Anke Helfrich
eine Widmung an das Leben
Dedication zeigt eine gereifte Musikerin mit einer starken Persönlichkeit und einer genauen Vision, die ihre Mitmusiker Martin Wind am Bass, Jonas Burgwinkel am Schlagzeug und die Gäste Tim Hagans (Trompete) und Ardie Walz (Sprecher) mitreisst.
„Diese CD habe ich allen gewidmet, die wichtig in meinem Leben waren und sind, von der direkten Umgebung mit Familie und Freunden bis hin zu Persönlichkeiten, die mich beeindruckten und prägten.“
Als neue Arbeitsweise dazugekommen ist die gekonnte Hinzunahme von Texten, die spannende Vertonung der berühmten Rede von Martin Luther King und die musikalische Einbindung des Gedichtes „Invictus“, das Nelson Mandela in 27 Jahren Haft immer wieder Stärke gab.
Mandela führt Helfrich auch in ihre ganz persönliche Vergangenheit, da sie in Namibia aufgewachsen ist, wo ihre Eltern sich einer Antiapartheid Organisation engagierten und sie als Kind in die schwarzen Townships mitnahmen. „’Invictus“ von William Ernest Henley hat Mandela während seiner langen Haft Kraft gegeben. Ich habe in meiner Musik ein Zwiegespräch aus Wort und Melodie kreiert. Der ostinate Bass klingt vielleicht bedrohlich, dafür wird die Melodie immer zuversichtlicher und lässt Pausen für die wichtigste Aussage: I am the master of my fate, I am the captain of my soul!“
Der Opener „Invictus“ geht kongenial in „Chan’s Song“ von Herbie Hancock über. „Ich liebe den Film „Round Midnight“ von Bertrand Tavernier mit Dexter Gordon und speziell die Szene am Meer, in der die Komposition erklingt. Der Film mit Gordon und meinen anderen Vorbildern Hancock und Shorter war eine große Inspiration. Er war ein Mosaikstein zu meinem Wunsch, Jazzmusikerin zu werden.“
Auch Thelonious Monk, der schräge Pianist, der Anke Helfrich in ihrem musikalischen Leben zu einem Fixstern wurde, bekommt eine Widmung. „Nie gradlinig, aber immer da hin kommend, wo er hinwollte. Ich ‚denke an ihn‘ („Think Of One“)! So gesehen ist Dedication ein Rückblick auf das, was war und gleichzeitig ein Ausblick auf die Zukunft.“
Doch das Kernstück der CD ist eine zwölfminütige geniale Vertonung von Martin Luther Kings berühmter Rede „I Have A Dream“. Anke Helfrich hat die Sprachmelodie der epochalen Ansprache genau transkribiert, die auf einmal deutlich hörbare Melodielinie harmonisiert und damit Luther Kings Rede unterlegt. Die berührende Rede wird so zum mitreissenden Gospelsong, kongenial der Stimmung angepasst. Martin Luther Kings Träume, die der schwarze Bürgerrechtler 1963 mit 250 000 Menschen in Washington teilte, wird von dem Trio teilweise wörtlich übersetzt. Bei „Let Freedom Ring“ lässt die Band alle Leinen los, nimmt das groovige Anfangsthema wieder auf, bevor sie eine Generalpause vor dem Schlusssatz „Free At Last!“ setzt.
„2013 habe ich mit der Vertonung von Martin Luther Kings Rede begonnen, die Ideen sammelte ich schon eine Weile, aber so eine Aufgabe brauchte ja ihre Zeit zum reifen.“
Zu Beginn der Rede steht eine funky-unruhige Bassfigur mit einer Gospel-Soul-Begleitung im Klavier. Doch am beeindruckendsten ist der Teil „I Have A Dream“, der den Duktus der Rede perfekt aufnimmt und die Wirkung der wunderbaren, ergreifenden Rede noch unterstützt.
Der Band samt Trompeter Tim Hagans ist sich einig, wenn man sie nach ihrem Lieblingsstück befragt: „Sagrada Familia“, nicht der berühmten Kirche in Barcelona, sondern der Familie der Pianistin gewidmet. „Meine Familie ist mein Rückhalt, sie ist immer für mich da. Aber heilig sind wir nun wirklich nicht immer“ schmunzelt sie. Ihre musikalische Familie auf Dedication, Bassist Martin Wind, den Anke Helfrich seit über 20 Jahren kennt, Drummer Jonas Burgwinkel und Tim Hagans bezeichnen die Ballade als eines der schönsten Stücke, das sie spielen durften.
Dass Tim Hagans Gast der CD ist, hat sich einfach ergeben, lacht Anke Helfrich. „Mir war klar, dass es diesmal wieder Trompete sein musste. Tim Hagans gefällt mir, ich hatte vor Jahren eine CD von ihm gehört und fand interessant, was er macht, weil er gerne out spielt, aber auch sehr fantasievoll und energievoll, das hat mich gereizt. Er kann sehr offen spielen, was für die frei improvisierten Stücke wichtig ist.“
Dedication wurde in New York aufgenommen, da die drei Mitwirkenden im Big Apple leben, Anke Helfrich selber dort gelebt und gearbeitet hat und der Energie der Stadt somit auch noch eine musikalische Widmung schreiben konnte.
Vielleicht ist es wirklich nicht wichtig, alle zwei Jahre eine neue CD auf den Markt zu bringen – wenn dann eine so unglaublich stimmige und packende CD wie Dedication folgt, hat sich das Warten mehr als gelohnt. Anke Helfrich gebührt großes Lob und Dank für dieses in sich stimmige Album mit Witz, überraschenden Soundkomponenten und unglaublichem Tiefgang, das einen nicht unberührt lässt.
Aktuelle CD:
„Dedication“ Anke Helfrich Trio featuring Tim Hagans (Enja)
Copyright: Jazzthetik
Wir danken Angela Ballhorn und der Zeitschrift Jazzthetik für die freundliche Abdruckgenehmigung.
Konzerttermine im nächsten Jahr:
23.01.2016 Heppenheim, Kurfürstensaal – mit Angelika Niescier
Anke Helfrich Trio & Tim Hagans
11.02.2016 Frankfurt, Dr. Hoch’s Konservatorium
12.02.2016 Ettlingen, Birdland
13.02.2016 Bad Salzhausen, Parksaal
14.02.2016 Leverkusen, Bayer
15.02.2016 Passau
Autorin: Angela Ballhorn
26.11.2015