Catie Curtis/USA
Der Geheimtipp
Catie Curtis schreibt eingängige Popsongs genauso wie wunderschöne Balladen. Ihre Musik, Folkrock voller Intimität mit oft sehr persönlichen Texten, ist gefühlvoll und leidenschaftlich. Mal sehr einfühlsam, mal voller Power interpretiert sie ihre Songs mit einer eindringlich-klaren Stimme und spielt dazu Gitarre. Manchmal ist sie auch hinterm Schlagzeug zu finden. Die vielseitige und ideenreiche Musikerin hat vier Platten veröffentlicht, die sich in den USA jeweils etwa 40.000 mal verkauften und die von der Kritik mit Lob überschüttet wurden.
Ihr Song „Soulfully“ lief im Radio sowie in den Fernsehserien “ Dawson´s Creek“ und „Chicago Hope“. Neben anderen Auszeichnungen bekam Catie Curtis den Preis für das Beste Album der Gay & Lesbian American Music Awards. Sie nahm in den USA an der vielbeachteten Lilith Fair Tour teil.
Hierzulande jedoch ist Catie Curtis nach wie vor eher ein Geheimtipp. Das könnte sich im April ändern, wenn sie zu vier Konzerten nach Deutschland kommt.
Irene Hummel traf die Sängerin / Songwriterin schon vor ihrer Tournee zu einem spannenden und sehr persönlichen Gespräch.
Erzähl doch mal etwas über dich, während ich das Aufnahmegerät einstelle.
Catie Curtis: Ich bin in einer kleinen Stadt im Nordosten der USA aufgewachsen. Meine engere Familie waren meine Eltern, zwei Schwestern und hundert Hunde. Sie lacht laut. Nein, aber über die Jahre hatten wir viele, viele Hunde und auch manchmal viel Pech mit ihnen. Egal, wir hatten also immer viele Hunde herumlaufen. Mit der Musik habe ich angefangen, als ich noch sehr jung war. Aber erst mit etwa 27 wurde ich wirklich Vollzeit-Musikerin, machte meine erste Platte und begann in den USA zu touren. Mit 30 bekam ich einen Plattenvertrag.
Ich dachte, ich sei sehr alt damals – 30 Jahre und gerade den ersten Plattenvertrag! Jetzt bin ich 36….
Insgesamt habe ich bis jetzt vier Platten veröffentlicht, die weltweit vertrieben wurden – wenn auch vor allem in den USA, in England und ein wenig in Europa. Davor habe ich noch zwei Platten herausgebracht, die aber nirgendwohin gelangten. Da war ich Anfang 20.
Bist du heute noch stolz auf alle deine Veröffentlichungen, also auch diese ersten?
Catie Curtis: Nein. Obwohl: ich bin stolz auf die zweite, aber die erste, die ist mir wirklich absolut peinlich. Sie ist einfach schlecht! Nicht gut geschrieben, nicht gut aufgenommen, nicht gut gesungen… Damals hielt ich sie aber für gut. Die zweite hieß „From Years to Hours”, und die ist ganz okay.
Und wie hieß die, die du nicht mehr magst?
Catie Curtis: Ich habe bewusst nicht mal den Namen genannt. Sie ist aus dem Jahr 1989.
Was hast du getan, bevor du Vollzeit-Musikerin wurdest?
Catie Curtis: Ich habe Literatur und Geschichte studiert – das half mir auf jeden Fall, eine bessere Songwriterin zu werden. Schon damals schrieb ich Musik. Außerdem war ich im Basketball-Team. Mit dem Sport war ich sehr beschäftigt, so dass ich wenig Zeit für die Musik übrig hatte. Nach dem Abschluss änderte sich das wieder, aber auch da musste ich Geld zum Leben verdienen. Ich war ein Jahr Kellnerin, dann vier oder fünf Jahre Sozialarbeiterin – ich habe mit alten Leuten gearbeitet. Das war zuerst sogar ein Vollzeitjob. Meine Leidenschaft war immer die Musik, dafür hatte ich dann oft nur die Abende und die Wochenenden.
Was war der beschissenste Job, den du je hattest?
Catie Curtis: In einer Geisterbahn. Eine Weile habe ich Tickets dafür in einer Bude, die wie ein Sarg aussah, verkauft; und dann war ich eine von den Figuren in der Geisterbahn selbst, mit Schminke und so.
Wolltest du schon als Kind Musikerin werden?
Catie Curtis: Ja. Meine Eltern hatten in den 70er Jahren so eine große Musiktruhe. Und ich wollte hineinkriechen, weil ich die Musik so sehr liebte. Ich saß immer davor, mit meinen Ohren am Lautsprecher.
Aber in dem Alter hatte ich wohl noch keine genaue Vorstellung, was ich selbst mal machen wollte. Als ich dann aufs College ging, sah ich ein Solo-Konzert von Suzanne Vega. Sie redete mit dem Publikum und erzählte Geschichten. Ich war wirklich begeistert: genau das wollte ich auch machen.
War sie dann eine Art Idol für dich?
Catie Curtis: Sie war tatsächlich ein frühes Idol für mich. Außerdem Rickie Lee Jones, dann Cat Stevens, den habe ich viel gehört. Und Bonnie Raitt, die bluesigen Sachen.
Hast du als Kind schon ein Instrument gelernt?
Catie Curtis: Zuerst habe ich Flöte gespielt, in einer Band, dann habe ich Posaune, Trompete und die Tuba spielen gelernt. Ich habe immer wieder die Instrumente gewechselt, weil ich schnell gelangweilt war. Zuletzt lernte ich Schlagzeug, da war ich vielleicht 14. Mit 15 fing ich dann mit der Gitarre an. Und dabei bin ich geblieben, das schien mir das Instrument zu sein, das ich am liebsten mochte.
Hat deine Familie dich immer unterstützt?
Catie Curtis: Sie waren immer eine Stütze für mich. Ich denke, sie haben sich auch viele Sorgen gemacht, sowohl darüber, dass ich als Musikerin selbständig und manchmal alleine unterwegs war, und auch darüber, dass ich ganz offen als Lesbe lebe. Das hat sie am Anfang sehr erschreckt.
Bist du auf der Bühne, vielleicht bei einem Folkfestival, als Lesbe out?
Catie Curtis: Ich habe eben Songs wie „Elizabeth” – das ist ein total eindeutiges Lied – oder „What´s the Matter” und „Radical”. Aber ich tendiere nicht dazu, auf der Bühne über mein Lesbischsein zu reden, weil ich gerne möchte, dass sich die Leute meine Lieder anhören und diese eben Verschiedenes bedeuten können für verschiedene Leute. Ich spreche es also nicht aus. Manchmal erzähle ich aber auch Anekdoten, in denen meine Partnerin vorkommt. Dann bin ich sehr out. Aber ich rede nicht unablässig darüber, wie z.B. Suzanne Westenhoefer, eine lesbische Komikerin, die ich sehr liebe.
Welches Publikum kommt denn zu deinen Auftritten?
Catie Curtis: Das variiert sehr, von Stadt zu Stadt. In San Francisco sind es fast nur Lesben, in Seattle z.B. sind es die Hippie-Folk-Pärchen, Heteropärchen also – und junge Lesben. In England dagegen kennen mich vor allem die Mary Chapin Carpenter-Fans, weil ich mal eine Tour mit ihr gemacht habe. Sehr unterschiedlich.
Ich möchte gerne glauben, dass meine Musik alle anspricht, nicht nur ein bestimmtes Publikum. Aber natürlich finden sich einige mehr als andere darin wieder…
Die Betreuerin von deiner Plattenfirma hat mir erzählt, du seiest mit einer Frau verheiratet?
Catie Curtis: Also: ich habe eine Partnerin und wir hatten ein Hochzeitsfest. Ich wusste gar nicht, dass sie das weiß! Neuigkeiten sprechen sich wirklich schnell herum. Also: meine Partnerin heißt Liz, wir sind seit fünfeinhalb Jahren zusammen, und wir haben Hochzeit gefeiert.
Ist das eine offizielle Hochzeit, die gesetzlich anerkannt wird in dem Bundesstaat?
Catie Curtis: Überhaupt nicht! Es hatte mit dem Staat und dem Gesetz nichts zu tun. Es war eine Zeremonie, die wir für uns, mit unserer Familie und mit unseren Freunden abgehalten haben. Für uns selbst war das sehr wichtig, und es war wirklich sehr schön! Ich kann das nur empfehlen! Aber wir hatten auch eine einmalige Art von Zeremonie, nicht so wie Hochzeiten meistens sind.
Ich nehme an, dein Lied „Elizabeth” handelt von deiner Partnerin?
Catie Curtis: Ganz genau, das ist Liz.
Dann gibt es auf der neuen Platte noch ein Lied über die Adoption eines kambodschanischen Kindes – ist das euer Kind?
Catie Curtis: Nein. Wir haben Freunde, die einen Jungen aus Kambodscha adoptiert haben. Er ist so süß, wir lieben ihn so sehr! Im Jahr darauf adoptierte meine Schwester, sie ist eine geschiedene alleinerziehende Frau, auch ein Kind, ein Mädchen aus Kambodscha. Da hatten wir schon diese beiden. Und dann hat Liz´ Schwester ein Baby aus China adoptiert. Jetzt haben wir diese drei Familien um uns herum, die uns sehr nahestehen, alle mit diesen mütterlichen Gefühlen beschäftigt… Tatsächlich denken Liz und ich auch schon darüber nach, ein Kind zu adoptieren.
Würde das funktionieren, wenn du dauernd auf Tournee bist?
Catie Curtis: Ja, denn ich kann mir das aussuchen und relativ gut einteilen. Ich wäre dann bestimmt nicht zu viel unterwegs. Wir werden schon herausfinden, wie es klappen kann.
Es ist bestimmt nicht einfach, ein Kind mit einem völlig anderen kulturellen Hintergrund zu adoptieren.
Catie Curtis: Ja. Wir glauben daran, dass es ein wirklich wichtiger Schritt im großen Ganzen der Menschheit für die verschiedenen Kulturen ist, Wege zueinander zu finden und Unterschiede zu überbrücken. Ich denke, interkulturelle Adoption hilft den Leuten zu verstehen, wie viel die verschiedenen Kulturen gemeinsam haben.
Das Kind hat die Möglichkeit herauszufinden, inwieweit es sich entweder seinem Herkunftsland oder anderen kulturellen Anteilen zugehörig fühlen kann und will. Wir versuchen, in diesen Fragen mit dem Kind behutsam und sehr bewusst umzugehen, indem wir auch sehr viel miteinander kommunizieren. Man muss sehr offen sein für mögliche Verletzungen und gemeinsam Wege finden, um es besser zu machen.
Ich stelle mir das sehr schwer vor, einem Kind auch seine Herkunftskultur nahezubringen, wenn man vielleicht noch nicht einmal seine Sprache spricht?
Catie Curtis: In Europa ist es doch sicher möglich, Kinder aus Osteuropa zu adoptieren, die dann einen vergleichbaren kulturellen Hintergrund haben. Da besteht in einigen Ländern auch eine große Not und somit ein Bedarf. So bin ich: ich bin so idealistisch! Für das Überleben der Menschheit müssen wir einerseits lernen, die Mannigfaltigkeit zu akzeptieren und andererseits Gemeinsamkeiten zu finden, anstatt Unterschiede zu suchen und zu sehr zu betonen. Für mich ist die interkulturelle Adoption wirklich ein Schritt in diese Richtung. Das ist mein Traum. Wir werden sehen, wie es funktioniert.
Bezeichnest du dich als Feministin, und was bedeutet das für dich?
Catie Curtis: Ganz bestimmt. Es bedeutet, dass ich mir sehr bewusst bin über herrschenden Sexismus und dass ich versuche, zu verhindern, dass Sexismus mich und andere verletzt. Ich glaube, ich habe einen sehr persönlichen Umgang damit: Ich mische mich ein, wenn Verletzungen in meiner Umgebung stattfinden und versuche die Leute darauf aufmerksam zu machen, was sie sagen oder was sie tun. Ich weiß, dass einige Leute Angst vor dem Begriff Feminismus haben, aber ich kann nicht verstehen warum, denn es bedeutet doch nur: Ich bin bereit und willens, für die Gleichberechtigung der Frau aufzustehen. Und das ist doch wirklich simpel, also so völlig offensichtlich: Wir alle müssen es tun. Männer können auch Feministen sein.
Wie ist es, nur vor Frauen aufzutreten, wie beim Frauenmusikfestival in Michigan?
Catie Curtis: Das ist für mich ein bisschen schwierig, weil ich Männer in meiner Band habe. In Michigan war es auch nicht einfach, diese Show ohne meine reguläre Band zu spielen. Zwar genieße ich es durchaus, ab und zu für ein weibliches Publikum zu spielen, aber ich fühle mich gleichermaßen offen gegenüber jedem, der zu einem Auftritt kommen möchte. Ich bin sozusagen auch hier für Gleichberechtigung, obwohl ich natürlich das Bedürfnis nach einem Ort nur für Frauen dann und wann gut verstehe. In meinem eigenen Leben bin ich aber keine Separatistin. Ich bin Feministin und Lesbe, aber nicht separatistisch. Es gehört für mich einfach zu meinen idealen Vorstellungen dazu, dass die Leute den Kontakt miteinander brauchen, um einander zu verstehen. Das kann gut auch bei meinen Shows sein. Wenn da hundert Heteros und hundert Lesben sind, finde ich das richtig gut, weil ich das Gefühl habe, sie zusammenzubringen – und sie lernen dabei, sich miteinander wohlzufühlen.
Hast du eine feste Band?
Catie Curtis: Ja, ich spiele mit den einzelnen Leuten seit fünf bis zehn Jahren zusammen. Der, mit dem ich am meisten zusammenarbeite, ist der Mandolinist, Jimmy Ryan. Er wird mit Sicherheit auch mit nach Deutschland auf Tour gehen. Vielleicht kommt sogar die ganze Band mit.
Auf deiner neuen CD spielt auch die Keyboarderin Julie Wolf, die seit Jahren mit Ani DiFranco tourt.
Catie Curtis: Ja, richtig. Sie war zuerst eine Freundin von mir. Sie spielte auch schon auf dem Album „Catie Curtis”. Ich lernte sie kennen, als sie mit Laura Love unterwegs war. Wir waren alle auf allen möglichen Folkfestivals, etwa 1996 war das. Julie spielte eine Weile mit mir, und dann bewarb sie sich bei Ani und bekam den Job. Es war so aufregend, denn sie suchte nach einer richtigen Herausforderung. Das hat sie bei Ani auf jeden Fall. Sie hat die Freiheit zu spielen, was sie will. Anis Musik ist mit der Zeit sehr tief und komplex geworden, ein bisschen jazzorientiert; und Julie ist eine phänomenale Musikerin und passt hervorragend da hinein. Es ist echt cool, sie heute auf der Bühne zu erleben. Sie kam extra eingeflogen, um auf meiner Platte zu spielen. Sie ist eine gute Freundin von mir.
Auf deiner Tour wird sie nicht dabei sein?
Catie Curtis: Ich glaube nicht. Es wäre wirklich toll, aber ich kann leider auch nicht zehn Leute zu meinen ersten Konzerten in Deutschland mitbringen.
Gibt es eine Art Netzwerk von Musikerinnen in den USA?
Catie Curtis: Über die Jahre siehst du sie alle immer wieder. Mit Ani bin ich wirklich oft zusammengetroffen. Sie ist immer eine große Hilfe für andere. Melissa Ferrick natürlich, und Dar Williams, mit ihr habe ich oft gespielt. Ich finde das beinahe das Schönste am Tourleben: dass du immer wieder dieselben Leute triffst, die dasselbe wie du machen und die verstehen, um was es geht. Es ist eine Art Community.
Das hört sich wirklich sehr schön an…
Catie Curtis: Als ich noch jünger war, in meinen Zwanzigern, da war ich mehr konkurrenzorientiert. Doch mit den Jahren habe ich verstanden, was mir auf die Art alles entgeht. Jetzt genieße ich die Musik der anderen, anstatt mit ihnen im Wettbewerb zu stehen. Mit 30 etwa habe ich das loslassen können. Das ist eine der guten Seiten des Älterwerdens, wenn du solche Sachen einsiehst.
Wie würdest du deine musikalische Entwicklung über die Jahre beschreiben?
Catie Curtis: Angefangen habe ich als Solomusikerin. Das war mir früher immer sehr wichtig. Ich schrieb alleine, ich spielte alleine. Jetzt arbeite ich ganz viel mit anderen MusikerInnen zusammen. Ich habe gar nicht gewusst, wie wunderbar das sein kann. Ich hatte früher immer das Gefühl, meine eigene Stimme nicht finden zu können, wenn ich mit anderen auf der Bühne stand. Ich glaube, das habe ich erst in der engen Zusammenarbeit mit Jimmy Ryan gelernt. Wir konnten darin wir selbst bleiben. Dann kamen noch der Bassist und der Schlagzeuger dazu, und wir alle schrieben Songs zusammen. Es ist eine sehr energievolle Erfahrung, dieses Vertrauen und die gegenseitigen Einflüsse, die man sich erlaubt. Es sind ja auch keine Zufallsmusiker, sondern langjährige Freunde, denen ich vertraue und deren Art zu spielen ich liebe. Also will ich teilen. Es reflektiert dann auch mich, weil meine Liebe zu ihrer Musik der Grund ist, warum sie mit mir spielen. Ich bin sehr dankbar, dass ihr Talent in meine Songs einfließt. Auf die Weise sind meine Songs bandorientierter geworden. Auch rockiger.
Ja, manche sind wirklich rockiger, wie „My Shirt looks good on you”. Das ist wahrscheinlich mein erster echter Rocksong. Aber andere, wie „Run” z.B., das ist von der ganzen Band gemeinsam geschrieben worden, das würde ich nicht als rockiger bezeichnen, vielleicht als grooviger. Der Song hat einen richtigen Groove im Bass und in den Drums, der auch zuerst da war, also vor der Melodie und dem Text. Das ist so grundlegend anders gegenüber dem Songschreiben alleine im Zimmer mit meiner Gitarre.
Sind deine Texte autobiographisch?
Catie Curtis: Ja, aber ich denke mir auch Sachen aus. Ich lasse mich inspirieren von meinem Leben und dem von Freunden, aber auch von Filmen und Büchern. Ich beobachte die Leute auf der Straße und versuche, nicht nur in meinem eigenen Saft zu schmoren.
Was für Musik hörst du gerne?
Catie Curtis: Meine aktuelle Lieblingsplatte ist von einer Band namens „Alabama 3“, aus England oder aus den USA. Sie nennen ihre Musik selbst „Country Acid House Music“. Sie kombinieren akustische Instrumente mit dieser House – Dance – Elektronik – Art von Musik und kreieren dabei einen bizarren Sound. Vielleicht sind sie alle Drogensüchtige, daher der verrückte Anstrich. Ich mag es wirklich sehr. In den USA laufen sie unter „A 3“. Außerdem liebe ich Patty Griffin, sie ist erstaunlich, eine wunderbare Sängerin / Songwriterin. Emmylou Harris mag ich sehr. Und ich verehre Dar Williams und Ani DiFranco. Sie sind nicht nur großartige Musikerinnen, sondern haben auch viel dafür getan, dass dieses Musik-Genre ein breiteres Publikum fand. Es hat sich eine Art Community entwickelt. Das setzt sich bei Musikerinnen wie mir fort. Ich habe viele Konzerte mit Dar Williams gespielt, und nun kommt dasselbe Publikum auch zu mir und hat hier dasselbe Communitygefühl.
Kannst du dir Remixe deiner Songs vorstellen?
Catie Curtis: Das ist interessant! Gerade habe ich Elektro-Dance Musiker getroffen, die ein Stück aus meinem Song „Love takes the best of you“ haben wollen, um es in einem Dance Remix zu verarbeiten – mit Raps dazu, die eine ganz andere Geschichte erzählen werden. Ich finde das großartig und werde ihnen das Material schicken.
Hörst du selbst gerne Rap und HipHop?
Catie Curtis: Eigentlich stehe ich mehr auf R´n´B. Ich liebe besonders Macy Gray mit ihrer außergewöhnlichen Stimme. Mit vielen Texten aus dem HipHop habe ich ein politisches Problem.
Wie verbringst du sonst deine Freizeit?
Catie Curtis: Ich schaue mir sehr gerne College-Basketballspiele an – vor allem von Frauen – das war ja auch mein Spiel. Und wir haben einen Hund, einen kleinen Mops. Sam ist ein Schatz. Wir leben außerhalb von Boston und verbringen viel Zeit mit ihm in den Wäldern und am Fluss.
Bist du politisch engagiert?
Catie Curtis: Ich gebe viele Benefizkonzerte. Ich bin sehr gespannt, ob wir in den USA es schaffen, in diesem Jahr eine Art linke Friedensbewegung zu mobilisieren. Eine Menge Leute sind wirklich beunruhigt über den Krieg in Afghanistan. Ich habe einen Song geschrieben über die Notwendigkeit, sich für den Frieden einzusetzen. Wenn ich mich mehr engagieren wollte, wäre das mein Thema. In den Medien kommt der Wunsch nach Frieden nicht vor. Sie haben Angst davor, über die möglichen Fehler im „Krieg gegen den Terror“ zu reden. Es ist wirklich eine bedrohliche Zeit.
Von hier aus hat man den Eindruck, alle Amis wären furchtbar patriotisch?
Catie Curtis: Ich glaube, das stimmt nicht. Das ist die Mediendarstellung. Sicher gab es ein paar Wochen nach dem 11. September, in denen niemand etwas Negatives gesagt hat. Jeder liebte sein Land so sehr und wollte es schützen und verteidigen. Amerikaner haben noch nicht die Erfahrung gemacht, auf ihrem eigenen Grund und Boden angegriffen zu werden – mit Ausnahme von Hawaii, und das ist ja auch schon ein Stück weit weg.
Es war so überwältigend, dass nicht einmal die linksradikalste Person es gewagt hätte, etwas Negatives über die USA zu sagen. Das ist nun vorbei – stattdessen verstricken wir uns selbst immer tiefer in diesen Krieg, und eine Menge Leute halten das Ganze für keine gute Idee. Viel besser wäre es, die USA würden genauso viel Zeit und Geld in den Frieden investieren, wie sie jetzt in den Krieg stecken. Ich denke, eine Menge Leute empfinden so und die Medien verschweigen das. Zeit meines Lebens hatten wir keinen wirklichen Anlass für eine aktive politische Bewegung, aber ich halte es für möglich, dass das jetzt einer sein könnte, ein neues Vietnam oder so.
Der letzte Song auf deinem aktuellen Album, dreht der sich um den 11. September?
Catie Curtis: Nein, das Album erschien in den USA schon davor. Irgendwie verrückt, aber er handelt von der Kirche in meinem Heimatort, die abbrannte. Nun singe ich ihn mit einer ganz anderen Intensität.
Was bedeutet denn Kirche und Spiritualität für dich?
Catie Curtis: Tatsächlich habe ich seit dem 11. September aufgehört, zur Kirche zu gehen. Stattdessen begann ich, Quäker-Treffen zu besuchen. Das ist eine Ausläufer des Christentums, aber du sitzt still und betest. Es gibt kein Dogma, das alle glauben müssen. Ich mag es: Erstens, weil die Quäker sehr viel mit Friedensarbeit zu tun haben – Frieden und Gerechtigkeit – und zweitens gefällt mir diese Abwesenheit eines Dogmas, weil die einen Leute gerade religiöse Dogmen benutzen, um ihre Aktionen zu rechtfertigen, und die auf der anderen Seite sie dafür verdammen. Religiöser Fundamentalismus hat einen großen Anteil an den Problemen der Welt. Daran möchte ich in keiner Weise irgendwie teilhaben – noch nicht einmal, indem ich in der christlichen Kirche bin, die sagt, Jesus ist der Retter und es gibt keinen anderen Weg. Jeder muss das für sich selbst herausfinden.
Aber davor bist du in die Kirche gegangen?
Catie Curtis: Ja, es gibt bei uns eine Kirche mit einer lesbischen Priesterin. Es war sehr schön, eine sehr liberale Kirche. Ich war auch vorher keine fundamentalistische Christin. Christentum war eine akzeptable Möglichkeit für mich: Ich bin damit aufgewachsen, es machte Sinn und ich verstand die christliche Mythologie. Jetzt ist es immer noch Teil meiner Spiritualität, aber ich möchte es nicht mehr als „den einzigen Weg“ hochhalten, den einzigen Weg zur Erlösung oder so. So fühlt es sich nicht mehr an.
Quelle: Lespress, erschienen in der April Ausgabe (Danke an die Redaktion für die freundliche Unterstütztung).
Discographie:
A Crash Course in Roses, 1999
Truth from Lies, USA 1995 / Europa 2000
Catie Curtis, USA 1997 / Europa 2000
My Shirt looks good on you, 2001
Copyright: Redaktion Melodiva
31.03.2002