Die Idee zum Projekt hatten die beiden Spark-Gründer*innen Andrea Ritter und Daniel Koschitzki, die schon lange vorgehabt hatten, ein Programm mit Komponistinnen zusammenzustellen. Der zündende Moment kam dann tatsächlich bei der Begegnung mit Wallis Bird, die sich seit dem Beginn ihrer Karriere für Themen für Female Empowerment, Gender Equality und die LGBTQI*-Community einsetzt. Wallis war sofort begeistert. „Die weite Zeitspanne, die wir in dem Programm beschreiten, gab uns allen die Möglichkeit, Neues kennenzulernen, die eigene Komfortzone zu verlassen, Risiken einzugehen. Es war eine wunderbare, sehr inspirierende gemeinsame Reise“, beschreibt Daniel Koschitzki die Zusammenarbeit. „Wir haben zunächst sehr viele Frauen aus unterschiedlichen Epochen, Ländern und Genres gesammelt und die Auswahl dann im Lauf der Zeit immer mehr eingedampft und verdichtet. Wallis war Vielfalt und Diversität extrem wichtig. Es sind Frauen unterschiedlicher Ethnien aus neun verschiedenen Ländern und drei verschiedenen Kontinenten auf dem Album vertreten.  Wir wollten unbedingt ganz unterschiedliche Geschichten erzählen“, ergänzt seine Kollegin Andrea Ritter.

Im konzeptionellen Entwicklungsprozess des Programms von 2019 bis 2022 fanden zuerst regelmäßige Online-Meetings statt, wo sich die Musiker*innen über die Komponistinnen und den Spannungsbogen des Programm ausgetauscht haben. 2022 trafen sich die sechs Musiker*innen zum gemeinsamen Musizieren an der Ostsee. Da waren die ersten Arrangements bereits erstellt, aber es ging bei vielen Songs auch darum, Tonarten zu testen, Arrangementideen auszuprobieren etc. Die letzten Stücke wurden erst wenige Tage vor der Premiere im Sommer 2023 fertig, die beim stARTfestival in Leverkusen stattfand. Im Herbst 2023 ging es dann ins Studio. 

Bei den Arrangements gab es verschiedene Herangehensweisen. Zum einen wurden Komponist*innen und Arrangeur*innen aus ihrem Netzwerk beauftragt, die Songs für die spezielle Spark-Besetzung zu arrangieren, die ein großes Instrumentarium zur Verfügung hat. An diesen Arrangements wurde dann weiterexperimentiert und kleine Anpassungen vorgenommen. Einige der Songs sind auch von Mitgliedern von Spark arrangiert, wie z.B. „Visions of Venus“, das von Andrea Ritter für Spark final gestaltet wurde. „Es war ein sehr aufwendiger und zeitintensiver Weg, bis wir bei den finalen Stücken angelangt sind, in der Form wie sie auf der Bühne und auf dem Album erklingen“, beschreibt Koschitzki den Projektablauf.

Live 21.07.2024 @ Casals Forum Kronberg

Wer kann, sollte sich ein Konzert dieser fantastischen 5+1 Formation jedenfalls nicht entgehen lassen! Eine klassische Band (ja Band!), in der hochtalentierte, virtuose und beseelte Musiker*innen völlig in ihrer Musik aufgehen und ungemein dynamisch und gut aufeinander eingespielt sind. Atemberaubend schnelle Blockflötenmelodien & Grooves, Piano, Cello und Geige in perfektem Zusammenspiel, gefühlvolle und berührende leise Szenen und mittendrin die Person, die der Band in Sachen Talent, künstlerischer Version und Leidenschaft um nichts nachsteht: Wallis Bird. Die irische Singer-/Songwriterin mit der Liebe zum Groove ist für ihre energiegeladenen Shows bekannt und geht auch im Casals Forum in Kronberg, wo ich am 21.07. das neue Programm „Visions of Venus“ im Rahmen des Rheingau Musik Festivals erleben durfte, völlig in den sorgsam ausgewählten Songs auf.

Das Programm umspannt Tausend Jahre des Musikschaffens von weiblichen* Komponistinnen und wird live sehr abwechslungsreich präsentiert; mal spielen alle gemeinsam, mal nur die Band, mal nur Bird mit Piano oder einer Flöte. Auf der Bühne ist also schon mal jede Menge Bewegung, zumal die Musiker*innen allesamt vor Energie und Gefühl regelrecht überschäumen. Neben Flügel (Christian Fritz), Violine (Stefan Balazsovics) und Violincello (Victor Plumettaz) betten viele verschiedene Blockflöten Birds Stimme kammermusikalisch wunderbar ein. Andrea Ritter und Daniel Koschitzki fahren ein ganzes Arsenal von Blockflöten auf (im Studio waren es 30!), auf der Bühne sind es nicht ganz so viele. Dafür erklingt eine sog. Paetzold-Bassflöte, eine große, viereckige Bassflöte. Ritter und Koschitzki sind schon allein eine dynamisch hervorragende Einheit; ihr Spiel ist groovig und ausdrucksstark und beschert dem Gesamtsound eine Fülle von Klangfarben. Vor allem die warmen tiefen Klänge passen wunderbar zu Birds leicht rauchiger und souliger Stimme.

Auf die erwartungsvolle Spannung im Saal erklingt als erstes Hildegard von Bingens Stück „O Virtus Sapientiae“, das Bird und die Flötistin Andrea Ritter gemeinsam mit leisen, geloopten Chören und wunderschönen Blockflötenmelodien bestreiten. Weiter geht es mit dem einzigartigen „Oceania“, das Björk als Eröffnungssong für die Olympischen Spiele 2004 geschrieben hat und das aus der Sicht des Meeres auf die menschliche Evolution schaut. Hier bekommen wir Birds Stimmkraft eindrucksvoll zu hören. Beim folgenden „Dreier“ aus Amy Beach, Clara Schumann und Fanny Hensel beweist sie, dass sie sich auch der Klassik mit wandlungsfähiger Stimme nähern kann. Hensels Stück „There be none of beauty’s Daughters“ schmettert sie voller Freude in die Konzerthalle hinaus. Jazzig wird es bei „Now Or Never“ von Billie Holiday, von der viele nicht wissen, dass sie selbst auch Songs geschrieben hat. Ein Duett mit Christian Fritz am Flügel bringt uns Tori Amos‘ „Cloud On My Tongue“ wieder in wunderschöner Weise in Erinnerung (es ist aber wie einige andere live gespielte Songs nicht auf dem neuen Album zu finden). Bei Joni Mitchells „Big Yellow Taxi“ greift Bird dann selbst zur Gitarre. Auch das Publikum wird auf charmante Weise von ihr zum Singen eingeladen, bei Kate Bushs „Babooshka“ (best version ever!) zum Beispiel, bei Janis Joplins „Mercedes Benz“ und auch grandios: bei „You Make Me Feel Like A Natural Women“ von Carol King.

Auch die Instrumentalstücke sorgen für Highlights wie z.B. „Fast Blue Village“, eine rhythmisch herausfordernde Komposition der australischen Komponistin Elena Kats-Chernin, eigens für Spark komponiert und von den fünf perfekt in Szene gesetzt. Germaine Tailleferre, der einzige weibliche Teil der legendären „Groupe de Six“, eines einflussreichen Komponistenkollektivs der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, war mit dem zauberhaften „Larghetto“ ebenfalls Teil des Programms, neben einer Komposition von Isabella Leonarda, die eine Pionierin der frühbarocken Instrumentalmusik war.

Wallis Birds‘ Songs dürfen natürlich nicht fehlen. „Home“ erklingt aber nicht in der A Cappella-Originalversion, sondern von Andrea Ritter für die Band arrangiert. Das mitreißende Titelstück des Albums „Visions of Venus“ wird mir noch lang im Ohr nachklingen. Im Song „James Barry“ erzählt Bird die Geschichte eines 1798 geborenen Chirurgen, der eigentlich eine Frau war und sich als Mann ausgab, um praktizieren zu können. Bird setzt sich seit vielen Jahren für Female Empowerment und die LGBTQIA*-Community ein; so hat sie bewusst auch ein Lied einer Transperson ausgewählt: „Daylight And The Sun“ der transidenten Musikerin Anohni, die* für ihre tiefgründigen Lyrics bekannt ist. Enyas „Only Time“ ist ein würdiger und epischer Abschluss des sagenhaften Programms, das mit Standing Ovations belohnt wird. Hier zeigt sich mal wieder, dass Spark mit ihrem Konzept recht haben: das Publikum ist nicht so „geschmacksunbeweglich“, wie oft angenommen wird!

„Visions Of Venus“ will mutigen Menschen ein Denkmal setzen: denen, die sich gesellschaftlichen Erwartungen widersetzt haben, die sich hinter einer anderen Identität verstecken mussten oder im Verlauf ihrer Karriere diskriminiert und nie angemessen entlohnt wurden. Es ist ein Programm, das diese Pionierinnen, Ikonen und Role Models feiert – spannend und vielfältig. Genres werden freudig gesprengt und vergangene Epochen ins Heute überstellt. „Letztlich soll Visions of Venus Spaß und Befreiung sein, Unterhaltung, Erzählung, Einführung – fernab der Fragen nach Color und Sexual Identity“, heißt es im Promotext. „Love, Respect, Peace, Sex, Death, Healing“ ist denn auch auf Birds Effekte-Rack zu lesen. Ein herausragendes Programm, das ihr noch vier Mal in diesem Jahr erleben könnt.

Fotos: Leonard Kötters

CD „Visions of Venus
(VÖ: 19.04.2024 Neue Meister)

 

 

 

Termine:
20.08. Kiel, Casino der Stadtwerke  (Schleswig-Holstein Musik Festival)
21.08. Hamburg, Elbphilharmonie (Schleswig-Holstein Musik Festival)
04.09. Meran, Südtirol Festival (IT)
07.11. Fürth, Kulturforum

Infos: Wallis Bird & Spark

Ein Anlass des Abends war es, das neue Hessen Ländernetzwerk von Music Women* Germany vorzustellen. Der Verband setzt sich seit 2019 für eine Musikkultur und -wirtschaft ein, die vielfältig, divers, digital und vernetzt gestaltet ist. Er bietet eine bundesweite Datenbank von 400 weiblich gelesenen Akteurinnen* der Musikbranche, vernetzt, unterstützt und berät kostenfrei bei der Karriereplanung und veranstaltet Tagungen, Workshops und Konzerte und betreibt viel Lobbyarbeit. Mittlerweile gibt es 16 Ländernetzwerke und seit 2023 auch eine Initiative, ein Hessen-Ländernetzwerk zu gründen. Sabrina Theisen-Steiz und Francesca Herget vom Wiesbadener Schlachthof brachten den Stein ins Rollen und bekamen die Zusage für eine Infrastukturförderung durch die Initiative Musik, um Strukturen für die Gruppe aufzubauen.

Talkrunde von li nach re: Lisa-Anna, AINIE, Jenne, Mane Stelzer (Moderation) (Foto: Tsvetelina Topalova)

Als Talkgäste von MusicHeWomen*Germany begrüßten wir die Musikerin, Produzentin und Songwriterin AINIE aus Frankfurt am Main. AINIE ist der Künstlerinnenname von Nadine Demetrio, seit 2023 ist sie Teil des Female* Producer Collectives und Mitgründerin von MusicHeWomen*Germany. Ebenfalls dabei war die Frankfurter DJ Jenne Schöning, die seit 2021 als Resident DJ und Bookerin im Frankfurter Künstler*innen-Kollektiv saasfee* aktiv ist und seit neuestem auch im Vorstand von MusicHeWomen*Germany ist. Eine weitere Perspektive kam von unserer dritten Talkgästin, der Multiinstrumentalistin, Musiklehrerin, Songwriterin und Chorleiterin Lisa-Anna von ELL. ELL ist ihr Krachpop-Duo mit dem Schlagzeuger Lennart, das beim Ladys&Ladies Label unter Vertrag ist und im Herbst das Debüt-Album veröffentlicht.

Wie kam es zu MusicHEwomen*?

Die Frankfurter DJ Jenne hatte das Fehlen eines Ländernetzwerks in Hessen schon länger verfolgt und wurde zufällig als DJ zur Gründungsveranstaltung des hessischen Ländernetzwerks in den Wiesbadener Schlachthof eingeladen. So lernte sie die Gründer-Crew kennen. „Hessen ist ziemlich hinterher deutschlandweit mit der Förderung von weiblich* gelesenen Personen. Es gibt in anderen Bundesländern schon viel, viel Weiteres, auch zum Thema Awareness. Auch wenn ich mir Frankfurts Clubszene angucke, es gibt da ein paar Pionier*innen, z.B. im FREUD Club gibt es schon von Anfang an ein Awareness-Team, aber in Berlin gibt es das sehr viel mehr. Da ist auf jeden Fall Nachholbedarf“, erzählt sie beim Talk.

Producerin AINIE ergänzt, dass sie beim Reeperbahnfestival auf die Wiesbadenerinnen getroffen ist und danach schon die ersten gemeinsamen Calls begannen. Nach den Zielen des Hessen-Netzwerks gefragt, sagte sie: „In Frankfurt gibt es für uns eine Menge zu tun. Wir haben ja noch nicht mal ein Popbüro oder irgendwas, was Künstlerinnen allgemein fördert. (…) Auf unserer Agenda steht natürlich, dass wir FLINTA* Personen, weiblich gelesene Personen oder auch Personen, die sich jenseits des binären Systems verorten, fördern, dass sie Veranstaltungen haben, wo die Leute networken können. Wir nehmen beratende Tätigkeiten ein, wir wollen auch selbst Veranstaltungen machen wie Songwriting-Workshops oder auch Artists auftreten lassen, dass man zusammenkommen kann, dass man eine Bühne hat, eine Plattform, wo man gesehen wird, aber auch sehen kann“. Zur Zeit ist das Netzwerk noch Frankfurt- und Wiesbaden-based, aber es ist geplant, in Hessen „überall unsere kleinen Zellen“ aufzubauen.

Role Models

Für sie sei das eine ganz neue Erfahrung gewesen, andere DJs auch als Role Models zu erleben, sagt Jenne. „Ich bin nie auf die Idee gekommen, selbst DJ zu werden, weil ich nie eine weiblich gelesene Person gesehen hab, die hinter dem DJ-Pult steht. Einer meiner größten Inspirationen war Helena Hauff, das ist eine ganz tolle DJ mittlerweile, superbekannt, aber die hat genau meinen Sound gespielt, und ich war so: ‚Oh mein Gott, das ist eine Göttin, das möchte ich auch!‘ Ich konnte mich so krass mit ihr identifizieren und danach dachte ich: ‚Ich kann das ja eigentlich!‘. Dann hab ich damit erst so richtig angefangen (…) und gemerkt, Repräsentation ist einfach sehr wichtig“.

Auch Lisa-Anna (ELL) hatte vor allem Sängerinnen als Vorbilder. „Ich fand es immer schwierig, ein Vorbild zu finden, die Instrumentalistin ist. Ich hatte am Anfang Struggles mit meiner Stimme, weil ich sie selber nicht so schön fand. Dann dachte ich immer ‚Scheiße, ich würd so gern in ’ner Band sein und gern auf der Bühne stehen, aber ich kann nicht Sängerin sein, und ich kann aber dann auch nichts Anderes sein, denn das Andere sind Männer!‘ (…) Erst mit 17 dachte ich ‚ich lern jetzt einfach Bass‘ (…) und hab dann die richtige Freundin getroffen, mit der ich das dann durchgezogen habe. Aber klar, als Sängerin war Avril Lavigne ein großes Vorbild für mich und Wallis Bird auch“.

Strukturen: Räume, Awareness & Gatekeeper*innen

Ainie ist Teil des Female* Producer Collectives, auf das sich in der letzten Runde 131 Musikerinnen* beworben hatten. „Weiblich gelesene Produzentinnen sind noch sehr unterrepräsentiert. Ziel ist es, dass man diese Leute aufbaut, wenn sie noch nicht so weit sind. Dass man sie coacht. Die Leute bekommen Workshops, sie bekommen die Möglichkeit, andere Leute zu produzieren, zu networken. Man kriegt wichtige Kontakte in die Industrie, zu Sony usw. Mir persönlich hat das sehr viel gebracht, ich war supergrün hinter den Ohren, und nach dem F*PC wusste ich einfach, wie das ‚Game‘ funktioniert“. Wer einmal drin ist, kommt über das Netzwerk an Jobangebote.

Wir sprechen über Übungsspaces für DJ, die es laut Jenne früher an der Uni gab und z.B. in der Raumstation in Rödelheim immer noch gibt. Spaces für FLINTA*, in denen frau* das Auflegen gut üben kann, ohne direkt vors Publikum zu gehen. Jennes Künstler*innenkollektiv saasfee* veranstaltet im Satellit direkt am Bürgergarten und open air die Tiny Bar, zu der DJs auflegen. Leider gibt es aber viele Lärmbeschwerden gerade, weswegen das Format ausgesetzt wurde.

Jenne merkt auf jeden Fall einen Wandel seit sie 2017 angefangen hat. Seit der Pandemie gäbe es viele weiblich gelesene Personen, die angefangen hätten aufzulegen, viele neue Partykollektive und es würde mehr bemängelt, wenn irgendwo ein all male LineUp ist. „Ich hab [als DJ in der Clubszene] schon viele dumme Sprüche eingesteckt. (…) Da müssen wir einfach gucken, dass wir uns besser vernetzen.“ Wenn mal eine Frau im LineUp sei, mache sie meist das Opening, auch die Artist Care oder das Personal an der Bar im Club seien oft FLINTA* Personen. Im Booking und bei den Clubbesitzer*innen seien es dagegen fast immer männlich gelesene Personen. „Deshalb müssen wir versuchen, dass diese wichtigeren Positionen von FLINTAS besetzt werden, weil dann gibt es einen ganz anderen Umgang damit“.

Jenne sagt zum Thema Awareness & safe spaces: „Es gibt ja jetzt den Begriff von ’nem safer space, weil einen safe space kann man nie generieren. Aber man kann versuchen, dass sich Menschen wohlfühlen. Das ist eine sehr wichtige Angelegenheit, aber sehr schwer umzusetzen, weil man ja gleichzeitig auch niemanden diskriminieren will. Zum Beispiel bei einer Selektion an der Tür fängts ja irgendwie schon an. Wenn man eine queere Party machen will, dann versucht man ein gewisses Publikum zu generieren, gleichzeitig möchte man aber auch niemanden diskriminieren. Man möchte nicht assumen, was die Person für eine Einstellung oder sexuelle Orientierung hat. (…) Aber Awareness fängt vor allem von innen an, es ist wichtig, patriarchale Strukturen zu durchbrechen bei den Clubbesitzern, dass man bei sich anfängt, bevor man fünf Leute beschäftigt, die kriegen fünf Euro die Stunde und sagen ‚wir machen jetzt Awareness‘ und haben eine Schärpe um, damit ist es halt nicht getan, sondern es fängt vor allen Dingen erstmal bei Team an“.

AINIE ergänzt: „Es ist zur Zeit ein Modebegriff und alle wollen sich die Plakette auf die Stirn kleben und sagen ‚wir machen Awareness und wir haben hier ein Team‘, aber da hängt halt superviel damit zusammen und es muss funktionieren mit der Türpolitik und dass die Leute eine Art Schulung durchlaufen haben. (…) Bei Music Women* Germany sind wir bei dem Thema so verhalten, weil wir uns darüber bewusst sind, dass man sich das erst wirklich auf die Fahnen schreiben kann, wenn man sich damit eine ganze Weile auseinander gesetzt und da auch Erfahrungen gesammelt hat. Wir wollen das sehr behutsam und mit Respekt angehen“.

Stichwort Gatekeeper*innen: Nach den Meilensteinen in ihrem Werdegang gefragt, erzählt Lisa-Anna von ELL, dass entscheidend gewesen sei, dass sie während der Pandemie bei Kurt Ebelhäuser aufnehmen konnten und dass sie Johanna Bauhus vom Ladies&Ladys Label kennengelernt hätten, die sie unter Vertrag nahm und seitdem sehr unterstützt hat. Durch sie hätten sie ihren jetzigen Produzenten kennengelernt, der sie an Das Lumpenpack vermittelt hätte, mit denen sie auf einer ausgedehnten Konzerttour waren. Dadurch haben sie ihren jetzigen Booker kennengelernt, der ihre Herbst-Tour bereits gebucht hat.

Lisa-Anna und Lennart kommen eigentlich aus Lindenfels in Hessen, haben sich aber Anfang diesen Jahres für Chemnitz als Wohnort entschieden, weil sie dort „Platz für uns als Band“ hatten und es dort bezahlbaren Wohnraum gibt. Dort gibt es außerdem ein Bandbüro, das über ein Gebäude verfügt, wo viele Proberäume sind, wo es ein Studio gibt und wo eine Videofirma sitzt; auch der Verein Music X, für den sie die Kinderband betreut, ist dort.

Wie ist die Situation in Frankfurt? Hier gibt es das Problem, dass die Proberäume in den Musikbunkern nicht optimal genutzt werden, weil viele ältere Mieter*innen – meist Männer – diese Räume schon sehr lang und oftmals allein nutzen. Auch wissen viele jüngere Musiker*innen gar nicht, dass wir in Frankfurt eigentlich jede Menge Proberäume haben (fragt gern hier mal nach freien Räumen).

Welche Nachwuchsförderungen braucht es?

Lisa-Anna hat selbst auch Musik in der Schule unterrichtet und betreut jetzt eine gemischte Kinderband in Chemnitz. Sie ist überzeugt, dass die Schule geeignet ist, Kinder für Musik zu begeistern, wenn man selber davon begeistert ist. „Wenn man dafür brennt, ist es sehr einfach, die Kinder dafür zu begeistern. Gerade in der Grundschule sind die noch sehr begeisterungsfähig. Wenn es dann einen Übergang gäbe, wo die Lehrkraft die Kinder, die Bock haben und auch dafür brennen, weitervermittelt an Lehrende, die das Instrument den Kindern beibringen könnte oder wo die Kinder noch tiefer einsteigen können oder wenn es dann wirklich Angebote gäbe, die an der Schule angegliedert sind, vielleicht im Nachmittagsprogramm, wo man die Kinder direkt weiterleiten kann, das wäre ein guter Anknüpfungspunkt“. Auch unsere Erfahrungen bei den Nachwuchsworkshops decken sich mit ihrer Einschätzung: es braucht niedrigschwellige Angebote in den Schulen, wo die Kinder schon sind, damit die Hürden, sich für einen Bandworkshop anzumelden, nicht so hoch sind und um auch die Kinder mitzunehmen, die sich keinen Musikunterricht leisten können.

Fem Night Foto: Tsvetelina Topalova

Fem Night Foto: Tsvetelina Topalova

Publikumsrunde: Was ist euch wichtig?

Bei der Publikumsrunde meldete sich die Musikerin und Schauspielerin Katharina Wittenbrink aus Offenbach zum Thema Nachwuchsförderung zu Wort. Sie erzählte vom Förderprojekt „Me2You“ des Frankfurter Kulturamts, bei denen Künstler*innen verschiedener Genres (gut bezahlt) mehrere Monate lang mit Jugendlichen im Alter von 13-16 Jahren arbeiten. Katharina macht mit ihnen Musik, schreibt mit ihnen Songs und bringt ihnen die Instrumente bei, die sie lernen wollen. „Da merke ich auch, dass es noch ein riesengroßer Unterschied ist zwischen Jungen und Mädchen, was sie sich selbst zutrauen, was für ein Instrument sie lernen wollen. Und zum anderen hab ich das Gefühl, da bräuchte es eine stärkere Förderung für junge Mädchen (…) Je gemischter Bandprojekte sind, desto mehr wird es geschlechtlich stereotypisch besetzt. Je mehr Mädchen unter sich sind… ich hab durch Zufall eine komplette Mädchengruppe (…) die haben auf alles Bock“. So ein Programm müsse man speziell für junge Mädchen auflegen.

 

Weitere gute Ideen fanden sich auf unserer Leinwand wie z.B. die Forderung nach mehr Druck auf paritätische Besetzung bei Veranstalter*innen oder Radiosender mit Zeitfenstern, in denen ausschließlich FLINTA* Musik läuft, dazu mehr Workshops, Events & Stammtisch für den Austausch unter Musikerinnen*.

 

Nach dem Talk betrat die Songwriterin und Musikproduzentin Annelie Schwarz aka AUFMISCHEN die Bühne, die seit letztem Jahr ebenfalls Teil des Female* Producer Collectives ist. Sie präsentierte ihren deutschsprachigen Elektro-Art-Pop mit Rap- und Techno- Einflüssen mit viel AUFMISCHEN-Energie und nahm das Publikum charmant-ehrlich mit zu den Hintergründen ihrer Songs.

 

Foto: V. Höfele

Foto: V. Höfle

Danach kam das Krach-Pop-Duo ELL, das laut Rockband-Duden zwar personell unterbesetzt ist, sich auf der Bühne aber multipliziert und nach ganzer Band klingt. In ihren deutschsprachigen Songs geht es viel um Empowerment, safer spaces und das Spielen mit Stereotypen, vor allem aber macht ihre Musik Spaß (und eine neue Fönfrisur)!

 

Auf der Elfer-Terrasse gab es danach bei sommerlichen Temperaturen noch Zeit zum netzwerken und neue Kontakte knüpfen. Wer nicht dabei sein konnte:

Infos & Kontakt MusicHEwomen* 

Fotos: Donna Diederichs

Wir bedanken uns bei: Frauenreferat Frankfurt, Kulturamt Frankfurt, MusicHeWomen*Germany, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland, Initiative Musik.