen“ und findet außerdem noch Zeit für eigene Auftritte. Doch genauso wichtig wie umtriebige Aktionen ist der Singer-/Songwriterin der Rückzug in die eigenen vier Wände, wo die meisten ihrer Lieder auf der Gitarre entstehen. Ihr neues Album, das zweite nach „Future Air Hostess“ von 2007, heißt demnach passenderweise „My Home Is My Disco“ – was nicht bedeuten soll, dass Kitty eine menschenscheue couch potato ist: allein zuhause an neuen Songs feilen, dann Freunde anrufen und auf Tour gehen, das ist Kitty Solaris‘ Arbeitsweise. Netzwerken á la Berlin – schließlich gibt es nirgendwo sonst in Deutschland eine so hohe Dichte an PopmusikerInnen, und klar auch, dass man sich untereinander kennt. Kittys Songs sind mal fragil und melancholisch, mal rockig mit ordentlich aufgedrehten Verzerrern, doch im Ohr bleiben alle: die poppigen Sommerhits „Kisses Lift Me Up“ und „Positive/Negative“, das nachdenkliche „Jesus died for Your Sins“, der an PJ Harvey erinnernde Bluestrack „My April Dreams“, das rau-verschleppte „Under the Yellow Sun“ oder die eindringliche Ballade „No More Word“. Nach ihrer ausgedehnten Deutschlandtournee im Mai fand Kitty Solaris Zeit, um unsere Interviewfragen zu beantworten:

Christina: Soll der Albumtitel „My Home is my Disco“ heissen, dass du nicht gerne ausgehst? Oder ist es mehr DiY-mäßig gemeint, also dass man gar nicht rausgehen muß, um tolle Sachen zu machen?

Kitty: Ich geh schon öfters gern aus, verbringe aber auch sehr gerne Zeit allein! Um Songs zu schreiben, brauche ich Ruhe und Isolation, um zu mir zu kommen und die Eindrücke vom Leben draußen zu verarbeiten. Eine kleine Party zu Hause mit toller Musik ist auch recht nett.

Christina: In einem Artikel über Dich habe ich den Begriff „Küchenfolk“ gelesen – wie gefällt dir das Wort? Entstehen deine Platten wirklich in der Küche?

Kitty: Folk? Weiß ich nicht! Ich denke, die Musik ist eher Pop. Die Songs schreibe ich tatsächlich in der Küche, ich habe so einen Küchentick, daß mir nur da die besten Ideen kommen. Die Aufnahmen zur Platte haben wir allerdings im Studio (im Popschutz- Studio und bei Holger Müller) gemacht! Ich hoffe, ich lerne bald mehr über Aufnahmtechnik und kann meine Platten demnächst tatsächlich in der Küche aufnehmen.

Christina: Neben Kitty Solaris bist du ja auch Labelchefin – kriegst du beide Tätigkeiten gut unter einen Hut oder ist es schwierig, auf beiden Seiten zu agieren?

Kitty: Das ist manchmal nicht so einfach, es hat Vorteile und Nachteile. Vorteil: ich bin unabhängig und kann alles selbst entscheiden. Nachteil ist, daß es natürlich eine Menge Büroarbeit am Computer und Telefon bedeutet, da bleibt manchmal zu wenig Zeit zum Musik machen.

Christina: Im Intro-Artikel bezeichnest du die Labelarbeit als „Kamikaze“ – warum?

Kitty: Die Musikbranche befindet sich in einer Krise, da immer weniger CD’s in den Läden verkauft werden. Das betrifft mich als neues Indielabel natürlich auch, und es ist ziemlich schwierig als Musiklabel zu überleben.

Christina: Wäre das, was du machst, auch in anderen Städten möglich oder ist Kitty Solaris untrennbar mit Berlin verbunden?

Kitty: Es wäre bestimmt auch woanders möglich, aber Berlin hat mich immer inspiriert, es ist eine spezielle Stadt mit viel Platz für Künstler und andere Lebensformen, den man so nicht überall findet.

Christina: Was magst du besonders an Berlin und was überhaupt nicht?

Kitty: Ich mag in Berlin, daß es so viele verschiedene Ecken gibt, die Strandbars an der Spree, die Kastanienalle, den „Schokoladen“ in Mitte. Seit der Wende befindet sich die Stadt in stetiger Veränderung, ist Anziehungspunkt für Reisende und Künstler aus aller Welt. Allerdings habe ich manchmal den Eindruck, Berlin entwickelt sich zu einem zweiten Barcelona. Das finde ich etwas too much, weil alles zu mainstreamig wird.

Christina: Christiane Rösinger fordert einen staatlich gesicherten Grundlohn für Künstler – du auch?

Kitty Solaris: Da bin ich unbedingt dafür. Es gibt in allen möglichen Berreichen wie Film, Tanz, klassische Musik, etc. Förderung. Die Popmusik ist das kulturelle Stiefkind, obwohl sich die meisten Leute dafür interessieren. Ich bin für ein Grundeinkommen für alle, weil es lebenslange Erwerbsarbeit für alle nicht mehr geben wird!

Christina: Bei deinem Konzert im Hafen 2/Offenbach hattest du deine Mutter und deine Tante dabei – bist du sehr familienverbunden?

Kitty: Werde ich immer mehr, meine Familie ist mir sehr wichtig, besonders meine Mutter, meine Schwester und meine Tante. Meine Mutter hat es vorher allerdings noch nie zu einem Kitty Solaris-Konzert geschafft.

Christina: Wie entstehen deine Songs? Fängst du mit den Texten an oder entsteht zuerst die Melodie?

Kitty: Unterschiedlich. Manchmal fällt mir beim Fahrradfahren oder beim Abwasch eine Textzeile ein, manchmal mit der Gitarre eine Melodie.

Christina: Dein persönliches Lieblingsstück von der neuen Platte und warum:

Kitty: „Kisses Lift Me up“, ist ein tolles Motto für den Sommer!

Christina: Hast du musikalische/ideelle Vorbilder?

Kitty: Nicht wirklich. Ich bin Fan von PJ Harvey und Catpower, aber ich will schon mein eigenes Ding machen.

Christina: Welche Platte hat dein Leben verändert bzw. nach welcher Platte wußtest du, dass du auch Musikerin werden willst?

Kitty: Musik und Konzerte waren für mich seit meiner Jugend existenziell. Ich hab viel Leonard Cohen gehört und war Fan von The Smiths, The Cure, Velvet Undergroud und Violent Femmes. Ich wollte nie Musikerin werden, das hat sich alles so ergeben.

Christina: Haben dich deine Eltern gezwungen, ein Instrument zu lernen oder kamst du selber „auf die Gitarre“?

Kitty: Mit neun hab ich mal Gitarrenunterreicht gehabt, hab aber nicht viel gelernt, außer Weihnachtsliedern mit drei Griffen. Die Gitarre verschwand dann für einige Jahre und ist erst in meinen 20igern wieder aufgetaucht….

Christina: Mit wem würdest du am allerliebsten mal auftreten – keine Einschränkungen?

Kitty: David Sylvian!

Christina: Kitty Solaris‘ idealer Tag:

Kitty: Ein Tag im Park oder am See, und ein Abend zu Hause in der Küche mit gutem Essen, Wein und Musik.

CD: „My Home Is My Disco“
VÖ: 24.04.2009
Label: Solaris Empire
www.kitty-solaris.de
www.myspace.com/kittysolaris

Copyright: Redaktion MELODIVA

Autorin: Christina Mohr

14.06.2009