Alison Rayner Quintet und Sir Bradley Quartett

Bericht vom Melodiva Club Concert am 19. September 2018 in der Fabrik, Frankfurt

Ein wahres Fest konnte das Publikum an diesem warmen Spätsommerabend in der „Fabrik“ in Frankfurt erleben: Virtuosität, faszinierende Sounds, mitreißende Grooves und vor allem eine unglaubliche Spielfreude zweier Jazzcombos.

Unter dem Motto „An Antidote to Brexit“ sind das in London beheimatete Alison Rayner Quintet – kurz ARQ – und das in Hamburg ansässige Sir Bradley Quartett angetreten, um zu zeigen, dass Musik trotz Brexit der jahrzehntelangen Freundschaft der Akteur/innen beider Bands nicht schaden kann.

Den Anfang dieses Doppelkonzerts machte das Sir Bradley Quartett um die Bassistin Maria Rothfuchs, die ihrer Band auch diesen doch erklärungsbedürftigen Namen gegeben hat. Doch die Geschichte ist schnell erzählt: als passionierte Rennradlerin traf sie auf der Höhe eines Passes zufällig den Tour de France-Sieger Bradley Wiggins. Diese Begegnung war so eindrücklich, so dass sie fortan im Namen ihres Quartetts ihren Niederschlag fand.
Nun aber zum Auftritt des Sir Bradley Quartetts, in dem neben Maria Rothfuchs die Schlagzeugerin Annette Kayser, die Saxophonistin Doro Offermann und die Gitarristin Luise Determann für Begeisterung sorgten. Den Auftakt machte Maria Rothfuchs mit einem Bass-Solo, das durch melodische Linien des Tenorsaxophons abgelöst wurde, bevor sich daran ein überraschend rockiges Gitarrensolo anschloss. Und dabei blieb es nicht – denn das ist typisch für das Sir Bradley Quartett. Lyrische Passagen gleiten scheinbar unbemerkt in schnelle, rauhe Grooves über, die sich steigern und verdichten – um dann wieder in soften Sounds zu landen. So zum Beispiel in dem Titel „Hierbas“, eine Hommage an den gleichnamigen spanischen Kräuterschnaps. Hier gehen sphärische Sounds in ein wahres Gewitter eines Uptime Grooves über, über den Doro Offermann ein zupackendes, überzeugendes Saxophon-Solo bläst, bevor dann Annette Kayser ein Drum-Solo landet, das für Begeisterung sorgt. Und immer wieder gab es Überraschungen, so wie in dem von der gerade mal 26jährigen Gitarristin Luise Determann komponierten Titel „Minikunga Mountain“ , der eine fernöstliche Anmutung hatte und vor allem durch das gestrichene Bass-Solo von Maria Rothfuchs überzeugte. Auch die noch folgenden Titel sorgten für Begeisterung, so dass das Publikum sich überrascht zeigte, als Maria Rothfuchs das letzte Stück ankündigte. Klar, dass dann eine Zugabe gefordert wurde, aber mit Rücksicht auf das dann noch folgende Alison Rayner Quintet wurden die ZuhörerInnen auf künftige Konzerte vertröstet.

Mit dem Alison Rayner Quintet betraten Musiker/innen die Bühne, die seit Jahrzehnten miteinander spielen und zur Crème de la Crème des britischen Jazz gezählt werden. Das schlägt sich nicht zuletzt auch darin nieder, dass die Bassistin Alison Rayner aktuell in den britischen Jazz-Awards als „best bass player“ und ihr Quintett als „best british jazz ensemble“ nominiert ist.
Neben Alison Rayner am Kontrabass kommt das Publikum in den Genuss, Deirdre Cartwright an der Gitarre, Diane McLoughlin am Saxophon, Steve Lodder am Klavier und Buster Birch am Schlagzeug zu sehen und zu hören. Mit der mittlerweile zweiten CD im Gepäck können ARQ aus einem reichen Schatz von Eigenkompositionen schöpfen, die großteils aus der Feder von Alison Rayner stammen. So zum Beispiel „The Trunk Call“, den Alison Rayner als Hommage an Elefanten schrieb und diverse indische Rhythmen verarbeitet. Hier erzeugt Buster Birch einen Groove, der eine Elefantenherde in den Gewölbekeller der Fabrik zaubert – und der Steve Lodder zu einem Klaviersolo inspiriert, das nicht anders als abgefahren und mitreißend zu bezeichnen ist. Danach übernimmt Diane McLoughlin mit einem Sopransax-Solo, das aus dem Schatz der indischen Melodik schöpft. Auch Deirdre Cartwright greift dies auf, wobei sie ihrem Solo eine fast schon spirituelle Tiefe verleiht, die ihresgleichen sucht. Immer wieder wird deutlich spürbar, mit welcher schlafwandlerischen Sicherheit die fünf Musiker/innen des ARQ miteinander spielen. Hier sind fünf Meister/innen ihres Fachs am Werk, die aber bei aller Virtuosität eine unbändige Freude daran haben, sich – und damit auch das Publikum – zu verblüffen. So zum Beispiel bei „The OK Chorale“ aus der Feder von Steve Lodder, das nach einem kraftvollen Beginn mit einem Mal in eine Art Fuge übergeht, aus der sich dann ein locker swingender Part ergibt. Den – vorläufigen – Abschluss macht „The Long Bush Walk“, das durch die Weite Australiens inspiriert ist. Hier erzeugt Deirdre Cartwright einen Sound, der an ein Didgeridoo erinnert, der sich wie ein Ostinato durch das gesamte Stück zieht. Hier und auch in anderen Stücken gibt sie Gitarrensoli zum Besten, die neben ihrem unverwechselbaren Sound durch raffinierte Melodien und große rhythmische Variation aufhorchen lassen. Erst nach einer nachdrücklich geforderten Zugabe darf das ARQ die Bühne verlassen und hinterlässt beim Publikum ganz klar die Überzeugung, dass das ARQ wieder nach Frankfurt kommen muss. Und das sehr gerne mit dem Sir Bradley Quartet im Doppelpack – denn doppelt gemoppelt hält besser und diese German – British Connection soll bitte noch sehr lange halten!

Live-Fotos von Marion Möhle (1. und 4.v.o.) und Karin Wagner (2. und 3.v.o.)

Autorin: Marion Möhle

19.09.2018