„Ich tu es für mich“

Interview mit der Rapperin Scapsis

Die gebürtige Griechin Sofia Eleftheriadou geht als Rapperin Scapsis an den Start. Gerade hat sie mit „Narbe im Gesicht“ ihre erste Single veröffentlicht, eine EP soll folgen. Die MELODITA-Nachwuchsredakteurin Jasmin Grohmann hat ihr einige Fragen gestellt.

In ihrem ersten Song „Narbe im Gesicht“ verarbeitet sie den Verlust ihres Vaters in eindrucksvollen Zeilen. Ihre Musik macht sie in erster Linie für sich selbst – aber auch, um junge Frauen positiv zu inspirieren und zu ermutigen, sich selbst zu verwirklichen – in einer Männerdomäne wie dem Rap, in dem es scheinbar vor allem um Beef, Drogen und Gewalt geht.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Rapperin zu werden?
Ich hatte nie wirklich die Idee Rapperin zu werden. Ich habe allerdings schon in meiner Kindheit bemerkt, dass die Musik mich begleitet und mit den Jahren ein Teil von mir wurde. Dank meiner Geschwister waren um mich rum ständig Doro, Motörhead, Wham, Michael Jackson oder auch die Onkelz und Mariah Carey zu hören. Ich bin mit einem wahnsinnigen Mix groß geworden. Und als in den 90ern Take That plötzlich in mein Leben traten, ja, da hatte ich den Wunsch, irgendwann mal in einer Boygroup zu landen, so unmöglich es auch war! Aber Rapperin, das kannte ich noch nicht. Der Rap hat mich so richtig im Jugendalter erwischt. Kool Savas, die Massiven Töne, Beginner, Tic Tac Toe, Sabrina Setlur, das waren die Interpreten, die mir gezeigt haben, auch mit der deutschen Sprache und guten Beats kann man sich mitteilen. Also fing ich an zu texten, verliebte mich in das Schreiben und blieb auf dem Boden der Tatsachen, denn wer wartet schon auf die rappende Sofia aus Heinsberg? Da musste also ein „normaler“ Beruf her und ich wollte ursprünglich Journalistin werden.

Hattest du bestimmte Rap-Vorbilder und wenn ja, welche? Waren auch Frauen dabei?
Definitiv waren da Frauen vertreten. Mich haben TTT und Schwester S total fasziniert. Wahrscheinlich, weil mir in meiner Jugend der Mund so gewachsen war wie diesen Mädels. Ich hab die gefeiert bis zum Gehtnichtmehr! Natürlich durften das Britney-Poster und die Spice Girls an meiner Wand nicht fehlen. Ich fand es verdammt gut, dass es auf einmal so viele weibliche Interpreten gab und spielte gelegentlich mit dem Gedanken, eventuell in ferner Zukunft selber mal zu versuchen, wie weit ich es mit der Musik bringen könnte. Dass dieser Zeitpunkt jetzt erst eintrifft, so nebenbei, das ist wohl Schicksal.

Hast du jetzt immer noch die gleichen Vorbilder oder hat sich dein Musikgeschmack im Laufe der Zeit verändert?
Das, was die o.g. Künstlerinnen in den 90ern erreicht haben, davor habe ich noch heute Respekt. Und manche Songs höre ich noch heute, da muss ich nicht extra auf eine 90er Party, die starte ich dann alleine im Auto oder in der Bahn, wenn mir danach ist.

Was fasziniert dich am Rap bzw. am Rappen besonders?
Ich habe den Rap/Sprechgesang als eine eigene Ausdruckform entdeckt, mit der ich mich mitteilen kann und bestimmte Momente für mich persönlich festhalte und verarbeite.

Du schreibst deine Texte auf Deutsch – sehr mutig, wenn man bedenkt, wie oft Texte heute immer noch auf Englisch geschrieben werden und nicht in der eigenen Sprache. Gibt es dafür einen Grund?
Ich liebe es, mich mit der Sprache auszudrücken, in der ich mich sicher fühle und die ich zu 1000% beherrsche. Ich hatte angefangen in englischer Sprache Musiktexte zu schreiben, war aber oft verunsichert, es war nicht authentisch genug für mich. Als ich in deutscher Sprache Texte verfasste, war es angenehmer und das Mitteilen verlief viel besser. Ich hatte ja nie das Ziel, dass andere das gut finden, was ich mache. Ich tat es für mich. Bis heute. Von daher habe ich mir auch keine Gedanken darüber gemacht, ob man meine Texte lieber auf Englisch hören möchte. Ich bin überrascht und dankbar, dass die überhaupt gehört werden.

Hast du das Gefühl, du kannst mit Rap deine Gefühle besser ausdrücken als mit einem „normalen“ Song?
Ein „normaler“ Song… ähm, also ich weiß ich kann es auch ohne Rap, aber ja es klappt einfach besser rappenderweise. Warum auch immer.

Dein Song „Narbe im Gesicht“ hat mich sehr berührt. Es hat ja den Verlust deines Vaters zum Thema; hat dir das Schreiben darüber geholfen, die Trauer besser zu verarbeiten?
Um ganz ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Denn ich weiß ja nicht, wie es mir gegangen wäre, wenn ich den Track nicht geschrieben hätte. Ich hatte das Bedürfnis, meinen Vater noch über seinen Tod hinaus zu ehren. Und ich dachte mir, dieser Schritt wäre gleichzeitig eine gute Art der Trauerbewältigung. Vielleicht hat es mir geholfen. Vielleicht habe ich mir aber auch mit jeder Zeile, die ich verfasste, Salz in die Wunde gestreut. Vielleicht hätte ich ohne den Song weniger oder mehr oder einen anderen Schmerz gespürt. Vielleicht wäre ich aber ohne dieses Geschenk an meinen Vater noch immer gefangen in meiner Trauerwelt. Ich sag es mal so, ich habe ihn geschrieben und bin wahnsinnig glücklich, dass mein Papa ihn hört und mit sehr gut bewertet hat.

Du möchtest junge Mädchen inspirieren, sich dem Rap zuzuwenden. Was sind deiner Meinung nach die Gründe dafür, dass sie sich nicht trauen, sich in diesem Genre zu verwirklichen?
Ich hoffe, ich liege total falsch mit der Vermutung, dass sich Mädels nicht trauen zu rappen, weil es eher als Männerdomäne gesehen wird und die Mädels rappen sich demnächst in Massen in die Charts. Ich würde das feiern, denn ich glaube wirklich, da draußen sind eine Menge junger Frauen, die das Zeug haben, sich in der Form mitzuteilen, wie es auch Kayone, MoTrip oder auch PA Sports machen. Ob das Talent, der Flow, der Inhalt etc. für das Publikum genauso gut ist, das weiß man erst dann, wenn man es versucht. Aber vielleicht sollte man es in erster Linie für sich tun. So ist es zumindest bei mir. Ich glaube auch, dass die Jungs die Letzten sind, die Mädels aus diesem Genre drängen möchten, sondern eher unterstützen würden. Damals mit Deichkind und Nina, also sowas ist geil. Musik darf verbinden.

Wie wirst du von anderen RapperInnen wahrgenommen? Welche Reaktionen gibt es auf deine Musik?
Nun, ich habe bisher erst einen Track veröffentlicht und die Leute schreiben mir verdammt positive Kritik. Ob darunter auch andere Rapperinnen vertreten sind, weiß ich momentan nicht, aber andere Rapper und Rocker sind viele vertreten. Die verschiedensten Menschen aus verschiedenen Bereichen schätzen und respektieren meine Arbeit, meine Zeit, meine Leidenschaft und meine Gefühle. Dafür danke ich auch jedem Einzelnen.

Du arbeitest momentan an deiner ersten EP – möchtest du uns einen kleinen Einblick geben, um welche Themen sich deine nächsten Songs drehen werden?
Es geht bei mir generell um Gefühle, Emotionen. Es geht um Freundschaften und die Liebe. Es sind so kleine Geschichten, finde ich. Aber natürlich stelle ich mich auch ein wenig vor und ehre die 90er…

Mit was für einem Gefühl blickst du auf deine Zukunft als Rapperin und was möchtest du in diesem Feld noch erreichen? Welche Pläne hast du?
Ich muss gestehen, dass ich mir keine Pläne oder weitere Gedanken gemacht habe. Jetzt merke ich so langsam, vielleicht sollte ich das. Letztendlich will und werde ich Musik machen. Für mich und jeden, der sich mit meinen Tracks angesprochen fühlt. Jeder, der daran teilhaben möchte, darf sich meine Single, mein Album kaufen. Mich auf Facebook liken, teilen, was auch immer. Meine Videos auf Youtube schauen und mich hier und da mal live besuchen. Ich mache Musik, weil es mich erfüllt und ein Teil von mir ist.

Hier geht es zum Video „Narbe im Gesicht“: https://www.youtube.com/watch?v=HEJ36GpzfwY

Scapsis beim Label BadAudioBasement: https://www.badaudiobasement.com/sound-of/scapsis/

https://www.facebook.com/Scapsismusik/

12.09.2016