Overcoats
“Young“
Es heißt, dass Hana Elion und JJ Mitchell ihre ersten gemeinsamen Gesangsaufnahmen als „epiphany“ (Offenbarung) empfanden – und tatsächlich bekommt frau beim Hören von „Young“, dem Debütalbum der New Yorkerinnen dasselbe Gefühl. Die Stimmen der beiden winden sich umeinander, schrauben sich in sphärische Höhen und entwickeln die reinste Magie, vergleichbar allenfalls mit dem Duo Ibeyi. Overcoats bauen jedoch nicht allein auf die Wirkung ihres Gesangs, sondern bieten auch musikalisch Überraschendes. So gelingt es den beiden, so unterschiedliche Stile wie Bluegrass, Folk, Gospel und R’n’B zu verbinden – Tradition und Moderne, auf einem Album, und zuweilen auch im selben Stück. Was „Young“ so außergewöhnlich und faszinierend macht, ist die Verknüpfung puristischer „Reinheit“ (im Sinne von Unschuld) und gleichzeitiger Coolness und Popaffinität. Ungefähr so, als würden zwei Quäkermädchen in einem HipHop-Club auftreten. Overcoats arbeiten mit Elektronik und analogen Instrumenten, legen Schicht auf Schicht, bis die Songs regelrecht dreidimensional erscheinen. Der Effekt ist unbeschreiblich, wenn sich unter den glasklaren Gesang ein nach vorne schiebender, knochentrockener Beat legt – hört euch mal „Leave The Light On“ an oder „Siren“: großartige, im Grunde schlichte, aber maximal wirkungsvolle Songs. Das große Oberthema von „Young“ ist die Familie – eingebettet in den Opener „Father“ und den Schlusstrack „Mother“ entfalten Elion und Mitchell ein so einfühlsames wie schonungsloses Panoptikum familiärer Verstrickungen. Ein großartiges Album, dem frau die größtmögliche Aufmerksamkeit wünscht.
CD, 2017, 12 Tracks, Label: Arts & Crafts
Christina Mohr08.05.2017