Julia Hülsmann
"Piano goes CLOSER"
Julia Hülsmann ist eine der meistbeschäftigten Pianistinnen der Berliner Szene. Die 1968 in Bonn geborene Musikerin studierte in Berlin und bei Maria Schneider in New York. Sie wurde 1993 in die Konzertbesetzung des Bundesjazzorchesters (Leitung Peter Herbolzheimer) aufgenommen und ist Mitglied des United Women’s Orchestra (siehe Melodiva-Report „10 Jahre – UWO“).
Nach ihrem Studium an der Berliner Hochschule der Künste, die heute UdK genannt wird, hat die Pianistin Julia Hülsmann sich sowohl dem Unterrichten verschrieben – derzeit ist sie als Lehrbeauftragte an der UdK tätig –, als auch ihre eigene Präsenz auf der Bühne und im Aufnahmestudio ausgebaut . Im Herbst ist sie mit ihrer zweiten CD, ihrem Trio und der Sängerin Anna Lauvergnac on Tour.
Hier Auszüge aus dem Interview/Text von Carina Prange /Berlin (Aug. 2003)
Wie alles begann:
Das „Julia Hülsmann Trio“, dessen Namensgeberin sie ist, existiert in Berlin seit 1997 – nun gelang eine Verbindung über den großen Teich nach New York. Dort hatte die norwegische Sängerin Rebekka Bakken auf Julia Hülsmann bei ihrem damaligen Aufenthalt in der amerikanischen Jazzmetropole einen großen Eindruck gemacht. Mittelbares Ergebnis dieses Zusammentreffen war, daß Hülsmann speziell für die Sängerin Texte von E.E. Cummings auswählte und passende Songs dazu schrieb. Mit Julia Hülsmanns eigenem, durch Bakkens Gesang verstärkten Trio wurde das Vorhaben umgesetzt und auf CD gebannt. (siehe Melodiva-Report: Julia Hülsmann & Rebekka Bakken, Febr. 2003)
„COME CLOSER“
Jetzt im Herbst ist sie mit ihrem Trio und ihrer zweiten CD „COME CLOSER“ auf Tour. Für diese CD hat sie namhafte Musiker (Bassist: Marc Muellbauer und Schlagzeuger: Heinrich Köbberling) verpflichtet, wie auch Anna Lauvergnac, die seit langem Sängerin des Vienna Art Orchestras ist. (Eine Hintergunrd-Info über die neue CD „COME CLOSE“, über die Besetzung und das Konzept s.u.)
Carina: Julia, dein „Julia Hülsmann-Trio“ gibt es bereits seit 1997. Zu Anfang hast du in erster Linie Fremdkompositionen gespielt, inzwischen handelt es sich bei deinem Material überwiegend um Eigenkompositionen. Ist dies deiner Meinung nach ein Prozess, den jeder Komponist durchlaufen muss?
Julia: Vermutlich ist dieser Weg nicht für jeden Musiker notwendig – aber für mich war es eine durchaus naheliegende, eine zwangsläufige Reihenfolge. Es war für mich das Selbstverständliche, zunächst beinahe nur Standards zu spielen und diese erst in einer späteren Phase mit eigenem Material zu mischen. Inzwischen allerdings spiele ich mehr oder weniger ausschließlich meine eigene Musik.
Carina: Du bist in Bonn geboren und aufgewachsen. Jetzt lebst du in Berlin. Ist die Hauptstadt ein guter Ort für Jazzmusik und Kunst im Allgemeinen? Verglichen mit New York – ist es in Berlin leichter, einen Lebensunterhalt zu verdienen?
Julia: Wenn man es mit New York vergleicht, ist es mit Sicherheit in Berlin leichter. Sich finanziell durchzuschlagen ist hier einfacher, obwohl ich, zugegeben, auch in New York gerne leben würde. Berlin ist allerdings für Musiker eine wirklich sehr gute Stadt – deswegen bin ich schließlich hergezogen. Im kommenden Januar werden es zwölf Jahre – ich würde mich also mit Fug und Recht als Berlinerin bezeichnen. Die Stadt ist deswegen etwas Besonderes, weil sie sehr offen ist, und du hier eine Menge sehr guter Musiker findest. Diese Musikergemeinschaft wächst ständig weiter, es ist hier alles sehr inspirierend. Und – nicht zu vergessen – du kannst eben hier mit Musik deinen Lebensunterhalt verdienen…
Carina: Rebekka, du und Julia, ihr seid euch in New York zum ersten Mal begegnet. Habt ihr euch da schon vorgenommen, gemeinsam etwas aufzunehmen – oder war es eine Überraschung, als Julia dich gefragt hat, ob du bei ihrem Projekt mitmachen willst?
Rebekka Bakken: Das kam so: Julia kam in New York bei einem meiner Gigs vorbei und hat mir anschließend gesagt, sie sei total begeistert von mir. Sie fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, dass sie etwas für mich schreiben würde. Ein Jahr später hat sie mich dann deswegen wieder kontaktiert. In der Zwischenzeit hatte sie mir auch eine ihrer CDs geschickt und mir war klar geworden, dass ich es hier mit einer wirklich außerordentlichen Musikerin zu tun habe. Also gefiel mir die Idee immer besser. Das Ganze ging damit weiter, dass sie mir Musik schickte mit dem Vorschlag, die Stücke gemeinsam aufzunehmen. Genau das haben wir dann gemacht – und das war der Anfang, oder besser, die Fortsetzung des Anfangs.
Carina: Einen Vertrag mit ACT-Music zu bekommen scheint ein großer Schritt in Richtung einer internationalen Aufmerksamkeit für deine Musik zu sein. Julia, wie hat sich die Beziehung zu ACT entwickelt?
Julia: Oh, das ist im Grunde genommen eine ganz simple Story. Ich hatte nämlich schon immer, und jetzt bitte nicht lachen – schon immer den Plan, eine ACT-Künstlerin zu werden (lacht). Ich wollte eben gerne gerade mit dieser Firma zusammenarbeiten. Das allererste Demo, das wir gemacht haben, habe ich auch nur zu ACT geschickt. Später war ich natürlich schlauer und sagte mir: O.k., vielleicht sollte ich es auch noch zu verschiedenen anderen Labels schicken. Aber anfangs schickte ich Material wirklich nur dorthin.
Wahrscheinlich hatte ich einfach Glück, denn beim Hinterhertelefonieren hatte ich eines Tages Siggy Loch persönlich am Apparat. Er fragte, ob ich mir vorstellen könnte, wieviele Demos er hier liegen hätte. Ich entgegnete, dass ich mir das wohl schon vorstellen könnte, aber… – Offensichtlich hatte er dann meine Person irgendwie im Kopf. Und Rebekka auch – immerhin wußte er genau, wer sie ist.
Er hat noch am selben Abend zurückgerufen und gesagt, dass wir das Projekt zusammen machen würden. Es gab keinen Kampf nach dem Motto, bitte, bitte lass‘ uns das machen. Es war sofort so, dass er das mit uns durchziehen wollte.
Carina: Deinen Kompositionen wird ein starkes Gefühl für Melodie nachgesagt, sie sind voll zarter Nuancen und sind außerdem sehr phantasievoll. Gelegentlich weisen sie auch eine Herangehensweise auf, die aus der Popmusik entlehnt zu sein scheint. Wie hast du deinen persönlichen Stil entwickelt? Welches sind deine hauptsächlichen Einflüsse?[/url]
Julia: Ja, die oft angesprochene Sache mit den Einflüssen… – Da gibt es eine Menge unterschiedlicher Einflüsse – an erster Stelle sehe ich da die klassische Musik, mit der ich ja begonnen habe. In den letzten Jahren habe ich übrigens festgestellt, dass klassische Musik für meine persönliche Entwicklung sogar wichtiger ist als ich gedacht hatte. Es ist einfach deswegen so, weil ich nunmal eine Menge klassische Musik gehört und gespielt habe. Popmusik ist natürlich auch ein Einfluß, weil ich sie als Teenager gehört habe – und selbstverständlich auch heute noch. Außerdem mag ich Popmusik sowieso. Nicht jede Art von Popmusik, sondern Songwritersachen, wie beispielsweise Randy Newman oder Sting.
Der Jazz ist natürlich zentral für mich, weil Jazz mir die Freiheit gibt, alles umzusetzen – hier gibt es einfach keine Begrenzungen. Das ist für mich das Entscheidende am Jazz. Einer derjenigen, die mich besonders beeinflusst haben, ist Don Grolnick, der Pianist und Komponist. Leider ist er inzwischen gestorben – eine sehr traurige Angelegenheit. Ich schätze ihn als eine bedeutende Persönlichkeit für den Jazz und für zeitgenössische Komposition im Allgemeinen. Das ist also ein Einfluss – aber es gibt so viele weitere. Inzwischen bin ich da für alle Seiten offen: Pat Metheny und Fusion und natürlich Miles Davis. All diese Leute haben mir Wege gezeigt.
Das gesamte Interview ist im August 2003 bei Jazzdimensions erschienen
www.jazzdimensions.de
Zur 2. CD von Julia Hülsmann „COME CLOSER“ – Es begann mit Randy Newman
Als Julia Hülsmann klein war, lief ein merkwürdiger Konzert-Mitschnitt im Fernsehen. Ein Mann hockte da alleine am Flügel und sang wunderschöne Sachen mit einer eigentlich schrecklichen Stimme. Julia Hülsmann fand das ziemlich toll. Und freute sich, dass ihre Eltern zufälligerweise Noten von diesem seltsamen Typen gekauft hatten. So setzte sie sich also ans heimische Klavier und spielte zum ersten Mal in ihrem Leben keine klassischen Etüden. Sondern Songs von Randy Newman. Es war der Beginn einer langen Liebesgeschichte.
Mit ihrer CD „Come Closer“, ihrer eigenwilligen Hommage an Randy Newman, zeigt die in Berlin lebende Pianistin und Arrangeurin, dass man ein an sich schon makelloses Debüt problemlos übertreffen kann. Man muss nur ein untrügliches Gespür für große Lieder und den Mut sowie die Begabung haben, um diese teilweise 30 Jahre alten Stücke für die Gegenwart der improvisierten Musik nutzbar zu machen.
Man muss natürlich auch die richtigen Leute kennen. Der Bassist Marc Muellbauer und der Schlagzeuger Heinrich Köbberling sind Hülsmanns langjährige kongeniale Komplizen, little criminals, die mächtigen Tons und perkussiv einfallsreich lauter krumme Dinger drehen. Kammerjazz mit Dreck an den Fingern und beißendem Spott in der Herzkammer ist das Ergebnis. Hülsmann hat aber auch eine neue Partnerin im (Lust-)Verbrechen entdeckt. Anna Lauvergnac, seit langem Sängerin des Vienna Art Orchestra, spielt jede Rolle einfach perfekt. Sie ist dämonische Verführerin („You can leave your hat on“) und Ko-Autorin des zusammen mit Hülsmann geschriebenen Titelstücks dieser CD. „Come Closer“: näher kann man Randy Newman nicht kommen.
„…Die große Kunst der feinsinnigen Zynismen […] Mit intelligenten Arrangements gelang es der 36-jährigen Berlinerin, unter die sarkastischen Texte einen federnden Klangteppich zu legen, der dem zynischen Duktus von Randy Newman akustisch glänzend konterte.
Sängerin Anna Lauvergnac zeichnete dazu mit lakonischer Abgeklärtheit und feinem Gespür für die Melodieführung morbide, bitter-süße Stimmungsbilder. Selbst Klassiker wie „You Can Leave Your Hat On“ gerieten zu eigenständig funkelnden Preziosen. Denn klug hielt sich Julia Hülsmann an den Tasten zurück, blieb oft in ostinaten, gerade dadurch äußerst eindringlichen Figuren und überließ es vor allem ihrem fabelhaften Drummer Heinrich Köbberling, mit dramatischen Pointierungen den Spielfluss hinter Anna Lauvergnacs beeindruckender Stimme zu akzentuieren. Und Marc Muellbauer sorgte mit erdigem Ton am Bass dafür, dass in dem balladesken Reigen feinsinniger Zynismen niemals die Bodenhaftung verloren ging. Respektvoll, aber nicht devot im Umgang mit den Texten, raffiniert in der musikalischen Umsetzung, gelang Julia Hülsmann mit ihrem Trio und Anna Lauvergnac an diesem Abend das schwierige Kunststück, einem großen Songwriter souverän zu huldigen und doch ein erfrischend autarkes Klangabenteuer zu entwickeln. So spannend und intensiv war Randy Newman selbst auf eigenen Platten bislang kaum einmal zu hören, was man Dank „Come Closer“ auch zu Hause erleben kann….“ (Sven Thielmann in WAZ Herne 01.03.2004)
Text zusammengestellt von Anne Breick/Frankfurt
Discographie:
Julia Hülsmann Trio & Anna Lauvergnac „Come closer“ (ACT Music/ Edel – 2004)
CD: Julia Hülsmann/Rebekka Bakken – „Scattering Poems“ (ACT Music/ Edel – 2003)
CD: Julia Hülsmann – „TRIO“ (Bit-Musikverlag – 2001)
Labels:
www.actmusic.com
www.bit-musikverlag.de
Quelle: Das Interview mit Julia Hülsmann ist komplett nachzulesen bei
www.jazzdim ensions.de
Wir bedanken uns bei der Redaktion und der Autorin Carina Prange für die kollegiale Unterstützung.
Autorin: Carina Prange
31.07.2004