Jenny Hoyston

Interview mit Nora Hong

Im folgenden Interview berichtet Jenny Hoyston von ihren Touren, den groß gewordenen Riot-Grrrlz, der Musikszene an der amerikanischen Westküste und warum Fanzines in Amerika immer noch so populär sind. Nora Hong führte im Februar 2008 ein Interview mit Jenny Hoyston (San Fransisco) für Radio X, Byte.FM und Melodiva.

Jenny Hoyston ist interessante Musikerin und spannende Person in einem. Sie singt und spielt nicht nur Gitarre, sie ist auch Tontechnikerin, schreibt Fanzines, zeichnet Comics und ist Gründungsmitglied der  No-Wave-Punk Band Erase Errata. Mit Sonic Youth’s Kim Gordon hat Jenny Hoyston auch schon für Anxious Rats gesungen. Mit ihrem Soloprojekt präsentiert sie einen vielseitigen und auch experimentellen Musikstil, welcher sich wie ein fächerartiges Spektrum an musikalischer Virtuosität und souveräner Stilgewandtheit entfaltet.

Country Folk und Rock Elemente werden von ihr anregend neu kombiniert, teils zu ‚Noise-Folk’ und sagen wir ‚Elektro-Garage’ und dabei gelingt es ihr auch, musikalische Einflüsse, wie Art-, Psychedelic- und Progressive-Rock aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu holen.

Auf ihrer diesjährigen Europa Tournee für das neue Soloalbum „Isle Of“ führte ihr Weg auch durch Offenbach, wo folgendes Interview zustande kam.

(Das Interview ist auf Radio X, in der Spacy Stardust Show zu hören, am Samstag, den 26.04.2008, 21-23 Uhr!!!)

Fotos oben: Sven Moschitz

N.H.: 
Du bist mit deinem neuen Solo-Album „Isle Of“, erschienen bei Southern Records, auf dreimonatiger Europa Tournee. Nach „Lines are Infinitely Fine“ ist ‚Isle Of’ dein zweites Solo-Album. Was ist darauf zu hören, vielleicht ein paar Worte von der Musikerin selbst?

J.H.: Ich spiele ja in der Band Erase Errata. Für mein Soloalbum habe ich eigene Musikstücke gesammelt, so dass ich ein Album heraus bringen kann. Ich kann dann etwas mehr musikalisch experimentieren, mit eben ‚Garagey-Music’ und auch ein bisschen mehr Pop-Feelings einbringen. Ich wollte auch etwas mit persönlichen Texten und Themen machen, also nicht soviel Polit-Kontext, sondern eben alles etwas persönlicher.

N.H.: Seit wann bist du Musikerin und wie viele Instrumente spielst du?

J.H.: Ich habe angefangen Klavier zu spielen, da war ich vier Jahre alt. Dann spielte ich Trompete, dass war das nächste Instrument. Da war ich so etwa zehn Jahre alt. Gitarre habe ich dann mit fünfzehn Jahren angefangen zu spielen. Ich habe in der Tat sehr früh angefangen. Ich komme aus einer Musiker Familie. Meine Mutter ist Pianistin und als sie noch jünger war, in den Fünfzigern, spielte sie in Rockbands Klavier und Little Richard und Fats Domino Nummern. Auch meine Schwester ist sehr musikalisch und eigentlich die anderen Leute in meiner Familie auch.

N.H.: Du warst also immer von guter Musik umgeben?

J.H.: Ja, einen Menge davon!

N.H.: Du bist ja auch Gründungsmitglied der Band „Erase Errata“. Was gibt es neues von „Erase Errata“?

J.H.:  Wir waren im Dezember auf Japan-Tour und hatten sehr viel Spaß, es war wirklich großartig. Im vergangenen Herbst haben wir eine Single auf dem deutschen Label Tom-Lab herausgebracht. Und diesen Sommer spielen wir vielleicht auf ein paar Festivals. Eben die Dinge, die im Sommer üblich sind. Es gibt keine neuen Pläne für ein neues Album, da wir erst ein ganzes Jahr getourt haben für „Night Life“, das ist unser zuletzt erschienenes Album.

N.H.: Ihr seid ein ganze Jahr auf Tour gewesen? 
J.H.: Ja, letztes Jahr, 2007. Wir waren alle nur insgesamt zwei Monate zu Hause, weil wir alle zwischenzeitlich total geschafft waren. Wir waren in Australien, Neuseeland und an anderen verschiedenen Orten, wo wir zuvor noch nie waren. Was das betrifft, können wir uns erst einmal ausruhen und jede von uns kann wieder ihren eigenen Projekten nachgehen. Jede von uns muss auch wieder sehr hart im ‚normalen Job’ weiter arbeiten, damit keine gefeuert wird, denn wir waren ja schon lange weg, weißt du.

N.H.: Jetzt  warst du wieder knapp drei Monate unterwegs, in England, Schottland, Italien, Schweiz, Deutschland und Holland. Wie war die Tour bis hierher?
J.H.: Es ist schön auf Tour zu sein. In meinem Leben bin ich nun an dem Punkt angekommen, wo ich sagen kann, ich toure seit ungefähr sieben Jahren und dass, fast immer mit Erase Errata. Jetzt empfinde ich es als ganz natürlich. Manchmal, wenn ich lange unterwegs bin und über Monate jeden Abend in einer anderen Stadt, dann kann es schon mal etwas anstrengend werden, aber im Allgemeinen bin ich sehr mit den Lebensstil vertraut. Ich versuche, na sagen wir es so, gut zu Essen, nicht zuviel Alkohol zu trinken und soviel Schlaf wie möglich zu bekommen. Möglichst alles zu tun, um jeden Abend eine gute Show zu präsentieren.

N.H.: Wie steht es da mit sportlichem Ausgleich während dem Touren?

J.H.: Ja, ich bin eine große Fußgängerin. Ich mag lange Spaziergänge am Morgen, kurz nach dem Aufstehen und dann mache ich nochmals einen langen Spaziergang bevor ich abends spiele. Mary Christmas, die Schlagzeugerin mit der ich gerade toure, macht morgens und vor den Konzerten Yoga. Jede muss ihren sportlichen, also auch körperlichen Ausgleich finden, um sicher zu stellen, dass sie nicht nur gesund ist, sondern auch in guter mentaler Stimmung.

N.H.: Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du das Touren magst, aber du hast ja jetzt schon einiges darüber gesagt.
J.H.: Ja, ich mag es soweit! (org. Text. „I like it ok!) Weißt du, ich gehe für ein paar Monate auf Tour, dann komme ich wieder zurück nach San Fransisco und lebe dort und gehe zur Arbeit. Ich arbeite als Toningenieurin in einem Club. Wenn ich auf Tour gehe, fange ich schon einen Monat vorher an, mich darauf einzustellen und alles vorzubereiten. So ist es dann ganz nett. Ich mag es gerne ausbalanciert, mit etwas Zeit, die ich zu Hause verbringe und Zeit die ich wieder unterwegs bin. Weil es ist so, immer wenn ich mich in San Fransisco nicht so richtig wohl fühle, dann weiß ich, dass es wieder Zeit ist auf Tour zu gehen. Und dann, wenn mir das Reisen keine Freude mehr macht, dann ist es eben wieder Zeit nach Hause zu gehen. So funktioniert es ganz gut, weitestgehend.

N.H.: Was machen denn die Riot-Grrrlz,  jetzt  wo sie erwachsen sind? Oder wie ist die Szene gerade so in San Fransisco?

J.H.: Eine Menge Frauen machen Musik in San Fransisco und an der West Küste überhaupt. Besonders in Portland/Oregon, Olympia/Washington und in Los Angeles auch. Eine Menge Frauen machen Musik und es gibt auch viel Musik aus der Queer-Szene. Es ist alles ziemlich lebendig. Es ist natürlich nicht mehr die Riot-Girl-Bewegung, wie die in den Neuzigern, aber dennoch sehr inspirativ. Da ist beispielsweise Allison Wolf von Bratmobile, sie hat eine Partyreihe und ist auch immer auf Tour unterwegs. So was bekomme ich mit. Ich habe den Eindruck, dass die Frauen- und Musikszene sehr lebendig ist und es ihnen auch gut geht. Insbesondere im ‚Underground’, in der Punk Szene und der feministisch orientierten Musikszene.

N.H.: Schön und gut zu hören! Du schreibst ja auch Fanzines? Die Fanzine Szene hier in Deutschland hatte ihren Höhepunkt in den Achtzigern und als ich letzten November in Portland/Oregon war, habe ich festgestellt, dass dort eine echt große „Fanzine Community“ vorhanden ist! Es ist anscheinend sehr beliebt?
J.H.: Ja, ich denke, dass die Leute Interesse haben am Schreiben. Leute die sich für Musik interessieren, teilen, bzw. verbreiten auch gerne Neuigkeiten darüber, erzählen gerne von neuen künstlerischen Bemühungen, ebenso wie eine Menge Frauen und Männer Autoren sind. Es ist ja eigentlich ziemlich einfach, ein eigenes Fanzines zu produzieren, wenn es einen Fotokopierer gibt. Es hat eben diesen einfachen Zugang und es ist eine gute Möglichkeit, Gedanken zu formulieren. Das ‚Zine’ das ich heraus bringe heißt „Don’t worry!“ und es ist mehr auf komödiantisches Schreiben ausgerichtet, also eine Art lustiges Fanzine mit Anekdoten. Es gibt auch eine Menge Texteinreichungen. Michelle Tea, eine bekannte Schreiberin, die in San Fransisco lebt, hat für die letzte Ausgabe einen Beitrag geschrieben. Ich war wirklich stolz, eine bekannte ‚Fanzine-Schreiberin’ in meinem ‚Zine’ zu haben. Ja, es ist wirklich toll! Ich habe die ‚Zines’ während der Tour verkauft und jetzt ist es ausverkauft. Auch meine Schlagzeugerin, Mary Christmas hat ihre eigenen Comics verkauft. Also, kein ‚Zines’, sondern eher Zeichnungen und Bilder, ja und das kommt auch gut an. Ich bin wirklich froh, dass diese Art von Kultur so lebendig und vorhanden ist. Es ist sehr ‚Underground’ und auch nicht kontrolliert von irgendeiner Firma oder unterliegt auch nicht einer Redaktion von irgendeiner Zeitung. Es ist einfach nur so, wenn du etwas heraus bringen willst, dann tu’ dein bestes und versuche dein eigenes Material in Umlauf zu bringen.

N.H.: Ja, das ist sehr gut! Lieben Dank für das Interview, Jenny.
J.H.: Danke schön und auch für die Einladung.

April 2008

Das Album „Isle Of“ von Jenny Hoyston, erschienen im September 2007 auf Southern Records.

www.myspace.com/jennyhoystonparadiseisland

www.geocities.com/paradiseislandca

http://www.eraseerrata.com/

Infoline: Redaktion MELODIVA im

FMB – FRAUEN MUSIK BÜRO – Frankfurt/GERMANY

+49 (0) 69-49 60 848 .

19.04.2008