Phalleé & Baldu

“Zwischen den Zeilen“

Welche*r Künstler*in will das nicht: kreativ arbeiten ohne Vorgaben, Erwartungen und Pflichten, loslegen und schauen, was passiert. Die Musikerin Phalleé aka Stephanie Neigel, bekannt als Jazzsängerin (Les Brünettes, Söhne Mannheim Jazz Department), hat sich mit dem Schlagzeuger und Produzenten Tommy Baldu (Six Was Nine, Laith Al-Deen) im Corona-Lockdown die Freiheit herausgenommen, ein ganz neues Kapitel in ihrer Biografie aufzuschlagen. Ihre acht Songs sind voller Fragen: Wie wo wann macht Leben Sinn? Wo gehen wir hin, wo wollen wir sein, wo stehen wir? Verlieren wir gerade alles oder gewinnen wir etwas neu? Sie singt von den inneren Stimmen, die manchmal miteinander ringen, von den „Monstern“, die jede*r von uns – meist ungewollt – in sich trägt, von Zweifeln und Ängsten. Aber auch von der Sehnsucht, in eine stillere Welt abtauchen zu können („Tief im Meer“). „Gesichter“ ruft uns in Erinnerung, wie fragil unser Frieden und Wohlstand sind. „Vor der Wahl“ stellt klar, dass wir es alle in der Hand haben, ob wir nur nehmen oder auch geben und die Welt ein bisschen besser machen. Phalleés Gesang & Spoken Words kommen uns auf der Platte ganz nah, sie klingt persönlich und intim wie nie zuvor, begleitet von collagenhafter Musik, die sich Zeit lässt, auf Nebengleise abbiegt, hörspielartig Geräusche einsetzt. Mehr Werkschau als durchchoreografiert, trotzdem wohl gesetzt. Ein Soundtrack zum Innehalten und Nachspüren.

CD, 2022, 8 Tracks, Label: Phalleé & Baldu Records

Mane Stelzer

22.10.2022