K.D. Lang/CA
"Gay Country-Music Ikone"
Als k. d. lang 1989 ihren ersten Grammy als beste Countrysängerin für das Album „Absolute torch and twang“ erhält, freuen sich viele KanadierInnen und etliche Countryfans auf der ganzen Welt. Endlich gibt es frischen Wind in der Country-Szene.
Geboren in Alberta in Kanada kommt sie zur Musik, als sie sich im College mit dem Leben von Patsy Cline auseinandersetzt, das gerade für ein Theaterstück aufgeführt werden sollte. Cline hat sie so nachhaltig beeindruckt, dass sie sich zum Ziel setzt, selbst Sängerin zu werden. Zusammen mit Ben Mink gründet sie die „Re-Clines“, sogar im Bandnamen zollt sie ihrem Idol Tribut. 1983 erscheint deren Debut und wird von einigen kleinen Blättern mit wohlwollenden Kritiken aufgenommen. Der Zweitling „A Truly Western Experience“ macht sie landesweit bekannt und sie wurde bereits 1985 als „Most Promising Female Voice“ bei den Juno Awards ausgezeichnet.
Was in Deutschland Marianne Rosenberg oder Rosenstolz für die einheimische Homosexuellen-Szene sind, das ist k.d. lang im internationalen Sinne, eine Ikone der Lesben und Schwulen. Schon komisch, wenn man diese Tatsache vor dem Hintergrund sieht, dass sie mit Country Music begann, was nicht unbedingt für eine typische Karriere im Musikgeschäft steht.
„Shadowland – 1988“
Sie betritt Neuland, denn k.d. lang vermischt die bis dahin fein säuberlich getrennten Bereiche in der Countrymusik geschickt und inszeniert sich nebenbei als burschikose, wenngleich auch sensible Sängerin. Und: Sie wagt es, musikalische Grenzen zu überschreiten, Ausflüge in den Jazz oder gar in die Pop-Musik zu versuchen. Ihr Album „Shadowland“ hatte es schon angedeutet und hätte die musikalische Welt schon aufmischen müssen. Was auf diesem Album geschah, war unerhört – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber die Musikindustrie ließ sich Zeit, es sollte noch ein wenig dauern, man wollte offensichtlich k.d. lang als Country-Sängerin definiert wissen und entsprechend belohnen.
„Ingenue“ & ihr Coming Out
Das geschah dann auch, aber k.d. lang verhielt sich überhaupt nicht konform und legte 1992 ein Pop-Album nach: „Ingenue“. Dieses Album war nun wieder so gut, dass lang einen Grammy im Bereich Pop-Musik erhielt und Madonna medienwirksam aufseufzte: „Elvis is back – and she is beautiful!“ – Ein Meilenstein in der Karriere von k.d.lang. „Constant Craving“ wird ein weltweiter Hit, „Miss Chateleine“ wird aufgrund des lesbischen Subkontextes ein heimlicher Lesbenhit. Und k.d. lang setzt nach: Es folgen in kurzer Abfolge ihr Bekenntnis, Vegetarierin zu sein, ihr Coming-out als Lesbe und kurz darauf ein Photoshooting mit Cindy Crawford für die Titelgschichte des amerikanischen Glamourmagazins „Vanity Fair“. Hierfür posiert k.d. lang (im Anzug) im Barbiersessel mit viel Rasierschaum im Gesicht, während das damalige Top-Model Cindy Crawford (wie immer sehr feminin) so tut, als wolle sie Ms Lang rasieren. Das Ganze recht anzüglich, aber sittsam genug inszeniert – der „lesbian chic“ wird zum Schlagwort.
Auf einmal scharen sich lesbische „Altstars“ wie Martina Navratilova und Rita Mae Brown um die Künstlerin. Die Gerüchteküche brodelt. „Wer mit wem“ wird wieder ein beliebtes Spiel unter Lesben. Es gibt Munkeleien um Melissa Etheridge, Ellen de Generes, Whitney Houston, Jodie Foster und viele andere Celebrities. Madonna mischt ein wenig mit und produziert halbseidene Videos mit androgynen Models und sich selbst natürlich.
„Es gab damals schon ziemlich viel Rummel um meine Person durch mein Coming-out,“ erinnert sich k.d.lang. „Und klar gab es einige Radiomacher, die meine Songs nicht mehr spielen wollten. Aber die gibt es auch noch heute in Amerika. Im Prinzip existieren in den USA ja zwei völlig verschiedene Welten nebeneinander. Die eine ist konservativ und die andere normal (lacht). Aber ich bereue es nicht. Im Gegenteil, für mich war das Coming-out eine echte Erleichterung. Es ist so wichtig, gerade wenn man künstlerisch arbeitet und überhaupt: das Leben ist einfach schöner.
k.d. lang weicht dem Trubel um ihre Person nach einer Weile geschickt aus und konzentriert sich auf neue künstlerische Wege und Experimente. Ihre Alben „All you Can Eat“ (wer kann, sollte reinhören in „sexuality“) und „Drag“ sind hübsche Konzeptalben, die von der Presse zwar beklatscht, allerdings nicht allzugut verkauft werden. Erst das im Jahr 2000 erscheinende Album „Invincible Summer“ scheint einen Umbruch, nicht nur künstlerisch, sondern auch persönlich zu signalisieren. k. d. lang lebt mittlerweile in Los Angeles, ist öffentlich neu verliebt und singt entsprechend fröhlich. Madonna hatte einen neuen Produzenten empfohlen, die CD wird irgendwie nett; „Summerfling“ wird ein kleiner Hit.
Die 2001 stattfindende Tournee „Live by request“ bringt k. d. lang wieder in Erinnerung weltweit, das entsprechende Video und die CD erscheinen im gleichem Jahr, die Fans sind glücklich, zumal es k.d. lang offensichtlich Spaß macht, mit dem Publikum zu flirten. „Ich bin jedesmal erstaunt, wie unterschiedlich das Publikum ist. Es hängt nicht nur von den Orten ab, sondern manchmal auch von ganz anderen Dingen wie zum Beispiel dem Wetter, wie das Publikum drauf ist. Und dabei können die Unterschiede zwischen Boston und New York größer sein als zwischen Hamburg und Los Angeles.“
Ihren großen Hit „Constant Craving“ immer wieder singen zu müssen, nervt sie überhaupt nicht: „Im Gegenteil! Ich finde, es zeichnet eine gute Musikerin aus, sich immer wieder neu mit ihren Stücken zu beschäftigen, eine neue Herangehensweise zu finden und andere Interpretationsmöglichkeiten zu erarbeiten.“
2002 erfüllt sich k.d. lang einen langgehegten Wunsch, nämlich mit Altstar Tony Bennet zusammenzusingen. Die CD „What a wonderful world“ erstaunt KritikerInnen wie Fans gleichermaßen. k.d. lang scheint sich auf ihre Jazzqualitäten zu besinnen und becirct Tony Bennet (wie auch einige Jahre vorher ihren Duettpartner Roy Orbison) durch ihren pieksauberen Gesang.
Auf ihre Fähigkeit angesprochen, so sauber intonieren zu können wie kaum eine andere Sängerin, lächelt sie: „Danke für das Kompliment, aber ich arbeite natürlich auch hart dafür. Grundlage ist sicherlich ein gewisses Talent, aber wie alle Sängerinnen muss auch ich regelmäßig üben, mich mit meiner Stimme und mit Musik beschäftigen. Ich glaube auch, dass meine Stimme im Laufe der Jahre gereift ist. Aber durch die intensive Beschäftigung mit ihr verstehe ich sie eben immer besser.“
Ihr aktuelles Album
Nun meldet k. d. lang sich zurück mit „Hymns of the 49th parallel“, einer Hommage an ihr Heimatland Kanada und kanadische SongwriterInnen. Also mit einem wieder ganz anderen Konzeptalbum.
Der 49. Breitengrad ist zum großen Teil die einmal willkürlich gezogene Grenze zwischen den USA und Kanada. Und noch immer sitzen die Vorurteile über Kanada tief in den Köpfen vieler US-AmerikanerInnen – tatsächlich gibt es Jahr für Jahr nicht wenige US-TouristInnen, die beim Grenzübertritt Schnee, Elche, Mounties und Holzfäller erwarten – Wildnis eben. Dass dem nicht so ist, dass KanadierInnen eben auch künstlerisch arbeiten und gearbeitet haben, das möchte k.d. lang mit diesem Album sozusagen beweisen.
„Ich wollte eine Art Kanadisches Songbuch zusammenstellen, das es bislang so noch nicht gab und das weiterentwickelt werden soll“, so die Sängerin.
Die Grundlage für dieses Liederbuch sind Songs der bekanntesten Kanadischen SongwriterInnen wie z. B. Leonard Cohen, Joni Mitchell, Bruce Cockburn, Neil Young und Jane Siberry.
„Diese Songs haben mich musikalisch und persönlich geprägt, sie sind sozusagen ein Teil von mir, wobei Jane Siberrys „the Valley“ mein absolutes Lieblingsstück ist“, so k.d. lang.
Grundlage für die Originalität des Albums lieferte sicherlich auch Co-Produzent Ben Mink, jahrelanger Wegbegleiter von k.d. lang, der sich 2000 eine Auszeit nahm, als er Vater wurde. „Ben und ich sind seit über zehn Jahren befreundet, und ich bin sehr glücklich, dass er nun wieder mehr Zeit zum Arbeiten hat. Er ist einfach ein fantastischer Musiker, sowohl auf der Geige als auch auf der Gitarre.“ Minks Einfluss ist nicht zu überhören auf „Hymns of the 49th parallel“, das übrigens bei Nonesuch, einem der renommiertesten Jazzlabels erschienen ist. Alle Songs sind sparsam intrumentalisiert, bewusst wird auf Percussion verzichtet, wobei Joni Mitchells „Jericho“ die einzige Ausnahme bildet.
Von der Popmusik hat sich k.d. lang zwar damit nun nicht völlig verabschiedet, es gibt aber auch noch keine konkreten Pläne für neue Projekte: „Ehrlich gesagt: Die Unvorhersehbarkeit, mit wem ich arbeiten werde, ist für mich aufregender als jetzt schon zu planen. Ich bin offen für alles – außer für die Schauspielerei, das Kapitel habe ich abgeschlossen. „Salmonberries“ war eine interessante Erfahrung, aber ich habe dabei auch gelernt, dass ich Musikerin bin und eben keine Schauspielerin. Naja, und außerdem bin ich bis zum Frühjahr auf Tournee, wobei ich mich wirklich sehr freue, nach Europa zu kommen. Es ist schon toll, dort ein Teil der Kultur zu werden und gleichzeitig doch irgendwie zu Besuch zu sein.“
Wer jetzt allerdings hofft, Ms lang würde während ihres Aufenthaltes auch einmal die ein oder andere Szenebar besuchen, wird enttäuscht: „Sorry, ich muss mich zwischen den Konzerten einfach ausruhen und fit machen. Da bleibt keine Zeit für nächtliche Ausflüge. Kommt am besten in mein Konzert!“
Discographie:
„Hymns on the 49th Parallel“ (2004)
„Tony Bennett & k.d. lang Wonderful World“ (2003)
„Live by Request“ (2001)
„Invincible Summer “ (2000)
„Drag“ (1997)
(Ohne Bild) „All You Can Eat“ (1995)
„Even Cowgirls Get The Blues“ (1993)
„Ingenue“ (1992)
(Ohne Bild) „Absolute Torch and Twang“ (1989)
„Shadowland“ (1988)
(Ohne Bild) „Angel With A Lariat“ (1987)
Quelle: Dieser Text erschien in der Oktober-Ausgabe des Magazins
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Wir bedanken uns bei der Redaktion und der Autorin Ulrike Anhamm für die kollegiale Unterstützung.
Copyright: Ulrike Anhamm
30.11.2004