„Hey Ladies – Being A Woman Musician Today“ # 2: On Stage

Eine Umfrage unter 700 internationalen Musikerinnen

Wir setzen unseren Bericht über die US-Umfrage unter Musikerinnen fort, diesmal geht es um Musikerinnen „On Stage“.

PUBLIKUM – VERANSTALTER – TECHNIKER

„Es gibt keinen Unterschied. Ich gehe raus und spiele Musik und rocke. Die Leute mögen es, ich werde am Ende der Nacht bezahlt, gehe in die nächste Stadt, schreibe Songs, nehme Platten auf, veröffentliche sie. Es ist in dieser Hinsicht genau das gleiche. Der Unterschied ist, wie mich andere als Musikerin wahrnehmen.“ Jessi Darlin

Der Umstand, dass es nach wie vor wenige Instrumentalistinnen auf den Bühnen der Welt gibt, bringt eine Reihe von vorgefertigten Meinungen, Vor- und Nachteilen mit sich, mit denen Frauen auf der Bühne konfrontiert werden. Zuerst einmal wird automatisch davon ausgegangen, dass Frauen auf der Bühne singen und nicht ein Instrument spielen. „Du musst dich immer beweisen und wirst, wenn du sagst, dass du Musikerin bist, meist gefragt, ob du singst“ (Claire Cooper)
Andererseits erfahren Sängerinnen per se eher weniger Anerkennung: Anna Rose sagt, dass ihr die Tatsache, dass sie Gitarre spielt, ein gewisses Level an Respekt beschert, das sie sonst nicht bekommen würde. Auch die Sängerin und Cellistin Vetza erlebt, dass sie als Instrumentalistin eher ernst genommen wird, denn als Sängerin: „Ich habe eine seriöse klassische und eine Ausbildung im Jazz in beidem, aber Glaubwürdigkeit bekomme ich, weil ich ein Instrument spiele„.

Frauen an den Instrumenten fallen eher auf, d.h. sie sind etwas Besonderes, ernten aber dafür meist fragwürdiges Lob: Elizabeth Elkins hört oft, dass sie „nicht wie ein Mädchen“ oder „ziemlich gut für ein Mädchen“ Gitarre spielt. Die Punkrock-Drummerin Corrie Harrigan erlebt immer wieder, dass erstaunte Zuschauer ihr nach einem Konzert das fragwürdige Kompliment machen, sie sei ja „wirklich eine gute Drummerin“; zu Männern würde das keiner sagen: „Bei Männern nimmt man an, dass sie wahrscheinlich gut an ihren Instrumenten sind, wenn sie auf der Bühne stehen. Wenn sie erfahrene Musiker sind, denkt keiner darüber nach, denn das ist der Status Quo. Aber wenn Mädchen auf die Bühne gehen und spielen können, und zwar nicht in einer herkömmlichen Art und Weise, ist es immer super überraschend…“ Oder wie die Gitarristin Angie Lynch es ausdrückt: „Die Leute tun so, als hätten sie gerade einen Fisch auf einem Fahrrad gesehen, wenn sie sehen, dass ich wirklich ziemlich gut Gitarre spiele„.

Liz Hysen hat die Erfahrung gemacht, dass man von ihr nicht erwartet, dass sie ihre Musik auch wirklich selbst geschrieben hat, weil diese die gängigen Erwartungen nicht erfüllt: von Songwriterinnen oder Komponistinnen würde in der Regel erwartet, dass sie autobiografisch oder „bekennend“ schrieben und in einer bestimmten Art und Weise sängen. Wenn eine Frau sich hingegen auf die Arrangements konzentriere, gelte sie gleich als „experimentell“. Gleichzeitig wäre ein Mann, der ihre Art von Musik mache, ungleich erfolgreicher damit als sie, da diese Musik bei einem Mann eher akzeptiert würde und nicht als so bedrohlich empfunden würde.

Während also Musiker oft einen Vertrauensvorschuss erhalten, müssen Musikerinnen mit dem Vorurteil kämpfen, sie wären nicht kompetent. Gwyneth Moreland z.B. wird im Gegensatz zu den männlichen Mitgliedern ihrer Band nach Konzerten von Leuten aus dem Publikum mit guten „Ratschlägen“ und „konstruktiver Kritik“ bedacht. Das gipfelte in dem Satz eines „Fans“:„Mir hat ein Fan einmal gesagt, ihm hätte die Show wirklich noch besser gefallen, wenn ich ein bisschen getanzt hätte. Ich sagte ihm >Ich bin eine Musikerin, keine Tänzerin<„. Dana Falconberry erlebt mit ihrem all-female Trio oft, dass sie vor ihrem Auftritt in den Bars, in denen sie auftreten, „wie lästige kleine Kinder“ und erst nach dem Konzert respektvoller behandelt werden.

Those Darlins

Die Musikerin Jessi Darlin sagt, dass die ZuhörerInnen immer erst ihr Geschlecht wahrnähmen, bevor sie ihre Songs bemerkten und wie oder was sie spiele. Das Publikum schaue nicht auf eine all-male Band und sage „Wow, alles Männer!“ Es sage nicht zu einem Musiker: „Als Du auf die Bühne gegangen bist, dachte ich >wow, eine Band mit lauter Kerlen, was DIE wohl machen?< Aber dann konntet ihr Leute ja WIRKLICH spielen!

Viele Musikerinnen wie Alanna Meltzer berichten, dass sie bei Technik und Gagenverhandlungen nicht ernst genommen werden: „…obwohl ich 50% der Band bin, wird ein Clubbesitzer an mir vorbeigehen und die Gage Eddie geben am Ende der Nacht. Oder der Soundtechniker wird an mir vorbeischauen und Eddie fragen, was wir brauchen. Ich hatte sogar schon Techniker, die Eddie Fragen zu MEINER Ausrüstung stellten!Julia Cafritz erlebt immer wieder, dass Techniker den Sound der Musikerinnen leiser drehen, was bei all-female Bands besonders passiert.

MITMUSIKERiNNEN

„Im Grunde genommen sind Musiker, männliche und weibliche, wie eine Art Club, wenn du erst einmal ein Teil davon bist, hörst du auf, dich darum zu kümmern, wer ein Mädchen und wer ein Junge ist.“ Lily Chapin

Wer sich von den Vorurteilen nicht abschrecken lässt und unbeirrt an ihrem Instrument übt und sich bis zu einem gewissen Level entwickelt, hat gute Chancen, diese negativen Vorstellungen abzuschütteln und in den „MusikerInnen-Olymp“ aufzusteigen. Denn das Geschlecht scheint nur solange ausschlaggebend zu sein, „bis Du so gut bist, dass die anderen MusikerInnen Dir Respekt zollen“ (Holli Ross). Auch die Bassistin und Sängerin Shonna Tucker berichtet, dass sie, nachdem sie sich den Respekt ihrer Mitmusiker erspielt hatte, eine „Tonne Unterstützung“ bekam und dass es eben nicht entscheidend sei, ob Du eine Frau oder ein Mann, Kind oder Erwachsener bist und welche Hautfarbe Du hast, da Musik die universelle Sprache sei. „Im Grunde ist es so: wenn du gut bist, bist du gut und MusikerInnen würdigen das. Sie wollen das Beste für die Musik – egal, welches Geschlecht du hast„, findet auch Nicole Pasternak. Oder wie es Esme Patterson ausdrückt: „Wenn du gute Musik machst, dann war’s das, es macht keinen Unterschied, ob du ein Lama oder ein Schuhlöffel oder eine Frau oder ein Mann vom Jupiter bist. Die Songs sollten lauter sprechen als die Person, die sie singt„.

OUTFIT

„Männer auf der anderen Seite: ich bin immer erstaunt, wie zerlumpt ein männlicher Sänger aussehen darf. Viele sehen heute aus, als wären sie gerade aus dem Bett gekrochen und die Industrie blinzelt nicht einmal. Es ist frustrierend für mich, dass ich, wenn ich für eine Show gebucht und wirklich akzeptiert werden will, meine besten Fotos mitschicken muss. Ich spiele die Rolle, die ich nicht spielen will, aber es geht mir immer um die Musik.“ Jenn Cristy

Jenn Cristy

Anna Rose bemängelt, dass das Publikum anscheinend mehr darauf achtet, wie sie aussieht, ihr Haar trägt und welches Makeup, als wie sie ihr Instrument beherrscht oder ihre Songs schreibt. Jenn Cristy stellt fest, dass Frauen in einer von der Industrie festgelegten Art und Weise aussehen und sich benehmen müssen, um erfolgreich zu sein und nicht unattraktiv oder dick sein dürfen – was für Männer nicht gilt. Deborah Karpel fühlt sich als Sängerin oft den Projektionen des Publikums ausgesetzt: „Sie wollen Schönheit und Anmut oder einen Grund, warum du das alles nicht bist„.

Annie Palmer findet, dass Frauen immer noch mehr als dekoratives Element in eine Band aufgenommen werden, als als Musikerin, die einen substantiellen Beitrag leistet. Auch Angie Lynch ist eine gefragte Musikerin, nicht, weil sie gut Gitarre spielt – was sie tut – sondern weil es ein positiver Marketing-Schachzug ist, ein „chick in the band“ zu haben.

Olof Arnalds hat bei sich festgestellt, dass sie Musikerinnen in einer gemischten Band oft auf den ersten Blick wie „Quotenfrauen“, wie die Glasur auf einem Kuchen wahrnimmt, aber wenn sie genauer hinhört, sich die Musikerinnen als die eigentlichen Architektinnen des Gefühls und der Stimmung, die präsentiert wird, erweisen.

Kelly Irene Corson ist Gitarristin und musste sich Bemerkungen wie „Mädchen können nicht richtig rocken“ anhören, dass sie die Gitarre wie eine „chick“ halte und dass sie gefälligst ihre „Titten zeigen“ solle. Drummerin Kate Levitt hat die Erfahrung gemacht, dass sie auf der Bühne große Aufmerksamkeit erregt, obwohl sie sich nie sexy kleidet, einfach, weil sie „physisch arbeitet“ und das gerade in heißen Festivalnächten oft schweißtreibend ist. So wurde sie einmal von einem Kameramann regelrecht verfolgt, der immer wieder von unten auf ihre Brüste filmte!
Die Bassistin Melissa Beattie postuliert, dass sie, so lange sie noch „nicht richtig, richtig gut“ ist, keine Röcke oder Kleider auf der Bühne trägt, damit sie nicht als „Augenweide“ oder Sexobjekt wahrgenommen wird, während sie spielt. Sie möchte nicht, dass die ZuschauerInnen denken, dass sie aufreizende Kleider als Masche trägt, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Auch die Multiinstrumentalistin Betse Ellis findet sich oft als einzige Musikerin auf der Bühne wieder. Sie postuliert, dass Musik eigentlich normale Ideale transzendieren und nicht den eingängigen Klischees gehorchen sollte, das Aussehen der MusikerInnen also eigentlich zweitrangig sein sollte, was es leider nicht sei.

NISCHE ODER NEGATIV-IMAGE

„At the end of the day, getting the gig and performing as well as I can is all I really care about.“ Cariad Harmon

Kristy Osmunson, Foto: A. Ross Thomas

Im Grund möchte jede Musikerin in erster Linie als solche wahrgenommen und respektiert werden. Die Wege dorthin sind verschieden: die eine bewegt sich in „Nischen“, z.B. in der Frauenmusikszene, um die nötige Selbstsicherheit zu sammeln und sich quasi in Ruhe zu entwickeln. Die andere will gerade das nicht wie z.B. Kate Levitt: Sie ist sehr strikt in ihrem Selbstbild, da sie zuerst als Schlagzeugerin wahrgenommen werden möchte und nicht zu allererst als Frau. Dafür lehnt sie z.B. Interviewanfragen von Frauenmagazinen oder solche, die sich speziell weiblichen Schlagzeugerinnen widmen, strikt ab.
Die Musikerin Emily Neveu hat bemerkt, dass Bands mit Musikerinnen gern für Konzerte zusammengemischt werden, egal, welchen Musikstil sie pflegen. Auch sie möchte vermeiden, zu einer Art „Frauen-Ereignis“ zu werden und will nur durch ihre Musik überzeugen, und lässt sich für solche „Women’s Nights“ nicht buchen.

Es gibt also noch viel zu tun! Oder um es mit Kristy Osmunson’s Worten zu sagen:
Wenn ich jemals eine Tochter haben werde, möchte ich in der Lage sein sie anzuschauen und zu sagen, >Baby girl, NATÜRLICH kannst du ein Rockstar und eine Gitarristin werden! Schau dir doch mal all diese Mädchen an, die es schon sind… und ich war eine von ihnen“.

• Wer die Antworten dieser Kategorie en detail nachlesen möchte: http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=128528341.
• Hier sind die kompletten Antworten inform von Künstlerinnen-Portraits inklusive Myspace-Link von A-Z zu lesen: http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=128517091.
• Und hier wurden sie nach Themen wie „On Stage“, „Decisions“ oder „She’s got the Look“ sortiert: http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=128564299.

„Hey Ladies“ ist ein weiterführendes Multi-Plattform Projekt; einige Antworten wurden aufgegriffen und in Radio-Beiträgen näher beleuchtet, wie z.B. die Frage nach Idolen, die Relevanz von Lilith Fair, eine Diskussion über Frauen im männlich dominierten Musikbusiness zwischen der Singer-/Songwriterin Suzanne Vega und der Rapperin Bahamadia oder der neusten Story zum Thema „Pop Stars Vs. Role Models“: Taugen die heutigen weiblichen Popstars als Vorbilder für die Mädchen von heute? (hey-ladies—-where-have-all-the-icons-gone)
Wenn Ihr eine Idee für eine Story habt bzw. die Antworten Euch zu einer Idee inspirieren oder ihr noch an der Umfrage teilnehmen wollt, könnt Ihr eine Mail an gro.r1732609456pn@se1732609456idaly1732609456eh1732609456 senden.

Titelfoto: Esperanza Spalding, Foto: Koch

Autorin: Mane Stelzer

14.12.2010