Alin Coen Band

mit ihrem Debut "Wer bist du?" auf Tour

Eine Band geht ihren Weg. Wie das im heutigen Musikbusiness geht, war in der ZDF-Doku-Soap „Pop_Cracks“ im letzten Jahr zu sehen, die zwei von fünf Nachwuchsbands bei ihrem Werdegang im PopCamp Meisterkurs des Deutschen Musikrats begleitet hat. So auch die Band der 28jährigen Songwriterin Alin Coen. Ein Jahr nach der Bandgründung sah sich das Folkpop-Quartett plötzlich mit Marketingstrategien, Herz- und Nierenprüfung und Imageaufbau konfrontiert, obwohl es noch mit seiner Musik und mit sich selbst beschäftigt war.

Nach einer Tour durch Kanada und einigen Supports für KünstlerInnen wie Philipp Poisel und Regina Spektor hat die Band nun ihr Debutalbum „Wer bist du?“ auf dem eigenen Plattenlabel herausgebracht. Vierzehn akustische und teffsicher auf das Wesentliche reduzierte Singer-/Songwriterperlen sind darauf zu hören, wenn die Sängerin und Gitarristin Coen mit ihrer zarten und dennoch ausdrucksstarken Stimme vor allem von der Liebe und ihren Wirrungen singt. MELODIVA sprach mit Alin Coen über beschleunigte Wege, Meilen- und Stolpersteine und Berührtheit durch die Musik.

Herzlichen Glückwunsch zum Debutalbum! Ist es das direkte Ergebnis Eurer Förderung durch das PopCamp oder habt Ihr einen neuen, eigenen Weg eingeschlagen? Denn das Album wurde ja nicht, wie geplant, von Kosho und Frank Möbus produziert, oder?
Die PopCamp Dozenten Kosho (Gitarrist bei den Söhnen Mannheims) und Frank Möbus (Gitarrist der Jazzband der Rote Bereich) waren bei den ersten Aufnahmen mit dabei, als wir uns noch überwiegend um Bass und Schlagzeug gekümmert haben. Das war wichtig für uns, denn es hat uns geholfen, die ersten Hürden zu überwinden. Sie haben uns Mut gemacht. Aber als wir merkten, dass wir viel mehr Zeit in dieses Album fließen lassen wollten, als Kosho oder Frank zur Verfügung hätten stellen können, haben wir uns entschieden, es mit Nils Frahm zu produzieren. Das hat den Liedern sehr gut getan. Nils kann Sound so aufnehmen, dass man das Gefühl bekommt, jeder Ton hätte eine Seele.
Wir hatten auch das Glück mit Gordon Raphael, der Regina Spektor und die Strokes produziert hat, für ein paar Lieder zusammen zu arbeiten. Ich hatte z.B. bei unserem Lied „Ich war hier“ Angst, dass es zu süßlich würde, aber als Gordon sich da ransetzte, war sofort klar: Mit ihm kann einem das gar nicht passieren.

Das PopCamp sollte Euch „harte Lehrjahre ersparen“ und Euren „Weg beschleunigen“, wie siehst Du selbst diese Zeit im Rückblick? Was hat sich für Euch als Band verändert bzw. habt Ihr Euch verändert?
Das PopCamp war für uns ein Meilenstein. Wir hatten zum Zeitpunkt der Bewerbung gerade mal drei Konzerte zu verbuchen, aber ein paar anständige Aufnahmen. Es war für uns supergut diesen Rahmen zu haben. Wir hatten einen tollen Jahrgang an Bands. Vielleicht waren wir etwas undurchlässig gegenüber manchen musikalischen Vorschlägen, aber durch diesen Prozess ist auch deutlich geworden, wie einig wir uns innerhalb der Band schon waren. Das hat zusammengeschweißt.
Mir blieb kaum Zeit zu schlafen, weil ich alles mitbekommen wollte und immer das Gefühl hatte, ich müsse noch ganz viel schaffen. Eine rastlose Arbeitsphase.
Ich fand auch die Veranstaltungen, die sich mit der Infrastruktur um die Musik befassten, spannend.
Die Doku, die in der Zeit gedreht wurde, machte sich auch bemerkbar: Bei der nächsten Tour kamen mehr Leute.

Habt Ihr es geschafft, dass die Musik im Mittelpunkt steht und nicht der Erfolg bzw. das Produkt? Konntet Ihr Euch wie geplant „treu bleiben“?
Da wir gerade eine sehr intensive Probenphase hinter uns haben, darf ich hiermit glücklich verkünden, dass wir auch Zeiten haben, in denen die Musik im Mittelpunkt steht. Aber es gibt natürlich auch Zeiten, in denen man sich mit den anderen Themen beschäftigt. Wir haben kurz nach dem PopCamp einen begeisterten Manager gefunden – oder auch er uns, und dem sind natürlich das Thema Erfolg und Produkt nicht gerade egal. Uns ja auch nicht. Wir haben für die Albumveröffentlichung ein eigenes Label gegründet, wir haben uns um das Artwork gekümmert, wir haben Fotos gemacht (obwohl die Jungs Foto-Sessions sinnlos finden), wir kümmern uns darum, dass wir auftreten können, haben außerdem eine tolle Bookingagentur, einen engagierten Verlag und dann haben wir das Glück, dass sich richtige Profis um die Promo kümmern. Es gibt also viele Leute, die darauf hoffen, dass das Album einen gewissen Erfolg bringt. Das Tolle ist, dass uns keiner verbiegen oder verheizen will (wollen wir zumindest mal hoffen). In erster Linie wollen wir uns treu sein und nicht den Erwartungshaltungen unserer ZuhörerInnen. Unsere neuen Stücke gehen in eine neue Richtung. Wir schreiben inzwischen als Band und arrangieren nicht mehr Lieder, die ich mir auf der Gitarre ausgedacht habe. Aber keine Angst, wir spielen bei dieser Tour auch noch Lieder vom Album.

Jetzt aber zu Eurem Album. Die KritikerInnen überschlagen sich, von „unsagbar schön“, „überwältigend“, „dicht und bewegend“ und immer wieder vom „Suchtpotenzial“ ist zu lesen. Hat Euch das überrascht oder habt Ihr vorher schon gewisse „Symptome“ bei Eurem Publikum bemerkt?
Wow…ich muss die falschen Kritiken gelesen haben. Aber das tut gut zu hören. Symptome bei unserem Publikum gab es bestimmt. Manche weinen, manche singen lautstark mit, manche schreiben einem, dass sie die Platte (unsere selbstgebrannte) in Dauerschleife mit aufgerissenem Fenster laufen lassen, so dass alle Nachbarn auch was davon haben, manche schütten einem ihr Herz nach einem Konzert aus, manche trennen sich von ihrer Beziehung, manche machen mir Heiratsanträge – es gibt viele Wege, wie sich die Berührtheit durch die Musik äußert.

Ein Kritiker merkt fast schon verwundert an, dass Euer Album „wahres Talent und echte Empfindung“ zeigt. Ist das heutzutage ein „Alleinstellungsmerkmal“?
Vielleicht ist „Empfindung zeigen“ zur Zeit nicht gerade die modernste Art, Musik zu machen. Ich glaube, dass es sehr viele talentierte Musiker gibt, die nicht den Ehrgeiz oder den Ansporn haben, sich bei einer breiten Masse Gehör zu verschaffen. Wir kümmern uns hartnäckig darum, auftreten zu können und haben all unseren Unterstützern, Profis und Privatpersonen, die ihre Kontakte für uns einsetzen, zu verdanken, dass überhaupt Redakteure auf uns aufmerksam werden.

Eure Musik ist zwar melancholisch, aber zuweilen hat man auch den Eindruck, dass wärmende Sonnenstrahlen durchs Zimmer scheinen, wenn Eure Musik erklingt. Wie entsteht Eure Musik?
Die letzten Stücke sind bei Jam-Sessions entstanden.

In Deinen Liedern geht es viel um das Loslassen, um zuviel Nähe & zuwenig Vertrauen, um das Ausloten, wo der andere und wo man selbst steht. Hast Du diese Songs in den letzten ein bis zwei Jahren extra für das Album geschrieben?
Nein. Ich habe all die Lieder über einen Zeitraum von sieben Jahren geschrieben. Damals habe ich zwar auch schon gedacht, dass ich eines Tages mal eine Platte machen werde, aber ich kannte ja meine Bandmitglieder noch nicht, als ich die ersten Lieder dieser Platte geschrieben habe.

Du singst die Hälfte der Songs in Deutsch, die andere in Englisch. Die Einen sagen, die englischsprachigen Songs gefallen ihnen besser, weil sie sie eher mit Abstand hören können, andere wiederum finden Deine deutschen Songs intensiver und einnehmender. Siehst Du da auch zwei verschiedene Qualitäten für Dich oder welchen Grund hat die Zweisprachigkeit?
Dadurch, dass ich einen mexikanischen Vater und eine deutsche Mutter habe, bin ich zweisprachig aufgewachsen – mit Spanisch und Deutsch allerdings. Ich glaube, dass dies irgendwie damit zu tun hat, aber das ist nur eine Vermutung. Als ich zu schreiben anfing, war ich in Schweden und habe nur die Lieder mit englischem Text fertig gemacht, habe parallel aber auch auf Deutsch geschrieben. Die Lieder kommen für gewöhnlich mit einem ersten Satz raus, der bestimmt dann die Sprache des Liedes. Neulich war der auf Französisch. Also haben wir jetzt auch ein Lied in französischer Sprache dabei. Ich glaube, es dauert nicht mehr lange, bis sich auch ein spanischer Satz dazwischen schleicht. In allen anderen Sprachen bin ich leider so unversiert, dass ich vermutlich keine Texte außerhalb dieses Spektrums hervorbringen werde.

Erklärst Du mir den Titel Eures letzten, einzigen instrumentalen Stücks „Schwan“?
Der Karneval der Tiere von Camille Saint-Saëns war da Namenspate. Es gibt ein vom Cello gespieltes Stück namens Schwan darin. Den Schwan auf unserer Platte habe ich für Gitarre und Cello geschrieben, das haben wir als Band umarrangiert. Er war in seiner ursprünglichen Form quasi eine „Hommage“ an das Stück.

Wie kam es, dass Ihr selbst ein Label („Pflanz einen Baum“) gegründet habt?
Es wurde uns sehr leicht gemacht, ein eigenes Label zu gründen und es gab keine Faktoren, die dagegen sprachen.

Probt Ihr immer noch „nur vor den Konzerten“ ;-)?
Ja. Aber der Unterschied zu damals ist der, dass das „vor den Konzerten“ jetzt schon ein bisschen früher los geht und wir viel mehr Konzerte spielen.

Deine Bandkollegen Jan Frisch, Philipp Martin, Fabian Stevens und Du hattet zuerst auch noch andere Bandprojekte und Jobs, ist die Alin Coen Band inzwischen ein Fulltime Job?
Nein. Die Alin Coen Band ist gar kein Job. Die Alin Coen Band macht Musik.

Du hast während Deiner PopCamp-Zeit auch einen Abstecher ins Schauspiel gemacht und mal angedeutet, dass Du nicht unbedingt immer nur Musik machen willst. Hast Du da noch weitere Pläne?
Ja. Wasserressourcen-Management in Holland studieren gehen, heißt der Plan. Aber zur Zeit habe ich noch keine Ahnung, wann ich damit loslegen werde. Mein Umweltschutztechnikstudium hat mich allerdings auch nicht davon abgehalten Musik zu machen. Im Gegenteil, dadurch ist mir das Musikmachen erst so wichtig geworden.

Ihr startet jetzt in Kürze eine umfangreiche Herbsttour durch Deutschland. Wie geht’s danach weiter?
Wir haben einige neue Stücke. Mit etwas Disziplin könnten wir bald genug Stücke für ein weiteres Album zusammen haben. Ein paar Support-Konzerte werden wir vielleicht noch geben. Im April werden wir etwas ausgedehnter auf Tour gehen. Und was ein noch völlig unbeackertes Gebiet ist, ist das Thema „Weltherrschaft“. Da müssen wir uns dann auch noch drum kümmern, wenn wir von der Tour zurück sind.

Wir wünschen Euch viel Spaß und Erfolg mit Eurer Musik und bedanken uns für das Gespräch.

Aktuelle CD: „Wer bist du?“
(Pflanz einen Baum)

Tourtermine:

14.09.10 Frankfurt (a.M.) // Ponyhof
16.09.10 Bonn // Klangstation
17.09.10 Aachen // Raststätte
27.09.10 Berlin // Privat Club
28.09.10 Hamburg // Prinzenbar
29.09.10 Köln // Blue Shell
30.09.10 München // 59:1,
15.10.10 Halle // Riff-Club
16.10.10 Weimar // Kasseturm
18.10.10 Jena // Cafe Wagner

http://www.alincoen.com/
Autorin: Mane Stelzer

13.09.2010