Indiepop mit Waldhorn
Die Vielfalt der Patchwork-Bands
Pop meets Klassik sozusagen, was nicht meint, dass hier Klassik „verpoppt“ wird, sondern vielmehr viele verschiedene Einflüsse zusammen strömen, die die Musik mit reichhaltigen Ideen versorgen. Bands wie 18 Strings, Lingby, Arven oder Dawa schwören auf ihren Mix, der ihnen ein breites Publikum beschert.
Lingby: Interessante Klangfarben
Dass Mädchen und junge Frauen immer noch häufig die „klassischen“ Instrumente wie Klavier, Geige und Cello spielen und eher klassische Musik als Popmusik spielen und später studieren, zeigen die Statistiken. Der Weg scheint vorgezeichnet, der Zugang zur Popmusik mit ihren anderen Arbeitstechniken scheint versperrt oder zumindest erschwert. Dass dies jedoch keine Einbahnstraße sein muss, in der man entweder eine Anstellung im Orchester finden oder Musiklehrerin werden muss, zeigen zum Beispiel die Musikerinnen Judith und Carmen Hess. Die Schwestern haben eine klassische Musikausbildung an Piano, Horn, Posaune und Gesang absolviert und bilden zusammen mit Willi Dück (voc, git), Dennis Jüngel am Schlagzeug und Maik Vleurinck am Bass die Band Lingby. Angefangen hatte es 2006, als Judith am Keyboard und Willi begannen, gemeinsam an Songs zu schreiben. Maik und Dennis kamen quasi im „Doppelpack“ dazu, sie machten schon als 12Jährige gemeinsam Musik, Judith‘s Schwester Carmen brachte sich dann noch mit dem markanten Wald- und Flügelhorn in die Band ein. Seit 2012 gibt es dieses Orchester zu fünft, das mit Hörnern und Posaune ungewöhnliche Klangerlebnisse beschert; erste Festivalgigs auf dem Melt! und der c/o pop brachten der Band viel Applaus ein. Dass der eigenwillige Indie-Pop der KölnerInnen ankommt und sie bereits eine große treue Fangemeinde haben, zeigt auch eine Crowdfunding-Aktion, bei der die Band 5000.- Euro für die Produktion ihres neuen Albums sammeln konnte – konsequent ohne Label, Management oder Crowdfunding-Plattform.
18Strings: eine kleine Familie mit vielen Saiten
Auch bei der Band 18 Strings gab es keine Berührungsprobleme. „Die Zusammensetzung entstand dadurch, dass wir uns alle vom Hörensagen kannten und es somit auf der Hand lag zusammen Musik zu machen“, sagt Sänger und Gitarrist Denis Deschner über die Entstehung der Band 2006. Aus der anfänglichen Idee, eine Punkband zu gründen, wurde ein akustisches Duo im Singer-/Songwriterstil, die beiden Gitarristen und Sänger Kai und Denis zählten die Saiten ihrer Gitarren zusammen (6 + 12) und so entstand der Bandname 18 Strings. Sie nahmen ein erstes Album auf, auf dem schon Bongos und Geigen zu hören waren. Zwei Jahre später kam der Bassist Nino Niechziol dazu, nach und nach machten dann Karin Schlottke, Lydia Keller (beide Violine) und Judith Richter (Cello) die Band komplett; letztere drei sind klassisch ausgebildet und spielten jahrelang im gleichen Orchester. In dieser Besetzung spielt die Band aus Gerlingen bei Stuttgart nun seit ca. 2 Jahren und ist mittlerweile wie eine „kleine Familie“ zusammengewachsen. Schwierigkeiten gab es „so gut wie keine“.
DAWA: Folkrock mit Cello und Hut
Auch die Cellistin Laura von der österreichischen Band DAWA betont, dass weniger die gewohnten Arbeitstechniken, als der Zugang zur Musik entscheidend seien: „Ich würde nicht von Schwierigkeiten reden, haben wir doch, bei allen Unterschieden einen ganz ähnlichen Zugang zur Musik – einen sehr emotionalen. Wir spielen, probieren, entscheiden und fertig. Sicher habe ich zum Beispiel mehr Möglichkeiten wörtlich zu formulieren, was musikalisch, harmonisch usw. in unserer Musik passiert, habe aber einen großen Respekt vor der musikalischen Intuition der Anderen. Unsere Arbeitsweise hat sich recht schnell eingespielt und funktioniert so, dass auch nicht der Wunsch besteht daran etwas zu ändern“.
Auch bei DAWA war die „Keimzelle“ ein akustisches Duo und alles weitere ergab sich, weil man sich kannte oder über gemeinsame Bekannte fand; nach gemeinsamen Jam-Sessions von Barbara Wiesinger (vocals, perc) und John Dawa (vocals, git) im Wohnzimmer und bei Freunden hatten die beiden beschlossen, die Band zu erweitern. Der Sound sollte akustisch und pur bleiben, also lag die Wahl der Instrumente auf der Hand: „Als John sich dann das Cello in den Kopf setzte, wurden wir mittels einer gemeinsamen Bekannten einander vermittelt. Sie wusste, dass ich gerne auch Popular-Musik spiele und so ergab es sich, dass John mich besuchen kam und mir etwas vorspielte und sang. Dass mich seine Stimme überwältigt hat, ist leicht nachzuvollziehen. Und so ging es auch Norbert, der John immer wieder bei verschiedenen Konzerten und Festivals zufällig getroffen hat. Norbert hatte gerade seine Band verlassen, in der er jahrelang Schlagzeug spielte und ist mal wieder bei einem Konzert auf John getroffen. Der hat ihm dann bei der Gelegenheit ein Demo vorgespielt- und wir hatten einen Percussionisten“, erzählt die Cellistin Laura Pudelek den Werdegang der Band, die bereits im Vorprogramm von Milow und The Cranberries gespielt und im Mai 2013 ihr Debüt „This Should Work“ veröffentlicht hat.
Der besondere „DAWA“-Sound, den die vier „akustik-cello-folkrock mit Beat, 2 Stimmen und Hüten“ nennen, entsteht gerade dadurch, dass die Bandmitglieder mit ihren verschiedenen musikalischen Backgrounds gleichberechtigt an den Songs mitarbeiten: „Der Vorteil bei einem solch bunten Mix besteht in der Vielfalt der unterschiedlichen Beiträge, die jeder Einzelne in die Musik miteinbringt. Wir haben zwar auch einige Gemeinsamkeiten in unseren Musikgeschmäckern, kommen aber doch alle vier aus ganz unterschiedlichen Ecken. Da bei uns nicht einer arrangiert, was die anderen zu spielen haben und die Songs gemeinsam entwickelt werden, ergibt sich ein Sound, der sich schwer in eine Genre-Schublade stecken lässt (was nicht immer nur von Vorteil ist) und der unserer Musik zu ihrer Authentizität verhilft. Es macht unsere Musik einzigartig, worauf wir ein bisschen stolz sind…“ so Laura.
Ein weiterer Vorteil des Genre-Mixes Pop/Folk/Rock-Klassik liegt auf der Hand: die Musik finden gleich mehrere Zielgruppen interessant. Denis Deschner von 18Strings beschreibt es so: „Der Vorteil unserer Musik ist definitiv die große Bandbreite an Menschen die wir erreichen können. Ob Jung oder Alt, es gefällt so gut wie jeder Altersklasse“.
Arven: der etwas andere Metal
Die 5 Musikerinnen der „melodischen Metal-Band“ Arven aus dem Frankfurter Raum können das bestätigen, sie verzücken mit ihrem außergewöhnlichen Sound Metal-, Rock-, Folk- und Klassikfans gleichermaßen. Auch bei ihnen sorgte ein unterschiedlicher Background für den besonderen Mix: Songschreiberin und Gitarristin Anastasia fand auf ihrer Suche nach Musikerinnen für eine Frauenband die beiden Musikstudentinnen Ines (git) und Lena (keys), sowie Sängerin Carina, ebenfalls klassisch ausgebildet. Bassistin Lisa kam aus dem Metalbereich und als letzten im Bunde kam Drummer Till zur Band, die seit 2007 die Bühnen Deutschlands und des angrenzenden Auslands stürmen. Die fünf unterschiedlichen MusikerInnen einte die Leidenschaft für das Metal-Genre: „Der große Vorteil ist, dass es viele Einflüsse aus unterschiedlichen Stilrichtungen gibt. Klar, haben wir alle unsere Leidenschaft im Metal Bereich, sonst hätten wir uns als Band nie so gefunden wie wir jetzt sind, aber jedes Mitglied der Band hat eigene musikalische Vorlieben. Das bringt natürlich ein großes Plus, wenn es um das Schreiben der Songs geht oder auch darum, die Songs zu performen. Ich würde sagen, dass unsere Vielseitigkeit die Musik facettenreicher werden lässt“, beschreibt es die Sängerin Carina Hanselmann. Die fünf nennen ihren Mix „Female Melodic Symphonic Metal“ und haben 2013 bereits ihr zweites Album „Black is the Colour“ herausgebracht. Das Feedback vom Publikum nach Konzerten „… ist überwältigend. Ich finde es immer noch ungewohnt so viele Autogramme geben zu müssen und für Fotos zu posieren, weil das sich jetzt alles über wenige Jahre so schnell entwickelt hat. Aber ich genieße es sehr. Von der Presse war das Feedback auch sehr positiv, bis auf einige wenige Ausreißer, aber die sind ja normal (lacht). Wir haben gute Reviews bekommen, was uns natürlich sehr freut!“
Beim Booking kann sich der Mix ebenfalls als Bonus erweisen, weil die Bands durch ihren Akustik-Anteil meist flexibler einsetzbar sind und auch kleinere Locations bedienen können: „Zusätzlich passt die Musik zu sehr vielen unterschiedlichen Events wodurch sich viele Auftrittsmöglichkeiten ergeben“. So spielen 18Strings auf Literatur-Events genauso wie auf Rockfestivals, die Band Dawa spielt in diesem Jahr auf den Festivals On The Rocks und Picture On, war aber auch bei der „Bühnenzeitung“ im Odeon Theater in Wien in Gast.
Wenn jedoch Veranstalter, Radio und Presse zu sehr in Schubladen denken, kann der Crossover-Genre-Mix zum Nachteil geraten: „Höchstens die Radiosender tun sich teilweise etwas schwer damit, dass es kein klares Genre- und deshalb auch keine klare Zielgruppe gibt, auf die man unsere Musik ‚loslassen’ könnte“ sagt die Cellistin Laura Pudelek von Dawa.
Alles in allem ist so ein „Patchwork“-Modell also ein (Um-)Weg, der sich für alle Beteiligten lohnen kann.
Weitere Infos: http://www.arvenmusic.com, http://www.lingby.de/, https://www.facebook.com/18Strings, http://www.dawa-official.com
Fotonachweise: Titelbild + Lingby Live (www.lingby.de/Soulfoods), 18Strings (Nadine Rapczynski), DAWA (http://www.dawa-official.com/), Arven (http://www.arvenmusic.com).
Was meint Ihr zu dem Thema? Wie sind Eure Erfahrungen? Wir freuen uns über Euer Feedback unter ed.av1732118360idole1732118360m@kis1732118360um1732118360.
15.04.2014