Ina Marée im MELODIVA.de Club Concert
live am 23.09.2011 in Frankfurt
Wir hatten in Melodiva ja 2004 schon mal ein Interview mit Dir. Für die, die Dich noch nicht kennen: wie war Dein musikalischer Werdegang?
In den neunziger Jahren studierte ich Jazzgesang am Hilversums Conservatorium, damals war das „the place to be“ um Jazz in den Niederlanden zu studieren. Viele Musiker, die damals gleichzeitig mit mir studierten, wie Sjoerd Dijkhuizen, Roger Cicero und Ilja Reijngoud, haben sich später in der Musikwelt etabliert. Nach dieser tollen Zeit, einer Zeit von Jamsessions, Musik studieren und Gigs, habe ich in der Nähe von Amsterdam gewohnt und dort hauptsächlich als Dozentin und Sängerin gearbeitet. Ich habe an mehreren Musikschulen unterrichtet, zahlreiche Workshops gegeben – u.a. die Vokalgruppe auf der Hessischen Frauenmusikwoche 2004, der Anlass des letzten melodiva-Interviews – und bin mit mehreren Formationen aufgetreten. Mein Mann Chris Marée, der einige Jahre früher als ich am Konservatorium in Tilburg, Niederlande, klassische Gitarre studiert hat, und ich haben uns während meines Studiums kennengelernt. Zu der Zeit bewegte Chris sich, trotz klassischen Backgrounds, auch in der Hilversummer ‚Scene‘ und begleitete Jazz-Sängerinnen bei Abschlusskonzerten.
…und da liegt natürlich die Frage nahe, was ist Wichtiges seitdem passiert?
Nach dem Workshop der Hessischen Frauen Musikwoche 2004 habe ich auch weiterhin unterrichtet und bin aufgetreten. Ich war Mitglied eines Vokalensembles aus Amsterdam, „Voices“, einer Gruppe von drei Sängerinnen und einem Pianisten, alle Ex-Studenten des Hilversums Conservatoriums. Wir sangen Pop, Jazz, Close Harmony, Gospel und Klassik, machten eigene Arrangements, gewannen Preise bei Chorwettbewerben und hatten vor allem viel Spaß – aber auch alle jeweils viele eigene Projekte nebenher. So hatte ich mein eigenes Piano- und Gesangsprogramm, „gentle jazz“, mit dem ich immer öfter auftrat. In den Niederlanden spielte ich in Cafés, Hotels und kleinen Theatern und hatte auch mehrere längere Auslandsengagements, unter anderem 2006 in der Schweiz.
Ein weiteres Projekt ist die Musik , die Chris und ich gemeinsam machen, und unsere eigenen Kompositionen, von denen ein Song bereits 2001 in den Niederlanden veröffentlicht wurde. Auf unseren Konzerten spielen wir ein Programm mit einer Mischung aus Pop, Jazz, Klassik, Flamenco und südamerikanischer Volksmusik, letztere sind beispielsweise Stücke von Atahualpa Yupanqui oder Mercedes Sosa. Chris mit einem klassischen und ich mit einem Pop-Jazz-Hintergrund haben uns in vielen Stilen dazwischen getroffen und daraus wieder unsere eigene Mischung kreiert.
Fühlst Du Dich immer noch als „Sängerin aus tiefster Überzeugung“ und was bedeutet das für Dich? Eine innere Berufung oder wie würdest Du das ausdrücken?
Ja, auf jeden Fall. Musik erfüllt mich seit ich denken kann und Singen ist ein Teil von mir. Auch in Zeiten, in denen weniger los ist, tut sich qua Inspiration und Entwicklung viel, habe ich gemerkt, manchmal sogar genau dann noch mehr. Dinge brauchen oft Zeit, um sich zu setzen, in eine tiefere, unbewusstere Schicht abzusinken, und alles, was man tut und erlebt hat auch wieder Einfluss auf die Musik, auch wenn es auf den ersten Blick oft nicht so scheint.
Du bist von Holland wieder nach Deutschland gezogen, warum?
Wir hatten schon seit Jahren Lust auf eine Standortveränderung, nur wohin war nicht deutlich. Seit einigen Jahren war bei mir der Ehrgeiz erwacht, neben meiner Musiktätigkeit auch mein „altes“ Psychologie-Studium wieder aufzugreifen, ich bewarb mich an einigen Universitäten mit meinem Vordiplomsabschluss von damals und bekam schließlich die Chance, in Heidelberg als Quereinsteigerin direkt weiterzumachen. Da wir beide die Gegend rund um Heidelberg von früher her kennen und es uns sehr gut hier gefällt, war der Entschluss, die Chance zu nutzen und in den Niederlanden die Zelte abzubrechen, schnell gemacht.
Du lebst nicht in Frankfurt, sondern auf dem Lande, wo es sicher schwieriger ist, Kontakte zur Musikszene und -business zu halten, oder wie siehst Du das?
Ich wohne in der Nähe von Heidelberg. Baden Württemberg ist das am dichtesten besiedelte Bundesland Deutschlands. Schon aus meiner Studienzeit in Darmstadt her kann ich nicht bestätigen, dass es in kleineren Städten angeblich schwieriger sei, Kontakte zu halten oder herzustellen. Gerade da passiert kulturell und musikalisch unglaublich viel, auf verschiedensten Ebenen.
Was ist wichtiger für Dich, das Singen oder Stücke zu schreiben und zu komponieren?
Beides ist gleich wichtig. Beides hat viel miteinander zu tun, und der Kick, den es gibt, eigene Songs zu singen und zu spielen, bietet eine unglaubliche Motivationsfläche dafür, dass man dranbleibt.
Wie entsteht Deine Musik?
Aus Erlebtem. Wie ein Puzzle oder eine Collage ergeben verschiedene Ereignisse irgendwann einen Song.
Was oder wer inspiriert Dich dabei?
Meine Umgebung, das Leben, Erfahrungen, die Natur, Dinge über die man nachdenkt, Dinge, wie man sie sich wünscht, Dinge, wie sie sind und Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollten…
Ihr arbeitet gerade an einer neuen CD. Kannst Du uns darüber etwas erzählen?
Es geht uns vor allem um die Registrierung unserer eigenen Stücke. Es wird eine minimalistische Aufnahme, Gesang, Gitarre, Klavier und Perkussion. Einige Stücke sind neu, andere schon vor langer Zeit entworfen und später weiter entwickelt. Der Prozess hört nie auf. Einerseits sind wir schon seit Jahren vorbereitet, andererseits könnten wir immer noch warten und alles weiter perfektionieren, was verlockend und gefährlich zugleich ist. Wir wollen ehrlich aufnehmen, unseren Sound hören lassen, so wie wir auch auftreten.
Mit welchen Formationen trittst Du zur Zeit auf und wo bist Du unterwegs?
Ich trete jetzt im Duo auf, das ist meine feste Besetzung. Momentan konzentriere ich mich auch auf meine Aufnahmen. Die Suche nach einem, beziehungsweise das Finden eines passenden Studios war uns natürlich sehr wichtig und dafür haben wir uns die nötige Zeit genommen. Die CD-Präsentation wird dann entweder im Spätherbst oder im Frühjahr 2012 stattfinden, Infos hierzu findet ihr auf der Homepage (www.inamaree.com).
Was ich sehr spannend in dem alten Interview finde: Du bist damals in Darmstadt viel auf Sessions gegangen, was ich bemerkenswert finde, weil viele Musikerinnen sich das gar nicht zutrauen. Was würdest Du jungen Musikerinnen raten?
Stimmt, ich war oft auf Sessions in Darmstadt, Heidelberg, Frankfurt und später in Hilversum und Amsterdam. Ich würde jungen Musikerinnen raten, das Gleiche zu tun: viel auf Sessions zu gehen, um die Kommunikation in einer Band zu lernen, Improvisationsgeschick – nicht nur in musikalischer Hinsicht – zu entwickeln, viele Standards kennen zu lernen und natürlich auch wichtige Kontakte zu knüpfen.
Was ist das Wichtigste, um sich als Profimusikerin zu etablieren und durchzusetzen?
Schwierige Frage. Das ist so vielschichtig und individuell. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig es ist, seinen Unterhalt als Musikerin zu verdienen. Wichtig sind jedoch, denke ich, immer noch Talent, Geduld, Glück, Vertrauen in das eigene Können, Kontakte, gute Mitstreiter, gutes Material, gute Aufnahmen, Überzeugungskraft, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein – um nur einiges ‚Wichtigstes‘ zu nennen. Es mag banal klingen, aber mein Rat ist: vertraue immer auf deine eigene Intuition, egal, was andere sagen. Dein eigenes Gefühl ist am wichtigsten, auch wenn es scheinbar, oder in den Augen anderer, allem Gängigen und Logischen widerspricht. Oft erweist sich ein Schritt in eine augenscheinlich abweichende Richtung als genau der richtige.
Wie sehen Deine nächsten Pläne aus?
Wie schon erwähnt steht die CD-Aufnahme an, danach Auftritte in Frankfurt, Mannheim, Heidelberg und Umgebung. Sobald neue Termine bekannt sind, werden diese auf der Homepage veröffentlicht. Ich freue mich auf den Auftritt in meiner Geburtsstadt Frankfurt, auf die Reaktionen und hoffe, dass viele interessierte ZuhörerInnen dort sein werden!
Fr. 23. September 2011, Stadtbücherei Frankfurt, 20 h (bitte pünktlich kommen)
www.stadtbücherei-frankfurt.de, Abendkasse 6 Euro
Autorin: Hildegard Bernasconi
04.09.2011