Cristina Branco / Portugal

FADO-Star

„Eigentlich bin ich ganz fürchterlich schüchtern und es kostet mich eine Riesenüberwindung, auf eine Bühne zu gehen und vor mehreren Hundert oder gar Tausend Menschen zu singen. Vor den Konzerten will ich ganz alleine sein, da bin ich nicht mal für meinen Mann Custódio zu sprechen“ sagt die portugiesische Sängerin Cristina Branco.

Eigentlich ist Schüchternheit gepaart mit Lampenfieber eine denkbar schlechte Konstellation für den portugiesischen Fado, bei dem das Innerste nach außen gekrempelt wird, tiefe Gefühle gewälzt werden und diese Gefühle auch vermittelt werden müssen. Doch kaum ist die 29jährige auf den Brettern, die die Welt bedeuten, fällt aller Stress ab, denn Singen bedeutet ihr alles. Das ist auch der neuesten Veröffentlichung „Corpo Iluminado“ (Universal) anzumerken.

Eine klassische „Fadista“ ist Cristina Branco nicht, sie sieht sich eher als „Cantora de Fado“, also eine Sängerin, die Fado singt. In den fünf Jahren seit ihrem Plattendebüt hat die Portugiesin ihre stimmlichen Fähigkeiten erweitert und es trotzdem geschafft, sich ihre Frische zu erhalten. Cristina Brancos Stimme ist fesselnd, sehr intensiv, sie zwingt einen zum Zuhören. Auch die, die des Portugiesischen nicht mächtig sind, erfahren die Stimmungen der Lieder, die zwischen Schwermut, Sehnsucht und Lebensfreude hin- und herpendeln.

Zwischen Tradition und Ella Fitzgerald

Dass eine junge Portugiesin sich in die Fado-Musik verliebt, ist außergewöhnlich. Cristina Brancos Großvater war mit seiner gesamten Familie vor der Salazar-Diktatur in die ländliche Gegend nördlich von Lissabon geflohen. So kam Cristina Branco 1972 weit weg von den traditionellen Fado-Häusern auf die Welt und wuchs – wie die gesamte Generation, die zur Zeit der Nelkenrevolution aufwuchs – mit Bossa Nova, Jazz, Blues und Rock auf.
Besonders Ella Fitzgerald, Sarah Vaughn und Elis Regina hatten es der Heranwachsenden angetan. Fado, das war die Musik, die mit dem faschistischen Regime von Salazar in Verbindung gebracht wurde. Diese Tradition wurde von der Jugend abgelehnt.

„Ich habe den Fado entdeckt, als ich 18 Jahre alt war. Mein Großvater fand es sehr wichtig, die portugiesische Geschichte zu kennen. Deshalb hat er mir eine CD von Amália Rodrigues gegeben, auf der sie vertonte zeitgenössische Lyrik interpretiert. Sofort habe ich gefühlt, dass das genau ist, was ich gesucht habe. Wenn man einen traditionellen Song singen kann und Sachen integrieren kann, die man liebt, wie zum Beispiel zeitgenössische Lyrik, dann ist das wunderschön.“

Karriere und der FADO

Fado erscheint den Uneingeweihten oft traurig und schwermütig. Warum der portugiesische Fado so traurig ist, kontert Cristina Branco mit einer Gegenfrage: „Du findest meine Musik traurig? Ich finde sie gar nicht so traurig! Fado kommt vom lateinischen Wort „fatum“ und das bedeutet Schicksal. Und Schicksal ist dein Leben mit ganz vielen unterschiedlichen Erfahrungen. In meinem Fado muss alles drin sein, traurige Momente und glückliche, weil beides zu meinem Leben gehört.“

Cristina Brancos Karriere startete über Umwege, die auch geographische Umwege einschlossen. „Meine Karriere ging sehr schnell. Ich begann zu singen, ein Freund von mir brachte mich zum Fernsehen für ein Live-Konzert.
Ich habe meinen Mann Custódio zu der Zeit getroffen, der fast alle Stücke für mich schreibt. Diese neuen Stücke haben wir im Fernsehen vorgestellt und jemand in Holland sah uns und lud uns zwei Wochen später ein. Sie haben das Konzert aufgenommen und das Album hat sich sehr gut verkauft. Dann saßen wir zusammen am Tisch und haben überlegt, was wir mit diesem unerwarteten Erfolg machen wollen. Eigentlich habe ich zu der Zeit Journalismus studiert, doch ich wollte es mit der Gesangskarriere probieren.
Meine nächste Platte von 1998 hat den französischen `Choc de l’année du Monde de la Musique‘ gewonnen, und jetzt sitze ich für ein Majorlabel hier…. das ging alles blitzschnell….“

Ihre neueste CD „Corpo Iluminado“

Cristina Branco wählt die Gedichte selber aus, die ihr Mann dann vertont. Aber auch traditionelles Material findet sich im Repertoire der jungen Sängerin.
„Ich möchte allen Zuhörern der CD auch einen Eindruck eines Konzerts geben, und in Konzerten singe ich auch traditionelle Lieder. Ich fange mit einem traditionellen Fado an, um dann meine Idee des Fados zu vorzustellen.“

Das letzte Stück des Albums ist a cappella, nur Stimme, nicht mal ein Fado und nicht mal auf portugiesisch. `Molinera‘ ist ein Liebeslied aus dem 12. Jahrhundert, und es ist im Dialekt Mirandès verfasst.
„Dieser Dialekt ist eine Brücke aus der Zeit, als Spanien und Portugal noch ein Land waren. Das Parlament hat diesen Dialekt erst 1999 anerkannt. Eigentlich war das Stück überhaupt nicht für das Album geplant. Ich habe im Studio einen Mikrofoncheck gemacht und dieses Lied dafür gesungen. Der Techniker hatte heimlich mitgeschnitten und überredete mich, es auf die Platte zu nehmen.“
Die Besetzung von Cristina Brancos Begleitband ist klassisch und traditionell – eine portugiesische Gitarre, die 12 Saiten hat, eine „normale Gitarre“ und eine akustische Bassgitarre.

Cristina Branco hat lange gezögert, das Angebot eines großen Labels anzunehmen, obwohl schon zur letzten Platte Anfragen kamen: „Ich war mir noch nicht sicher, ob ich wirklich Sängerin sein wollte, deshalb habe ich Verträge über jeweils eine Platte mit kleinen Labels gemacht. Erst jetzt habe ich meine Reife gefunden und weiß, dass ich Sängerin sein will. Deshalb fühlte es sich auf einmal gut an, einen Vertrag über fünf Jahre zu haben. Dann können die Band und ich uns weiterentwickeln. Wir wachsen miteinander und wir verändern ständig Dinge in unserer Musik.“

Copyright: Redaktion Melodiva

Autorin: Angela Ballhorn

31.01.2003