Gabriele Hasler

... das Sandkorn, das zur Perle wird

Wer an Musikerinnen in Deutschland denkt, darf natürlich eine nicht vergessen:
Gabriele Hasler, Sängerin, Texterin, Komponistin, Label-Eignerin

… und noch vieles mehr. Seit mehr als 20 Jahren ist die zweifache Mutter professionelle Musikerin und lebt von Konzerten (!).Gabriele Hasler tauchte Mitte der 80er Jahre mit einer sehr unorthodoxen Einstellung zum Jazzgesang auf. Nie war sie das, was einem zu 90 Prozent der Jazzsängerinnen einfällt: Interpretin schöner Melodien aus dem American Songbook. Sie schreibt ihre Musik selber, textet oder verwendet schwierige, sperrige Texte von u.a. Gertrude Stein und läßt sie zu schlüssiger Musik werden.

Ihr Duopartner des aktuellen Programms, der Saxophonist Roger Hanschel war neben seiner Arbeit mit der Kölner Saxophonmafia oder Triosphere auf der Suche nach einer gleichberechtigten Duostimme. Sein stimmlicher Approach, der jenseits von Licks und Pattern liegt, ergänzt sich mit Gabriele Haslers Ansatz, der auch weit von den Erwartungen an ‚Jazzgesang‘ führt. Zwei Altstimmen also, und erstaunlicherweise ist es egal, welchem Projekt der Sängerin und des Saxophonisten man sich zuwendet. Ob es die bizarren Klangcollegen des ‚Pigeon‘-Projekts oder die Liebeslieder des Renaissancekomponisten John Dowland sind: Hier ist Zusammenmusizieren in der kleinsten musikalischen Einheit auf höchstem Niveau zu erleben. Das haben auch andere erkannt, denn gerade erst wurde das Duo mit dem Ensemblepreis des nordrhein-westfälischen Jazzart-Wettbewerbs ausgezeichnet. Zeit, auf zehnjähriges Zusammenmusizieren zurückzuschauen.

Es wird gesäuselt, gedröhnt, geröhrt, geschmeichelt, geseufzt, gesungen und gespielt. Manchmal läßt sich gar nicht mehr klar ausmachen, wer denn nun für welches Geräusch verantwortlich ist. Letztendlich ist das auch nicht wichtig, denn wie sich in diesem Duo zwei Stimmen umschwärmen und verbinden, zeigt jedem Zuhörer, dass es möglich ist, zwei individuelle Stimmen zu einer einzigen verschmelzen zu lassen. Weil dieses Projekt zu gleichen Teilen aus Hanschel und Hasler besteht, kommen selbstverständlich beide zu Wort.

„…mit das Schwerste, das ich bis dahin gemacht hatte“

„Das Duo wurde 1994 von Roger Hanschel gegründet, damals fingen wir an, Aufnahmen für unsere erste CD „Go In Green“ zu machen. Ich habe mich über diese Herausforderung damals sehr gefreut, nur für Stimme und Saxophon zu schreiben. Wir waren zunächst unsicher, ob mit Text oder ohne, oder gar mit deutschen Texten. Dann bekam ich den Gertrude Stein – Gedichtband „Bee Time Vine“ mit deutschen Übersetzungen in die Hand.
Die Texte flossen im Original allerdings besser, jeder von uns komponierte nun nach den englischen Vorlagen, das lief sehr gut.
Das Singen mit nur einem anderen Melodieinstrument, zwei lineare Instrumente ohne Netz und doppelten Boden war allerdings mit das Schwerste, das ich bis dahin gemacht hatte. Nach den Aufnahmen für die CD ‚Go In Green‘ war der nächste große Schritt, das Projekt auch auf die Bühne zu bringen.“

Auf der Bühne ist das Musizieren zu zweit viel anstrengender als in einer Band. Immer ist man gefordert. „Das hat mich aber auch an der Duoarbeit und später bei meinen Soloprogrammen gereizt. Ich kann mich erinnern, dass Roger und ich am Ende unseres ersten Konzertes am Stock gegangen sind, so anstrengend hätten wir uns die Sache nicht vorgestellt. Aber man hat zu zweit einfach keine Pause…“

‚Go In Green‘ wird von ‚Pigeon‘ gefolgt, und die Arbeit im Duo hat verschiedenste Startpunkte zur Kreativität. Im Vorfeld der Aufnahmen wurde einige Tage im Studio improvisiert. Die verwendeten englischen Texte stammen diesmal alle von Gabriele Hasler, wurden teilweise ebenfalls improvisiert. Tragfähige Ideen wurden herausgefiltert und zu Stücken ausgearbeitet. Andere Kompositionen wurden fertig mitgebracht und mußten nur noch geprobt werden. Die dritte, neueste Herangehensweise arbeitet mit vorproduzierten Spuren. ‚Pigeon‘ wird live auch mit Loops auf die Bühne gebracht. „Ich arbeite seit etwa sechs Jahren begeistert mit Live-Loops, zunächst in meinen Soloprogrammen. Durch die Loops, die wir inzwischen beide verwenden, öffnen wir den musikalischen Raum, schaffen Ruhepunkte oder schaffen gemeinsam Soundscapes, zu denen wir dann frei hinzukommen können!

Klanglich kann das sowohl soghaft ostinat popmusikalisch werden („A Red Hat“) oder neutönerisch experimentell. („Sea“). ‚Sea‘ ist mein absolutes Lieblingstück der CD ‚Pigeon‘, da stapelt Roger Klangzeugs aus Spalttönen und ich improvisiere einen Text dazu. All diese Verfahrensweisen funktionieren gut, und irgendwie muß man ja das Sandkorn erstmal finden, an dem sich die Perle bilden kann.“
Die CD „Lovesongs“ mit und nach Stücken des Renaissancekomponisten John Dowland entstand im Mai 2003 und wurde in zwei Nachtsitzungen in der Lüneburger Nicolaikirche aufgenommen. Die improvisierten Teile arbeiten ebenfalls mit Dowlandmaterial und nähern sich der alten Musik behutsam mit zeitgenössischem Gestus. „Wir stehen sehr auf Renaissancemusik und hatten erst mal nur zwei oder drei Stücke aus dem Lautensatz heraus arrangiert. Dowland zweistimmig und in dieser Instrumentierung gibt es nicht. Wir haben bewusst darauf verzichtet, vorher klassische Aufnahmen oder das Dowland-Projekt um den Hilliard EnsembleTenor Potter zu hören, um unseren eigene freie Herangehensweise zu erhalten. Ich singe Dowland weder klassisch, noch jazzig. Ich singe diese wunderbaren Lieder so, wie ich sie höre. Für viele Leute ist dieses Programm leichter zu genießen als ‚Pigeon‘. Momentan laufen beide Projekte parallel.“

Fragt man Gabriele Hasler nach ihrer langen Erfahrung als deutsche Vokalistin (da der Begriff Jazzsängerin doch eher irreführend ist), resümiert sie ihre verschiedensten Projekte: „Einige Einzelentscheidungen hätte ich im Rückblick vielleicht anders getroffen. Das eigene Label Anfang der 80er Jahre zu gründen, war sicher richtig, aber ich hatte zu der Zeit auch Anfragen von anderen Labels, z.B. von Mood Records und natürlich frage ich mich manchmal, wie meine musikalische Laufbahn dann verlaufen wäre. So war ich eine der ersten mit eigenem Label – aus Sturheit und Stolz. Die ersten Projekte wie ‚God Is A She‘ oder ‚Crazy‘ liefen für eine deutsche Produktion sehr gut. Aber die 80er Jahre waren auch die fetten Jahre. Es gab wenig Konkurrenz auf meinem Gebiet und es gab Gagen, von denen man heute träumen kann. Die 90er Jahre brachten unter anderem durch die vielen Jazzstudiengänge mehr Konkurrenz, das Songjazzrevival und meine Annäherung an die zeitgenössische Musik. Dadurch habe ich Publikum verloren – und neues gewonnen.“

Pläne gibt es zuhauf

– das Duo möchte sich mit dem New Yorker Cellisten Tomas Ulrich zum Trio erweitern, das Dowland Projekt wird mit Chor arbeiten, der saarländische Posaunist und Arrangeur Christoph Thewes schreibt nach Haslerschen Kompositionen der letzten zehn Jahre ein Programm für zehnköpfiges Ensemble: „Gabriele Haslers Relevant News“. Und das Duo bewegt sich wieder weiter in andere Richtungen. Man darf gespannt sein.

Vertrieb von „foolish music“, Gabriele Haslers eigenem Label www.jazzhausmusik.de

Aktuelle CD: Gabriele Hasler Roger Hanschel „Lovesongs“ (Foolish Music, 2003)

CD Pigeon (JazzHausMusik 2002)

CD“Familienglück“ Foolish Music (1997)
CD“Rosenstücke“
Foolish Music (1996) Koproduktion mit dem WDR

Auswahl weiterer CDs – von ihrem Label:
„Gabriele Hasler& Foolish Heart“
„Crazy“ Thein (1984)
„God Is A She“ Foolish Music (1986) Preis der Deutschen Schallplattenkritik
„dAs prOjekT“
„dAs prOjekT“ Foolish Music (1988)
„Hasler Bründl Schipper“
„Listening To Löbering“ Foolish Music (1989) Konzertmitschnitt
„OrganIC VoICes“
„OrganIc VoICes“ Leo Records (1994)
„Gabriele Haslers Personal Notebook“
„Gabriele Haslers Personal Notebook“ Foolish Music (1990)
„sonetburger“
„sonetburger“ Foolish Music (1993)
„Spiders Lovesong“
„Spiders Lovesong“ Foolish Music (1993)
„Go In Green“
„Go In Green“ JazzHausMusik (1995)

Copyright: Melodiva Net Club.

www.gabrielehasler.de
Autorin: Angela Ballhorn

19.02.2004