„Female TAKTLOS 2004“
Musikerinnen beim Schweizer Musikfestival on stage
Das gemischte TAKTLOS-FESTIVAL hier einmal ganz im „female“- Fokus:
Tatort: Basel und Zürich – Anfang Mai (6.- 8. 5. 2004). Es ist es wieder soweit und eines der namhaftesten Festivals für improvisierte Musik öffnet seine Pforten.
auf dem Foto: In Aktion die beiden Electro-Werkerinnen von Fe-Mail aus Norwegen)
Bereits Ende der Siebziger sorgten u.a. die ersten Musikerinnen der „Feminist Improvising Group-FIG“ für schräge, ungewohnte Töne und Performances. Sie bewegten die „gesetzte“ Jazz-Szene und legten die Schienen für eine spezielle Musikrichtung, die sich fortan als improvisierte Musik etabilierte.
Einige der „Grandes-Improvising-Dames“ seien hier kurz erwähnt:
Iréne Schweizer (Piano),
Lindsay Cooper (Fagott),
Maggy Nicols (voc),
Joélle Lèandre (Kontrabass)
Elvira Plenar (Piano) und Annemarie Roeloffs (Posaune) gehörten mit zu den Pionierinnen und waren auch beim bekanntesten deutschen Frauen-Musik-Festival für improvisierte Musik zu sehen, dem „CANAILLE-Festival“ in Frankfurt.
Das ist nun Geschichte und jetzt im neuen Jahrtausend, beim diesjährigen 21. Taktlos-Festival legt Melodiva mit diesem Report den Fokus auf spannende Musikerinnen und female Acts dieses Festivals. Diese wollen wir im Folgenden kurz skizzieren: Grenzgängerinnen zwischen Electro – Jazz – Free…. and more!
TAKTLOS – FESTIVAL: Besuch – lohnenswert…. zu Nebenwirkungen fragen sie den Takt oder Trompeter
Basel, Fr. 07. 05., 20 h / Zürich. Sa, 08. 05., 20 h
Fe-mail (Norwegen)
Maja Solveig Kjelstrup Ratkje, voc/electr
Hild Sofie Tafjord, fr-ho/electr
Wussten Sie, dass an den musikalischen Rändern der norwegischen Erfolgswelle mehr Bewegung herrscht als im Zentrum? Supersilent und Spunk haben das 2001 und 2002 im Rahmen des taktlos gezeigt. Nun kommen mit Maja Solveig Kjelstrup Ratkje und Hild Sofie Tafjord zwei Musikerinnen von Spunk als Fe-mail zurück. Ihr spielerisches Debüt hatten sie vor vier Jahren in Tokio. Es hat sich einiges getan seither. Beide Musikerinnen sind in verschiedenen Zusammenhängen aktiv, verweben klassische Musik, Jazz, Techno, Ambient, Musique concrète sowie freie Improvisation und zeitgenössische Kompositionen zu einem eigenständig sperrigen Noise-Amalgam. Die akustischen und elektronischen, analogen und digitalen Sounds, die sie sich wie Tennisbälle zuspielen, sind auf der pinkfarbenen LP «Syklubb fra Hælvete» (Nähverein aus der Hölle) dokumentiert. Vorbereitete Klänge werden über den Computer abgerufen, mischen sich mit dem von Hild Sofie Tafjord live gespielten French Horn und der Stimme von Maja Solveig Kjelstrup Ratkje. Deren Stimmimprovisationen klingen streckenweise nach einem imaginären Kinderlied, das aus einer tief verschneiten Landschaft herüberweht. Vergangenes Jahr hat sie für ihre Solo-CD «Voices» an der Ars electronica einen Preis entgegengenommen.
Etwas später wurde in Oslo ihre erste Oper «No Title Performance And Sparkling Water» mit einem Libretto von Plinio Bachmann uraufgeführt. Hild Sofie Tafjord hat dabei in einem Aquarium French Horn gespielt. Fe-mail verdichtet die Sounds, bis die Grenzen verschwimmen und ihre Ursprünge nur noch wie eine weit entfernte Erinnerung zu erahnen sind – auch Noise kann eine soulige Note bekommen.
Ausgewählte Tonträger:
Fe-mail: «Syklubb fra Hælvete», tv5, 2003 / Maja Solveig Kjelstrup Ratkje: «Voice», Rune Grammofon RCD 2028, 2002 / Spunk: «Filtered Through Friends», Rune Grammofon RCD 2022, 2001.
Infos zu Fe-Mail:
www.femailmusic.com/
Ochs – Masaoka – Lee US/CAN
Ist das Trio von Larry Ochs, Miya Masaoka und Peggy Lee ein Teil des «Global Village»? Vor vier Jahren formierte der Saxofonist Larry Ochs ein außergewöhnliches Trio mit der japanischen Kotospielerin Miya Masaoka und der Cellistin Joan Jeanrenaud (deren Platz aber die in Vancouver lebende Cellistin Peggy Lee einnimmt.
Joann Jeanrenaud konnte aus krankheitlichen Gründen nicht anreisen). Sie arbeitet an der Westküste in Theater- und Tanzzusammenhängen, gehört der Gruppe Talking Pictures und dem NOW Orchestra an und war unter anderem in Projekte von Barry Guy und George Lewis involviert.
Larry Ochs, seit fünfundzwanzig Jahren Teil des Rova Saxophone Quartet, schrieb einige Kompositionen für das Trio, die in San Francisco erstmals aufgeführt wurden. Es sind Kompositionen, die auf improvisierende MusikerInnen zugeschnitten sind und einen neuartigen musikalischen Kosmos erschließen. Nebst konventionell notierten Teilen spielen auch grafische Instruktionen und Zeitachsen eine Rolle.
Miya Masaoka, die in der traditionellen japanischen Musik genauso heimisch ist wie im Jazz und in der klassischen westlichen Musik, setzt ihre perlenden harfenähnlichen Klänge der Koto dem Cello und dem Sopranino oder dem Tenorsaxofon von Larry Ochs entgegen. Das Trio kreiert so kammermusikalisch-versponnene Welten zwischen Ost und West, denen auch gewisse «dramatische» Aspekte nicht abgehen.
die Kotospielerin aus Japan: Miya Masaoka, www.miyamasaoka.com
Larry Ochs: www.ochs.cc
Türköz – Lee – Dilmen (CH/KO/TR)
Saadet Türköz, voice;
Okkyung Lee, cello;
Lari Dilmen, perc
Die in Zürich lebende Vokalistin Saadet Türköz schafft über ihre rhizomartig verästelten Kontakte, die sich in den verschiedensten Weltgegenden ausbreiten, neue Zusammenhänge. Ihre Eltern flohen aus den Weiten Kasachstans an den Bosporus. Über sie hat sie die Musik und die Lieder des zentralasiatischen Hochlands kennen gelernt und bewahrt. Saadet Türköz ist in Istanbul aufgewachsen, später in der Schweiz heimisch geworden – aber die Sehnsucht nach der Ferne ist geblieben. Ihre Reisen haben sie in die USA, nach Kanada und Japan geführt, nach Kasachstan und immer wieder durch Europa und in die Türkei. Es sind transformierte Erinnerungen, die in ihren kasachischen und türkischen Songs erkennbar bleiben und sich mit improvisierten Teilen mischen. Atmosphärische Klangbilder aus entfernten Gegenden treffen auf die Konzepte der freien Improvisation.
Die aus Taejon (Korea) stammende Cellistin Okkyung Lee ist auf einer anderen Route gereist und lebt seit bald vier Jahren in New York. Nach der klassischen Ausbildung folgte der freiere Umgang mit dem Instrument, die Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen westlichen Musik und der traditionellen Musik Koreas. Der Perkussionist Lari Dilmen lebt in Istanbul, ließ sich musikalisch in Borneo, Indien, Israel und Senegal inspirieren.
de Perrot + Leone (CH)
Dimitri de Perrot, turntables
Sabina Leone, voc
Was passiert wohl, wenn neapoletanisches Temperament auf experimentellen Turntablism trifft? Zwei junge ZürcherInnen, die Sängerin Sabina Leone und der Turntableartist Dimitri de Perrot, stehen gemeinsam auf der Bühne. Die Sängerin ist Teil von Sorelle Leone und war bis vor vier Jahren Schlagzeugerin bei der Frauen-Rockband „Wemean2, die sich leider aufgelöst hat. Parallel dazu hat sie gelegentlich mit dem Freeform Arkestra gesungen und kam so mit dem Saxofonisten Werner Lüdi (1936–2000) und dem Schlagzeuger Lucas Niggli in Kontakt. Dimitri de Perrot war zwischen 1994 und 1997 als DJ mit der HipHop-Gruppe Sendak zu hören, bewegte sich zwischendurch mit Die Regierung, Steamboat Switzerland und dem australischen Poeten und Gitarristen Hugo Race durch die Lande.
Ausgewählte Tonträger: Freeform Arkestra (mit Sabina Leone): «Thyrrenean Sea», Straight Ahead Recordings SAR 017, 2000.
Dank an Fredi Bosshard von der Roten Fabrik in Zürich.
Copyright: Melodiva Net Club.
Autorin: Anne Breick
29.04.2004