Anacaona /Kuba – since 1932

"Ten Sisters of Rhythm "

Eine berühmte Indianerin, die den Spaniern in der Karibik Widerstand leistete, ist die Namensgeberin des Frauen-Son-Septett „Anacaona“. Unter diesem Namen ging das von Cuchito Castro gegründete Septett in die musikalische Geschichte Kubas ein.

Wie Cuchito auf die Idee kam, mit ihren Schwestern als Musikerinnentruppe zu arbeiten, ist nicht bekannt. Aber wir wissen, dass ihr Vater durch den schwarzen Freitag alle Ersparnisse verloren hatte und dass die Universität, an der sie eingeschrieben war, auf Grund befürchteter Studentenunruhen durch den Diktator Machado geschlossen wurde.
So war Cuchito gezwungen, ihr Studium aufzugeben, und sich mit Musik ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Schließlich akzeptierte auch der Vater die Auftritte seiner insgesamt elf zum Teil noch minderjährigen Töchter, die alle reihum mit Cuchito auf der Bühne standen. Dass eine reine Frauenband öffentlich die immer etwas doppeldeutigen Texte der Unterschicht-Musik Son zum Besten gab, kam im Kuba der 30er Jahre einem Skandal gleich.

Der große Durchbruch gelang dem Septett 1937

Das Label „RCA Viktor“ brachte mehrere Schellacks mit „Anacaona“ auf den Markt. Es folgten Auftritte am Broadway, in Paris, in Mittel- und Südamerika und sogar Filmauftritte. International berühmte Stars der kubanischen Musik wie Celia Cruz, Omara Portuondo oder Graciela Pèrez begannen ihre Karriere bei „Anacaona“ oder gingen mit ihnen auf Tournee.

Die elf Schwestern blieben auch in der schwierigen Zeit nach Fidel Castros Machtübernahme zusammen. Die meisten waren nicht oder nur kurz verheiratet, was ihnen den Spitznamen „Das Orchester der ledigen Frauen“ eintrug. Cuchito Castro gelang es über Jahrzehnte, ihre nur aus Frauen bestehende Band zusammenhalten und mit ihrer Musik in einer von Männrn dominierten Branche zu bestehen.
So ist die vom Econ-Verlag herausgebrachte DVD „Anacaona – Sisters of Rhythm“ eine gelungene Würdigung dieser Gruppe von Frauen, die großartigen lateinamerikanischen Jazz spielten und sangen. Es verwundert nicht, dass die Schwestern der Familie Castro 1982 als dienstältestes Frauenorchester der Karibikinsel zum „Nationalen Kulturgut“ Kubas erklärt wurden – noch bis 1989 traten sie öffentlich auf.

Die insgesamt neun Musiktitel auf der DVD (40 min) sind Aufnahmen aus den Jahren 1937, 1952 und 1953. Als zweites Feature beinhaltet die DVD den aus dem Jahr 1991 stammenden Dokumentarfilm „Havana Girls Orchestra: The Anaconda Story“ (45 min) von Ingrid Kummels und Manfred Schäfer. Die schwarz-weißen Filmbilder fangen das Lebensgefühl des alten wie des neuen Kuba anschaulich ein, zeitgenössiche Interviewaufnahmen stehen neben Archivmaterial von Liveauftritten, Foto- und Tondokumenten. Die begleitende Kamera erlaubt immer wieder interessante Einblicke in das Denken und Fühlen dieser grazilen, aber sehr lebendigen und stolzen Musikerinnen. Schade nur, dass man die Gespräche unter den Schwestern und deren Freunden im Film nur dann gut verfolgen kann, wenn man des Spanischen mächtig ist: Die Untertitelung ist leider sehr sparsam ausgefallen.

Das Buch zur DVD: Alicia Castro, ‚Anacaona – Aus dem Leben einer kubanischen Musikerin‘, 280 Seiten, 22 Euro, Econ Verlag

Quelle: Dieser Text erschien bereits Ende 2002 bei LESPRESS.
Dank an die Redakteurin Ulrike Anhamm und die Autorin für die kollegiale Unterstütuzung.
www.lespress.de

Copyright: Redaktion Melodiva
Text: Cordula Trauner

31.05.2003