„Funky Bass on Top“
Kim A. Clarke (USA) mit der Bigband DEFUNKT auf Europa-Tournee
In den späten 80ern war Funk DAS Ding. Wer E-Bass spielte, musste slappen wie ein Weltmeister.
Einer meiner Band-Buddies meinte, wenn ich mich für Funk interessieren würde, hätte er das Ultimative und brachte mir zwei Defunkt-Scheiben mit. „Kim Clarke spielt Bass, ist ‘ne Frau“ meinte er nur knapp. Klar, dass mich das interessierte. Defunkt stellte sich als richtig tiefschwarzer dreckiger Funk, ungeschliffen und rauh, heraus.
Und der Bass, den ich hörte, klang ganz anders als die gewohnten Funk-Begleitungen. Den Namen Kim Clarke merkte ich mir, und als ich im 20 Jahre Jubiläums-Line Up der Band Defunkt ihren Namen entdeckte, war klar, dass ich mir diese Frau ansehen und -hören musste.
Kim ist ein Energiebündel, und ihre Art Bass zu spielen, ist der Motor der Band. Da blubbert, rumort, slappt und wabert es im Untergrund, dass es eine wahre Lust ist. Ebensoviel Spaß hat das Gespräch vor dem Konzert im Berliner Quasimodo gemacht.
Musikerin, Mutter und Geschäftsfrau
Melodiva: Was machst du sonst so? Ich kenne deinen Namen nur über Defunkt.
Clarke: Ich bin ziemlich beschäftigt. Ich mache eine Menge Freelance-Sachen zu Hause (Bundesstaat New York), da spiele ich Jazz, Funk, Rock und auch klassische Sachen. Ich spiele bei Kit McClure mit, die hat eine Frauenbigband, die zwischen acht und 18 Musikerinnen auf die Bühne bringt. Mit dieser Band bin ich viel unterwegs, es gibt eine Menge Konzerte in der weiblichen Musikszene.
Ich habe viel mit Teri Thornton gearbeitet, der Jazzsängerin, die leider kürzlich verstorben ist. Ich habe meine eigene Gruppe, die Magnets! heißt. Die leite ich zusammen mit dem Saxophonisten Rob Scheps, er lebt an der Westküste, und ich habe ihn in New York getroffen, als er bei einer Band, mit der ich gespielt habe, eingestiegen ist. Wir haben festgestellt, dass wir beide unsere Musiksachen mögen, und machen seither etwas zusammen. Er war seither noch zweimal in New York, ich dreimal an der Westküste, um zu musizieren und zu arbeiten. Außerdem bin ich auch noch Mutter von einem 13jährigen Sohn, das ist auch noch eine Menge Arbeit. Und Musikerin, Geschäftsfrau und Mutter sein, das ist schon schwierig unter einen Hut zu bringen.
Die Musikerfamilie CLARKE & Co.
Melodiva: Als du angefangen hast, Bass zu spielen, war es für eine Frau doch ungewöhnlich, oder?
Clarke: Ich weiß nicht. Ich habe meinen E-Bass einem Freund abgekauft, ich mochte das Instrument. Mein Babysitter hat früher immer mit einer alten Gitarre rumgemacht, und das hat mir gefallen. Vielleicht sollte man auch dazu sagen, dass ich ein Einzelkind war, ich hatte niemanden, mit dem ich spielen konnte. Mein Vater war Musiker, mein Großvater war Musiker, er hat Posaune und Bass gespielt. Erst jetzt habe ich ein altes Buch gefunden, in dem ein Photo abgedruckt ist, auf dem er in Cab Calloways Band sitzt. Und es gibt auch die schöne Geschichte, dass er in einem Nachtclub war, und Al Capone ihm 100 Dollar in die Hand gedrückt hat, damit er ihn nicht gesehen hat. Er hat in Chicago gearbeitet, und es ist total spannend, jetzt die musikalische Geschichte meiner Verwandten zu entdecken. Mein Opa war Bassist, sein Schwager hatte einen Kontrabass, irgendwie lag die Musik für mich in der Luft. Mein Vater war sehr musikalisch und hat viel für mich gesungen, auch in der Kirche.
Ich habe mit dem Bass rumprobiert, und zur College-Zeit habe ich dann angefangen, mit meinem Plattenspieler Grooves auszuchecken. Donny Hathaway, Stevie Wonder, diese Sachen habe ich mir damals angehört, schwarze Soulmusik wie James Brown, Larry Graham, Stanley Clarke….
Aber ich war immer mehr an der Musik interessiert als an Bassisten oder den Musikern. Im zweiten College-Jahr erzählte mir jemand von den Jazzmobile Kursen in New York. Die habe ich besucht und habe mein Hauptfach am College gewechselt. Ich wollte Musik machen, nicht mehr Medizin, wofür ich eingeschrieben war. Aber die Medizin verlässt mich nicht, denn um solche Tourneen durchzustehen, musst du schon ziemlich gesund sein. Ich interessiere mich sehr für natürliche Heilmittel. Also bin ich auch eine Art `Doktor´ Clarke.
Ich habe ein Stipendium erhalten, um bei (Kontrabassist) Ron Carter studieren zu dürfen. Davon hatte mir ein Freund berichtet. Schlimm genug, dass ich damals nicht mal wusste, wer Ron Carter war. Ich habe mir Jim Hall und Ron Carter angehört, und Ron Carter hat mir erklärt, was man einreichen muss, und meine Lehrer der Business-Class haben mir auch geholfen, meine Papiere einzureichen. Das habe ich gemacht, und nicht mehr daran gedacht, bis ich den Bescheid über das Stipendium in der Hand hatte. Ron sagte mir, ich solle erst mal alles vergessen, was ich gelernt hätte. „Mach, was ich sage“. Das habe ich gemacht, alles, was er sagte. Nach sechs oder sieben Kursen war ich auf der klassischen Schiene, ich kannte mich auf dem Instrument perfekt aus, wollte mich aber nicht einschränken, und habe nebenher noch Funksachen gemacht. Ich habe mit Art Blakey, Yufef Lateef oder Joe Henderson gearbeitet, mit richtigen Jazz Cats. Und es gab zum Beispiel den „Four Ladies“ Loft, egal, wann man da hin kam, da war immer jemand, mit dem man spielen konnte, egal ob 5 Uhr morgens oder nachmittags. Ich habe weniger durch das College als durch viel spielen und die Workshops gelernt.
Defunkt – sie bekam einfach den Job
Melodiva: Wie bist du dann mit diesem Kontrabass- und Jazzbackground bei Defunkt gelandet?
Clarke: Ich kannte Lester (Bowie, Trompeter) und hätte mir nie träumen lassen, mit seinem Bruder zu spielen. Eines Abends wollte ich diese Band von Ron Carter mit Buster Williams sehen, mit zwei Bassisten. Sie haben ihm berühmten „Sweet Basil“ gespielt, und ein Freund rief mich an, und fragte, ob ich mit ihm diese Funkband, damals hießen sie glaube ich noch James White and the Blacks, hören wolle. Ich ging mit und bin danach völlig ausgeflippt und habe ihn angebrüllt: „Ich verzichte auf Ron Carter und Buster Williams, und du schleppst mich zu so einem Konzert!!!!!“ Das paßte mit meiner damaligen Jazzanschauung überhaupt nicht zusammen, trotzdem fand ich die Musik interessant. Später habe ich einen Freund bei einer Session getroffen, der mir erzählte, dass Joe für Defunkt nach einem Bassisten sucht. Ich bin zur Audition gegangen und habe den Job gekriegt.
Immer auf der Suche…
Melodiva: Was hast du für Pläne?
Clarke: Ich arbeite mit Magnets! und meiner Band an der Ostküste, die AWOL heißt, Angels with outstanding lawyers. Wir spielen auch Kompositionen von mir. Etwas mehr jazzorientiert mit funky Einschlag. Ich habe die Vision von einer größeren Band mit Gesang, denn ich habe auch Kompositionen mit Text. Das möchte ich aufnehmen. Aber bei all der Arbeit mit Jobs, dem Business und der Familie ist nicht viel Zeit übrig. Eine Menge Zeit geht dabei drauf, immer wieder nachzuschauen, ob die Richtung, in die ich zum Gig unterwegs bin, stimmt. Oft bin ich ein/zwei Stunden zum Gig unterwegs, und sobald es vom Highway abgeht zu einem kleinen Club, gibt es die Angaben „nach dem großen Baum rechts“… manchmal habe ich das Gefühl, mehr Pfadfinder als Geschäftsfrau oder Musikerin zu sein .
Kim A. Clarke spielte unter anderem mit:
The National Black Theatre, Joseph Bowie and Defunkt, Joe Henderson Quartet, George Gruntz Concert Jazzband, Marilyn Mazur,Christy Doran and Kim Clarke Trio, Teri Thornton Trio, Annie Whitehead Experience, Bill Bickfords BIGFOOD, James „Blood“ Ulmer, Kit McClure Bigband, Rachel Z Trio, Yusef Lateef, Lionel Hampton, Candido, Screaming Jay Hawkins, Oliver Lake and Jump, Lester Bowies Brass Fantasy, Sheila Jordan, Geri Allen, Cassandra Wilson, Vanessa Rubin, Steve Coleman and Five Elements, Robert Palmer, Queen Latifah, eigene Band Magnets!
Discographie:
Defunkt
Thermonuclear Sweat‘ ,The Razor’s Edge‘ ,Avoid the Funk‘ ,In America‘ ,Heroes‘ ,Live at the Knitting Factory-Downtown does the Beatles‘ ,Live and Reunified‘ Crisis‘ ,This is the Funk‘ ,On the Edge‘ ,Classic Defunkt‘ ,Know your Enemy
Big Food
Semi-precious metal‘ ,Soulciety Funky Family
Nona Hendryx
Design for Living
Blue Jade Trio
Night Songs
Bass Talk
Clarke / Bickford / Ditmas…
Queen Latifah
Black Reign
Copyright: Redaktion Melodiva
Autorin: Angela Ballhorn
31.01.2002