Das war das Jahr 2020
unsere Projekte zusammengefasst
Melodiva Club Concert zum Weltfrauentag: Christina Schamei Quintett
Wir eröffneten das Jahr mit unserem Konzert zum Weltfrauentag in der Frankfurt Art Bar, in Kooperation mit der Jazz-Initiative Frankfurt. Die Kölner Sängerin nahm uns mit in die verwinkeltsten Ecken ihrer Fantasie. Eindrücke von Schöpfung, Geburt, Tod, Zweifel, Inspiration und Liebe hat Christina Schamei in ihre Kompositionen einfließen lassen. Den modernen Jazz-Sound ergänzen Einflüsse und Elemente aus der Romantik und dem Avantgarde. Prägendes Element der Musik ist die Achse zwischen Stimme und Saxofon, wobei der Antagonismus aus „Ähnlichkeit“ einerseits und „Kontrastierung“ andererseits für spannende Momente und Klangfarben sorgt. Sie hat sich bereits als Mitglied bei den „Kicks und Sticks Voices“ des Landesjugendjazzorchesters Hessen (2011-2015) einen Namen gemacht, war Stipendiatin des interdisziplinären Jahresprojektes „Mythos. Moderne. Morgen.“ am Kolleg für Musik und Kunst in Montepulciano und Stipendiatin bei Live Music Now Rhein-Ruhr. Seit 2016 setzt sie sich als Gründungsmitglied und Mitorganisatorin des PENG Frauenjazzfestivals für eine größere Akzeptanz von Frauen im Jazz ein. In dieser Funktion war sie im November bei uns ein zweites Mal zu Gast. Das ausverkaufte Konzert konnte gerade noch stattfinden, bevor in der Woche darauf der erste Lockdown verhängt wurde.
Absagen, Planänderungen und neue digitale Ufer
Es folgte eine Zeit der großen Unsicherheit. Der geplante zweite Jazz Girls Day, der am 25.03. stattfinden sollte und nach einer Woche bereits ausgebucht war, musste abgesagt werden. Wir legten den Schwerpunkt unserer laufenden Arbeit in der Melodiva-Redaktion darauf, Musiker*innen zeitnah Informationen zu Förder- und Hilfsprogrammen, Neuregelungen und politischen Statements von Fachverbänden zu bündeln, zu sortieren und bereitzustellen. Außerdem öffneten wir unter dem Stichwort #artistathome unsere News für Corona-Aktionen, Videostreams und andere Neuigkeiten, die die Musikerinnen* aus dem Lockdown heraus noch realisieren konnten. Ein dritter Schwerpunkt unserer Berichterstattung waren drei Umfragen, die wir unter den Musikerinnen aus unserem Netzwerk durchführten, um mehr über die Situation der damals noch ganz neu ins Schlaglicht der allgemeinen Öffentlichkeit geratenen Soloselbstständigen zu berichten. Inzwischen war das Frühjahr vorangeschritten, und wir hatten unseren für Mai geplanten female music point auf den Oktober verschieben müssen. Glücklicherweise gelang es uns, einen neuen Termin zu finden, an dem fünf der sechs Dozentinnen Zeit hatten. Da sich bereits abzeichnete, dass Gesangsworkshops in der Coronapandemie besonders problematisch sind, entschlossen wir uns schließlich, diesen Workshop auf unbestimmte Zeit zu verschieben, und den female music point mit fünf Workshopgruppen durchzuführen. Wie genau die Hygieneregeln dann aussehen würden und in welcher Form wir würden arbeiten können, blieb lange Zeit unklar. Auch unser für den 28. November angedachtes Jubiläumsfest blieb die größte Zeit des Jahres in einer vagen Planungsphase stecken, weil weder unser Kooperationspartner – die Brotfabrik – noch wir absehen konnten, ob ein solches Projekt dann möglich und finanzierbar sein würde.
Der bewährte Miezenabend, geplant für den 19.09., wagte sich dieses Jahr in die virtuelle Welt. Ende Juli 2020 hatten wir schweren Herzens entschieden, den 8. Miezenabend, die female Newcomer Stage im habel.elf in Frankfurt wegen der Corona-Pandemie abzusagen. Um Newcomerinnen* aber trotzdem eine Bühne zu geben, kam uns die Idee, den Künstlerinnen* eine Digital-Ausgabe zu widmen. Jetzt hieß es kalte Getränke, Chips und Konfetti bereitstellen, denn… am Samstag, 21.11.2020 um 19 Uhr ging unser MIEZENABEND FESTIVALFILM auf Youtube an den Start! Mit dabei waren Agentha D., Cissi Tari, Mira Zounogo, KeinKindVonTraurigkeit, Lara Youssafi, lauraannerose und Mimose! Für den Film besuchte die Melodita-Redaktion außerdem die Konzertlocation habel.elf, um die Moderationen aufzunehmen. Dass wir – das Nachwuchs-Redaktionsteam von MELODITA – bei den Dreharbeiten vor Ort viel Spaß hatten, könnt ihr in den Outtakes beim Abspann sehen.
Hygieneregeln und Musik – Liveveranstaltungen im Oktober
Melodiva Club Concert: Olivia Trummer – 08.10.2020 in der Fabrik Frankfurt
Im Oktober wagten sich die Melodiva Club Concerts wieder ins reale Leben: Mit Olivia Trummer hatten wir eine echte Allrounderin im Programm. Wir freuten uns sehr, dass die aktuelle Lage und die räumlichen Gegebenheiten bei unserem Kooperationspartner, der Fabrik Frankfurt es erlaubten, zwar mit reduzierter Zuschauerzahl, aber dafür bei ausverkauftem Haus, tatsächlich ein Live-Konzert durchführen zu können. Jazzpianistin, Sängerin, Komponistin – Olivia Trummer ist alles in einem. In ihrem Solokonzert schöpfte die klassisch ausgebildete Musikerin aus einem breit gefächerten musikalischen Spektrum. Ihre Songs sind geprägt von der Unkonventionalität einer Vollblut-Jazzmusikerin und weisen gleichzeitig eine Sensibilität für populäre Musik und Singer/Songwriter-Elemente auf. Und mit ihren Jazzarrangements von Werken J. S. Bachs und W. A. Mozarts stellt sie wiederum die Verbindung zur Klassik her. Olivia Trummer wurde in Stuttgart in einer Musikerfamilie geboren, begann früh mit einer klassischen Klavierausbildung und entdeckte zeitgleich ihre Neugier, sich auch über Improvisation und Komposition auszudrücken. Sie studierte Jazzklavier und klassisches Klavier an der Musikhochschule Stuttgart, schloss jeweils mit Auszeichnung ab und setzte ihr Jazzklavierstudium an der „Manhattan School of Music“ in New York fort. Zahlreiche Auszeichnungen (z.B. Jazzpreis Baden-Württemberg 2019, Jazzpreis Ingolstadt 2014, „stART“-Programm von Bayer Kultur in Leverkusen) sowie bisher 8 veröffentlichte eigene Alben belegen Olivia Trummers Produktivität als Pianistin, Sängerin und Komponistin und Songwriterin.
Endlich an die Instrumente – Female Music Point #1 und #2
Im Oktober gingen auch nun endlich unsere Workshops des female music points an den Start. In fünf Workshopgruppen, die aufgrund der Abstandsregeln auf zwei Wochenenden verteilt waren, probten, musizierten und komponierten knapp 30 Frauen* mit Begeisterung in den mit Plastikaufstellern hygienisch unterteilten Proberäumen von Waggong e.V.. Im Jazzensembleworkshop mit Anke Helfrich beschäftigen sie sich mit Themen wie Intros, Improvisation, Soloaufbau, Comping, Zusammenspiel, Head-Arrangements, Endings, Zusammenstellung eines Sets etc.; bei Cordula Hamacher ging es um den Ton, der die Musik macht – aber ist das wirklich nur ein einzelner Ton oder was gehört noch alles dazu? Was macht einen guten Bandsound aus? Klang, Dynamik, Interaktion, Timing? Anhand dieser und anderer Fragen wurden Grundlagen des Zusammenspiels und der Improvisation erarbeitet und verfeinert. Im Songwritingworkshop mit Jacky Bastek ging es um musikalische Strukturen, Eigenschaften eines guten Songs, und um Fragen wie: Wie finde ich mein Thema? Wie gehe ich musikalisch damit um? Wie nähere ich mich einem Text, der mir dann auch gefällt? Wie bekomme ich Routine darin, Klangideen auf das Papier zu bringen? Bei den Rock-Pop-Ensembleworkshops mit Trish Ross und der kurzfristig eingesprungenen Brigitte Volkert schließlich wurde die innere Rampensau ans Licht gebracht. Themen dabei waren unter anderem: Timing auf Klick, Dynamik und Performance. Es wurden Stücke eingeübt und der neu enstandene Bandsound anhand von Audio- und Videoaufnahmen überprüft.
Virtueller Winter
Kulturpatenschaften für den fortgesetzten Ausnahmezustand
Als der Sommer zu Ende ging, hörten wir aus den Reihen unseres Musikerinnen*-Netzwerks immer besorgtere Rückmeldungen. Die Reserven, die eigentlich für die Rente gedacht gewesen waren, neigten sich bei vielen bereits dem Ende zu, die Hilfen der Politik kamen bei vielen immer noch nicht richtig an, und ein Ende des fortwährenden Ausnahmezustandes war weiterhin nicht in Sicht. Ohne die Möglichkeit, Musiker*innen für Veranstaltungen zu buchen, konnten wir außer Berichterstattung auch wenig tun, um die Situation wenigstens von einigen Wenigen zu verbessern. Um wenigstens unsere Kontakte und unsere Plattform zum Positiven zu nutzen, riefen wir darum das Projekt der Kulturpatenschaften ins Leben: Wir vermittelten – und vermitteln auch weiterhin – Patenschaften zwischen Musikfans und interessanten Musikerinnen*. Ob ein Wohnzimmerkonzert, ein persönliches Videotutorial, ein professionell komponiertes Geburtstagsständchen… – auch in der konzertlosen Zeit haben Musiker*innen viel zu bieten. Und so manche*r Pat*in, dessen/deren finanzielle Situation es erlaubte, entschloss sich, eine Musikerin* nachhaltig mit einer monatlichen Spende zu unterstützen. Vielen lieben Dank dafür!
Jubiläum im Netz – „Von lila Latzhose bis Keychange – 35 Jahre female music networking“
Als unser Jubiläumstermin im November immer näher rückte, wurde klar, dass wir neu denken mussten: Anstatt einer Jubiläumsparty mit allem Pipapo in der Frankfurter Brotfabrik griff nun Plan C und wir tauchten vollends in die digitale Welt ab. Unser erster Livestream stand an! Mit unseren zur Posiumsdiskussion geladenen Gästinnen sinnierten wir über das Gestern und Heute: Was haben wir, was haben Musikerinnen* erreicht? Welche Strategien waren und sind erfolgreich? Wo sind nach wie vor die gläsernen Decken der Musikszene? Haben safe spaces nach wie vor ihre Berechtigung? Welche neuen Strategien braucht es für den Musikerinnen*support 2020 und den Support von Mädchen*? Mit dabei waren Christina Schamei (Musikerin & Peng!-Festival), die wir im März bereits im Konzert erlebt hatten, Merle Bremer von der Keychange-Initiative, Prof. Dr. Barbara Hornberger von der Hochschule Osnabrück, Gabriele Rummel aus unserem Vereinsvorstand und unsere jahrzehntelange Mitstreiterin und Kooperationspartnerin Maria Schmitt von Waggong e.V. Die Moderation übernahm Christina Mohr (Spex, Missy M., CulturMag). Die Diskussion ist weiterhin über diesen Link nachzuschauen.
Das letzte geplante Konzert in diesem Jahr, eine Kooperation mit der Jazz-Initiative Frankfurt, hätte am 03.12. in der Romanfabrik stattfinden sollen. Das Konzert mit dem Makiko Hirabashi Trio musste jedoch wegen des erneuten Lockdowns ausfallen.
Trotz aller Schwierigkeiten freuen wir uns auf das nächste Jahr mit und für euch!
Eure MELODIVEN