Geballte Frauenpower bei der 27. Jazz Rally in Düsseldorf

mit Lakecia Benjamin, Lines For Ladies u.v.a.

Zum 27. Mal fand am Pfingstwochenende die Jazz Rally Düsseldorf statt. Das Festival, das 1993 ins Leben gerufen wurde, zählt als größte seiner Art in Deutschland. An drei Tagen wird Livemusik auf mehreren Bühnen in der City geboten. In diesem Jahr waren es über 80 Konzerte an über 30 Spielstätten.

Das Jazzfestival lockte am vergangenen Wochenende wieder an die 300.000 Besucher in die Rheinstadt – wobei der Begriff „Jazz“ in den letzten Jahren immer weiter gefasst wurde, so dass eingefleischte Jazzfans sich manchmal fragen, ob der Name des Festivals noch zum Ereignis passt. Diese genreübergreifende Auffassung des Jazzbegriffs ermöglicht jedoch das Auftreten von KünstlerInnen der unterschiedlichsten Musikrichtungen – von Dixie und Bebop über Soul, Blues, Funk und Reggae bis hin zu Hip-Hop oder Elektrosound ist genremäßig fast alles dabei. Das sorgt natürlich dafür, dass der Musikgeschmack von sehr vielen Menschen gedeckt wird und erklärt die Beliebtheit des Festivals.

Die Jazz Rally funktioniert so: Mit dem Kauf eines Festival Buttons für 32.- € hat man an allen drei Tagen Eintritt zu allen Konzerten. Sonderkonzerte (die leider in den letzten Jahren zugenommen haben) kosten noch mal extra. Wer nur an einem Tag musikalisch unterwegs ist, kann auch ein Tagesticket für 24.- € erwerben.
Besonders positiv ist mir in diesem Jahr aufgefallen, dass sehr viele Musikerinnen dabei waren. Angefangen mit dem Eröffnungskonzert auf der Hauptbühne im großen Zelt, wo nur Hauptacts auftreten, bis hin zu den vielen kleineren Locations – überall sah und vor allem hörte man mehr Musikerinnen als in den vergangenen Jahren. Wenn das ein neuer Trend ist, dann ist er sehr zu begrüßen!

Am Freitagabend eröffnete die Saxofonistin Lakecia Benjamin die Hauptbühne des Festivalzelts. Mit ihrer Band „Soul Squad“ gab sie eine schweißtreibende Performance, während der sie immer wieder vom Instrument zum Gesang wechselte und ich mich als Besucherin manchmal fragte, woher sie nach einer explosiven Saxeinlage noch die Puste zum Singen nahm. Keine Frage, die zierliche Frau, die für die Musik bei Barack Obamas Amtseinführung im Weißen Haus sorgte, beherrscht ihr Saxofon virtuos. In der ersten Konzerthälfte ging die Musik für meinen Geschmack jedoch zu sehr ins „Hip-Hoppige“, so dass ich nicht bis zum Schluss dabei war. Das kann man sich bei der Jazz Rally sowieso kaum leisten, denn es passiert so vieles gleichzeitig oder zeitversetzt, dass man von einem Ort zum anderen hetzt und viel Zeit mit Schlangenstehen verbringt.

Zum Glück kam ich jedoch noch rechtzeitig in den wunderschönen Innenhof des Maxhauses (eine der schönsten Konzertlocations des Festivals), um eines meiner persönlichen Festival-Highlights zu erleben: Lines for Ladies. Angekündigt war auch Sheila Jordan, die dann doch nicht dabei sein konnte. Aber auch ohne die Achtundachtzigjährige war das Konzert ein wunderschönes Ereignis. Sabine Kühlich am Saxophon, Kristin Korb am Kontrabass, Laia Genc am Klavier und Sängerin Anne Czichowsky boten mit einem Programm aus Standards und Eigenkompositionen einen herrlichen Abend. Später am Abend stellte die Hamburger Sängerin Miu ihr neues Album „Watercoloured Borderlines“ mit einem Konzert vor.

Welche Frauen noch dabei waren…
Das Tamara Lukasheva Quartett spielte Kompositionen der Musikerin, die gerne folkloristische Elemente aus ihrer ukrainischen Heimat mit Klassik und Modern Jazz-Elementen verbindet. Malia, 2013 mit dem ECHO Jazz als „Internationale Sängerin des Jahres‘‘ ausgezeichnet, gab am Pfingstsonntag ein Konzert zusammen mit dem Trompeter und fünffachen JazzAward-Preisträger und Gewinner des ECHO Jazz, Joo Kraus. Da hier ein echtes Jazz-Highlight zu erwarten war, war der Andrang entsprechend groß. Lange vor Konzertbeginn war der Saal schon so überfüllt, dass keine Besucher mehr hinein gelassen wurden. Auch ich kam leider nicht mehr hinein.

Davor war Marialy Pacheco, die erste Frau, die den Montreux Solo Piano Competition gewonnen hat, aufgetreten, und hatte im Duett mit Jorge Pacheco ein beeindruckendes Klavierkonzert gegeben. Anikó Kanthak & Band spielten am Samstag für betuchtere Besucher auf. Wer sie hören wollte, musste zusätzlich zum Festival-Button oder Tagesticket ein Essen im Restaurant Sansibar im Nobelkaufhaus Breuninger reservieren. Ich war entsprechend nicht bei diesem Ereignis dabei. Natalia Klitschko wurde als Höhepunkt angekündigt. Wochen vor dem Festival hatte die Frau von Box-Star Vitali in einer Pressekonferenz auf ihre erste CD „Naked Souls“ aufmerksam gemacht, die sie nun in Düsseldorf vorstellte. Auch Nachwuchsmusikerinnen waren zu hören. So präsentierten die vier Jazz-Sängerinnen Of Cabbages and Kings von einem Klaviertrio begleitet ungewöhnliche Stimmakrobatik. Die Sängerinnen Veronika Morscher, Sabeth Pérez, Rebekka Ziegler und Laura Totenhagen sind auch Gewinnerinnen des 3. Sparda Nachwuchs Jazz Awards.

Mit einer Dreiviertelstunde Verspätung trat Meret Becker am Sonntagabend auf und spielte Stücke von ihrem neuen Album „Deins & Done“. Die Schauspielerin bot unter dem Gewölbedach des opulenten Rheingoldsaals in den Düsseldorfer Rheinterassen eine schräge Performance, bei der sie abwechselnd auf der Gitarre, einem Harmonium und auf einer Säge spielte und mit ihren witzigen Ansprachen fast so viel Zeit beanspruchte wie mit ihren nicht minder witzigen Songs über Cowboys, Esel und Falten im Gesicht. Jazz? Nun, bei der Jazz Rally geht, wie eingangs schon erwähnt, so ziemlich alles. Einzigartig war Meret Beckers Performance allemal.
Zeitgleich trat die schwedische Jazz-Sängerin Viktoria Tolstoy als Special Guest des Wolfgang Haffner Allstar Quartetts auf.

Besonders schön an der Jazz Rally sind neben dem breitgefächerten Musikangebot die vielen Open-Air Konzerte, die man auch ohne Karte besuchen kann. Bei schönem Wetter machen diese Konzerte sogar manchmal mehr Spaß als Performances in überfüllten Sälen oder im überhitzen Konzertzelt. Ein solches „frei und draußen“-Konzert spielten die vier Damen von Brassappeal. Mit Klassikern wie „I Feel Good“ über das Miss Marple-Theme bis zum Pippi Langstrumpf-Lied heizten die Berlinerinnen der Mobile Marching Band am trübherbstlichen Samstag mit ihrem sehr humorvollen Programm so richtig die Stimmung ein. Am Sonntag sorgte die Band Pimpy Panda mit der Sängerin Alana Alexander auf dem Marktplatz ebenfalls für beste Stimmung. Da die Band überwiegend mitreißende Coversongs spielte, wurde einem vom Tanzen warm.

Zur Jazz Rally gehören auch immer Auftritte von Düsseldorfer Lokalgrößen. Von Frauenseite waren das die Sängerin Carmen Brown (Soul&Funk) und das Barbara Oxenfort Quartett (Vocal Jazz Standards). Neben all diesen Frauen waren weitere Frauen zu hören, die in den größeren Formationen und Big Bands spielten wie etwa in der Big Band der Clara Schumann Musikschule, dem Jazz Ensemble der Universität von Süd-Florida und der Bednarska Super-Band aus Warschau.

Die nächste Jazz Rally findet vom 2. bis zum 4. Juni 2017 statt.

(Fotos: Lakecia Benjamin/A.Korff, Meret Becker/Rolf Purpar)

http://www.duesseldorfer-jazzrally.de
Autorin: Tina Adomako

21.05.2016