Etta Scollo

"Sizilianisches Erbe"

MELODIVA PRÄSENTIERT:
Konzert am 24. April 2004 – DIE BROTFABRIK/Frankfurt

Etta Scollo, sizilianische Sängerin mit phantastischer Stimme, singt sich mit Eindringlichkeit und Gefühl in die Herzen der Hörer. Ihre CD „Casa“ erzählt dabei persönliche Geschichten der Sängerin, die vom Verlust der Heimat handeln, von der Sehnsucht nach ihr, von der Freude an fremden Kulturen, kurz – vom Schicksal vieler Menschen der heutigen Zeit.
Voller Dramatik, Traurigkeit und Sentimentalität sind ihre Songs – verbindet doch die italienische Diva Sprechgesang, Liedermachertum und klassischen Gesang miteinander als wäre das selbstverständlich. Und auch musikalisch bedient sie sich in mindestens zwei Welten: sizilianische Tradition und aktuelle Popmusik umkreisen einander, flankiert von dem ein oder anderen jazzigen Part.

„Der Charme der Sizilianer“

Norbert Krampf in der FAZ über ein Konzert von Etta Scollo im letzten Jahr im Frankfurter Hof in Mainz:

Etta Scollo und ihre Band feiern im Frankfurter Hof in Mainz die Verbrüderung von Canzone, Blues und Pop.

Selbstverständlich könnte sie pure sizilianische Volksmusik singen, denn Etta Scollo kennt ihre Geschichte und hat großen Respekt vor den Traditionen. „Aber wir leben in einer anderen Zeit“, findet die Komponistin und Autorin, „außerdem mag ich die Kontraste, die aus der Begegnung von ursprünglichen Motiven und modernen Instrumenten entstehen.“ Ihr aktuelles Programm beginnt Scollo mit einer relativ originären Hommage an die alte Heimat. „Caltanisetta“ basiert auf einem archaischen Lied, das die in Catania aufgewachsene Künstlerin mit expressiver Grandezza interpretiert. Begleitet wird sie dabei von einem Harmonium und, statt der typischen Mandoline, einem seltsamen „japanischen Banjo“. Nach dem trancehaften Auftakt treibt die Musik zunächst in mitteleuropäischere Gefilde.

„Il Bianco Del Tempo“, das Titelstück des aktuellen Albums, lebt von chansonhaften Klavier-Impressionen, sensiblen Schlagzeug-Beats und swingendem Kontrabass. Im folgenden Stück greift Bassist Johannes Huth zum Bogen und entführt im Duett mit Boris Matchs Cello in kammermusikalische Atmosphären. Die Band setzt auf Sparsamkeit und unterstreicht oder karikiert nuanciert wechselnde Stimmungen der Lieder.
Dem „Märchen“ von der sizilianischen Frau, die sich traut zu sagen, was sie will, verleiht Pianist Ferdinand von Seebach mit der Piccolo-Posaune exakt jene unverschämte Frechheit, die Scollo mit aus jeder Note sprühendem Protest beschwört.

Dazu trommeln Martin Druzella und Gitarrist Frank Wulff synchron auf zwei Tamburinen. Vor vielen Jahren schon kombinierte Wulff mit der Band Ougenweide mittelalterliche Folklore und Rockmusik, bei Scollo changiert er nun souverän zwischen Slide- und E-Gitarre, Drehleier, Ukulele und singender Säge.

Intensiver Mittelpunkt bleibt aber stets die zierliche Persönlichkeit mit der Stimme einer Nachtigall, die es unweigerlich gen Himmel zieht. Zwischen zärtlicher Melancholie und kaum gedämpfter Dramatik lebt Scollo große Gefühle aus und schreckt auch vor ein wenig Kitsch nicht zurück. Piano-Balladen oder Solos zur Westergitarre verwandeln sich dank jubilierender Leidenschaft schnell in Hymnen, graziös umschiffen harmonischen Wendungen allzu bekannte Stereotypen. Ausgebildet am Wiener Konservatorium weiß die mit verschiedenen europäischen Preisen ausgezeichnete Sängerin ihr Reservoir an Luft, Volumen und warmen Timbre zu nutzen. In dunklen Tiefen schenkt sie tragischen Schicksalen raunend-kratzige Eleganz, im aufgewühlten „Partirò“ springt sie von röhrendem Soul in schneidenden Sopran. Zwischendurch erzählt die Wahl-Hamburgerin humorige Geschichten über ihre aus dem Leben gegriffenen Poesie.

Subtil variieren die feinsinnigen Musiker zwischen verschatteten Stimmungen in bluesgetränkten Songs, filigraner Folk-Ästhetik und leichtfüßigem Pop. Dessen mediterrane Sonnenuntergangs- oder Hafenbar-Romantik verleiht selbst potenziellen Hits wie „Malvasia“ Charme. Großen Anteil an der Transparenz der Arrangements hat Tontechniker Nicolas Wesselow, den die Band längst als siebten Musiker betrachtet.

Das Zusammenspiel der Individualisten ist nahezu perfekt, allenfalls könnten sie bisweilen einzelne Klangfarben kräftiger akzentuieren. Schon jetzt ragt die Band besonders live aus dem Gros der Pop-Chanson-Ensembles heraus und das verdankt sie keineswegs nur der Stimmgewalt und Präsenz Etta Scollos.

Text: Norbert Krampf / Berlin (für die FAZ)

Eine CD-Besprechung von „Casa“ erschien auch in Jazzdimensions: www.jazzdimensions.de/reviews/worldmusic/2003/etta_scollo_casa.html]

www.etta-scollo.de

29.03.2004