Diskriminierung ist keine Kunst – Klägerin gibt Stellungnahme zu Knabenchor-Urteil
Das Verwaltungsgericht Berlin hatte am 16.08.2019 die Klage der Anwältin Susann Bräcklein abgewiesen, deren Tochter Aufnahme sich um die in einem Knabenchor beworben hatte. Nun hat sie in einer Stellungnahme das Urteil kritisiert.
Das Das Gericht verkenne ganz maßgeblich, dass die Ausbildungsmöglichkeiten von Mädchen und Jungen in Berlin gerade nicht gleich oder gleichwertig sind. Nur Jungen erhalten die intensive und kostenfreie Gesangsausbildung an der UdK. Fantastisch sei dabei die Interpretation der Richter, bei dem explizit auf „Jungen“ ausgerichteten Werbeangebot des Chores seien „Mädchen“ mitgemeint.
Sie kritisiert die Auffassung des Gerichts, die Ablehnung eines Mädchens beruhe bei einem zu 100 Prozent männlich besetzten Chor nicht unmittelbar auf dem weiblichen Geschlecht als lebensfremd. Kinder seien weder Instrumente, durch die sich ein Chorleiter in seiner künstlerischen Freiheit verwirkliche, noch Profis, die mit dem Singen ihren Lebensunerhalt verdienen. Daher stehe in staatlichen Chorschulen die Ausbildung und nicht wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund. Zudem habe das Gericht von der Klägerin vorgelegte Studien nicht ausreichend berücksichtigt, nach denen bei gleichem Repertoire und gleichem Gesangstraining Zuhörer nur mit an Zufälligkeit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Klangunterschied zwischen Mädchen- und Jungenchören wahrnehmen (vgl. Howard, Independent vom 9.3.2003: “Girls‘ singing voices‚ are just as pure as boys”.). Die Aufnahme von Mädchen könne die Kunstfreiheit deshalb nur minimal berühren; der generelle Ausschluss von Mädchen führe dagegen zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Diskriminierungsfreiheit.
Die Klägerin schließt mit dieser Feststellung: „Das Gericht stellt tragend auf die subjektive Wahrnehmung des Chorleiters ab. Entscheiden sei, wie er allein Stimme und Motivation einer Bewerberin beurteile. Diese Rechtsauffassung eröffnet jedenfalls dann praktisch unbegrenzte Spielräume für individuelle Ablehnungsmöglichkeiten, wenn keine fairen und geschlechtergerechten Aufnahmeverfahren installiert sind (sog. blind auditions).