KID BE KID
Eine Künstlerin vervielfältigt sich selbst
Wenn Loop Motor zum Tanz aufspielt, klingt es wie elektronische Musik, kommt aber tatsächlich nur aus einem Mund. Ihre mit der Stimme produzierten Beats, Basslinien und Melodien werden via Effektgerät und LiveLooping zu fetter Partymucke, zu 100% live produziert. Dass sie auch leise kann, zeigt sie bei ihrem neuen Projekt: „Sold Out“ (Label: Springstoff) heißt ihre erste Platte als Singer-/Songwriterin KID BE KID. Zu jedem Song wird es ein Video geben, bei dem wir uns selbst davon überzeugen können, dass sie alles gleichzeitig, ohne Overdubs macht: Sie beatboxt, singt und spielt Klavier, und es hört sich an, als wäre ein Trio am Werk. Noch dazu sind ihre Songs von berückender Schönheit.
Du bist bisher vor allem unter dem Namen Loop Motor aufgetreten, jetzt bringst Du Dein erstes Album „Sold Out“ unter dem Künstlernamen „KID BE KID“ heraus. Da muss ich gleich mal nachfragen: wie kamst Du zu dem Namen?
Die Bedeutung gefällt mir. Wir alle sind irgendwie Kinder und dürfen es auch sein – unvoreingenommen und verspielt dem Tag und Begegnungen entgegentreten. Musikalisch spielt der Name auf die Verspieltheit der Rhythmik, Melodik und Harmonik an. Mit einem Zwinkern und weil ich gern über mich selbst schmunzel, wenn meine Freunde sagen: „Und das machst du alles allein und gleichzeitig?“ beschreibt KID BE KID eine Musikerin, die nichts von ihrem Spielzeug abgeben möchte und unbedingt alles zur selben Zeit tun will – Klavier spielen, singen und beatboxen.
Bei Loop Motor machst Du ja alles selbst und gleichzeitig, d.h. Du singst und beatboxt, nennst es „mouthmade electronic music“. Kannst Du mal Deine Arbeitsweise näher beschreiben und wie sich dieser Sound entwickelt hat?
Als Loop Motor entsteht jeder einzelne Sound mit meiner Stimme oder meinem Mund. Es gibt keine weiteren Instrumente. Die Beatbox und der Gesang werden durch Effekte in eine Loopstation aufgenommen und in Schleife gespielt. So entstehen Tracks, die elektronisch klingen und das Publikum zum Tanzen bewegen, obwohl die einzige Klangquelle mein Mund ist. Möchte ich zum Bespiel einen tiefen Subbass einsingen, so schalte ich einen Oktaver als Effekt dazu, der meine Stimme bis zu 3 Oktaven tiefer erklingen lässt. Damit alles rund und fett klingt, gebe ich jeder Ebene des Tracks – also Beat, Melodie, Akkorde, Bassline, Rap, Gesang usw. seinen eigenen Frequenzbereich – also seinen Platz im gesamten Klangbild.
Wie lang hat es alles in allem gedauert, bis Du die Technik so gut beherrscht hast, dass Du sie live nutzen konntest?
Als ich die Loopstation gekauft hatte, habe ich mich erstmal 5 Wochen lang eingeschlossen und nur gecheckt: „Wie kriege ich da ’nen fetten Sound raus?“ Danach lief’s. Natürlich passe ich immer wieder mein Vorgehen meinem neuen Wissen und Live-Erfahrungen an.
Bist Du von Haus aus technikaffin? Wo und wie hast Du das Beatboxing und den Umgang mit der Loop Station gelernt?
Ich würde sagen, ich bin lernaffin – wenn mich etwas wirklich begeistert, dann gebe ich alles, um herauszufinden, wie ich mich da rantasten kann. So habe ich mir autodidaktisch zu Hause Dinge wie Musikproduktion und Videobearbeitung beigebracht und eben auch diese schönen Spielereien mit der Loopstation. Beatboxing übe ich überall – draußen im Park, auf der Straße, unterwegs eben. Du spielst einfach mit dem Mund, der Zunge, Luft und Druck herum und wenn interessante Sounds herauskommen, merkst du dir die Bewegung und verfeinerst sie. Einfach machen. Ausprobieren.
Was ist das für ein Gefühl, wenn Du Deine Shows spielst und die Leute dazu abtanzen? Entsteht die Energie ganz von allein oder ist es manchmal auch harte Arbeit, das Publikum zum Tanzen zu bringen?
Wenn vor dir 500 Leute stehen, die Anlage einen dicken Klang ausspuckt, die Lichter flackern und Nebel auf die Bühne geblasen wird– dann ist es meist ein Eigenläufer, weil es ab der ersten Sekunde Spaß macht und das Publikum das sofort merkt. Die Energie von mir geht zum Publikum und kommt ziemlich schnell wieder zurück und so schaukelt sich das Ganze dann hoch. Eins zu sein mit den Menschen vor der Bühne und gemeinsam Party zu machen und den Abend zu zelebrieren – das sind wunderschöne Erfahrungen, die mich sehr bereichern und für die ich immer wieder sehr dankbar bin. Wenn jedoch die Anlage schlecht klingt oder es auf einem Open Air in Strömen regnet, dann musst dir eben was einfallen lassen, wie du die Zuhörer trotzdem kriegst. Als vor kurzem auf einem Festival wegen Regen Stromausfall war, habe ich spontan das Publikum zu einem Chor angeleitet und wir haben eben analog Musik gemacht. Aber sowas muss spontan entstehen, dass kann ich nicht planen.
Bei Deinem neuen Projekt KID BE KID hast Du noch ein weiteres Instrument dazu genommen, das Klavier. Die Musik klingt auch mehr nach Jazz und Singer-/Songwriter. Ich hab gelesen, dass Du Jazzgesang studiert hast. Ist das jetzt eine Weiterentwicklung für Dich oder sind das zwei nebeneinander laufende Projekte, die Du beide weiterverfolgen willst?
Beides wird weitergehen. KID BE KID ist aus dem Improvisieren am Klavier entstanden. Gleichzeitig zu beatboxen und zu singen und so wie drei Musikerinnen in einem zu sein, eröffnet mir die Freiheit, in jedem Moment musikalische Entscheidungen treffen zu können– die Songs einfach spontan bleiben zu lassen – den Rhythmus, die Melodie und die Bassline alles synchron sich irgendwo hin entwickeln zu lassen, ohne es mit anderen Musiker*innen abzusprechen. Es ist nicht besser allein, aber eben anders. Der Neo Soul mit den akustischen Beats, dem verträumten Klavier und der fast gesampelt klingenden Stimme, der dabei herauskommt, ist einfach ein Ergebnis von dem, was ich erlebt habe und was ich selbst für Musik gehört habe.
Mit der Loop Station werden Schicht für Schicht immer mehr Spuren übereinander eingesungen und -gespielt. Das klingt zwar nach praktischer Arbeitserleichterung, ich stelle es mir aber vor allem live sehr stressig vor, damit zu arbeiten: die Abläufe müssen genau stimmen, alles muss „in time“ und sehr auf den Punkt sein, kleine Fehler sind gleich sehr störend, weil sie immer wieder wiederholt werden 😉 Wie empfindest Du das? Was reizt Dich an dieser Art, Musik zu machen?
Es macht einfach Spaß. Du solltest als Looperin auch lernen, dir die Fehler zu verzeihen. Die Show geht weiter. Das Wichtigste ist, dass du immer an bist, immer fokussiert, immer Ideen hast, kreativ und inspiriert bleibst, Bock hast auf das, was du da machst. Und klar – üben solltest du das Ganze natürlich auch. 😉
Ich würde die Loop Station wahrscheinlich vor allem für Instant Composing nutzen. Welchen Stellenwert hat die Improvisation für Dich? Steht sie nur am Anfang eines Songs, wenn sich die Idee manifestiert und danach wird die Struktur des Songs festgelegt oder improvisierst Du in Deinen Songs immer weiter?
Meine Songs sind nie gleich. Es gibt einen Wiedererkennungswert und Hooklines, die gefeiert werden dürfen, aber wohin sich ein Track entwickelt, hängt immer von der Stimmung ab. Durch die Improvisation fängst du nie an, dich selbst zu langweilen, du überraschst dich und das Publikum und die Musik bleibt frisch.
Was inspiriert Dich bei Deinen Songs? Wie entstehen Deine Songs?
Erlebnisse bringen mich zum Texten und Stimmungen zum Improvisieren mit Akkorden, Melodien und Rhythmen. Dann bleibe ich an irgendwas hängen und denke: „Oh Yeah, das ist fett“ und ich entwickle es weiter. Viel Herumgeträume an den Instrumenten ohne Zweck und Beurteilung, einfach fließen lassen. Der Moment, in dem ein Song entsteht, ist der schönste, denn so frisch, echt und unbewertet wird er zumindest in meinem Ohr nie wieder erklingen. Der Austausch mit anderen Musikern bringt mich auch oft weiter. Gute Musik anhören kann auch sehr inspirierend sein.
Du bist damit ja solo auf der Bühne. Machst Du auch Projekte mit anderen MusikerInnen?
Ja, auf jeden Fall. Als Sängerin und Komponistin bin ich in der 5-köpfigen Band namens Kirschroth aktiv und auch mit KID BE KID feature ich gern meine Lieblingsmusiker*innen. So gibt es auf dem neuen Album „Sold Out“ 3 Songs, in denen ich befreundete Kreativköpfe eingeladen habe: Julia Kadel, Beatdenker und Bernhard „Abbo“ Stiehle. Kollaborationen will ich auf jeden Fall weiter verfolgen, weil es unglaublich viel Spaß macht, gemeinsam Musik zu machen und sich gegenseitig in seine Klangwelten einzuladen, wie zu sich nach Hause.
(Fotos Loop Motor: Francesco Alaimo, Fotos KID BE KID: Thomas Schlorke)
Autorin: Mane Stelzer
24.08.2017