Ursina

“You Have My Heart“

Ursina Giger kommt aus der Schweiz, und es heißt ja, dass dort die Uhren anders tickten – langsamer eventuell, jedenfalls nicht unbedingt im Gleichklang mit dem Rest der Welt. Bei „You Have My Heart“, dem Debütalbum der 31-jährigen Singer-/Songwriterin fallen als erstes die unterschiedlichen Rhythmen und Tempi auf: Der Titelsong ist ein langsamer Walzer, während „Question Untold“ im munteren Discofox gehalten ist, „Running“ und „Behind Us“ treiben countryesk nach vorne. Die in Ursina’s Muttersprache rätoromanisch gesungenen Balladen „En In Mund“ und „Affonza“ sind zurückhaltender, beinah spröder Folk – es kommt also nicht von ungefähr, dass sich Ursina mit Wir-sind-Helden-Schlagzeuger Pola Roy einen ebenfalls sehr rhythmusaffinen Produzenten ausgesucht hat (der im Übrigen sehr zurückgenommen agiert und keine neue Helden-Platte aus „You Have My Heart“ gemacht hat). Ursina ist aber auch eine klassisch ausgebildete Multiinstrumentalistin und Sängerin mit Liebe zum groß angelegten Arrangement (Trompeten! Posaunen!) bei gleichzeitiger Verortung im Hier und Jetzt und deutlichem Faible für anspruchsvollen Folkpop á la Leslie Feist – auf Albumlänge schafft Ursina eine faszinierende eigene Welt, in die frau eintaucht und verändert wieder herauskommt. Das liegt an Ursina’s eindringlichem Gesang und poetischen Lyrics einerseits, aber eben auch an der sanft kathartisch wirkenden Musik. Ruhe und Aufruhr wechseln einander ab, bedingen einander – „You Have My Heart“ folgt seiner ganz individuellen Dramaturgie, und wenn das Album mit „Try To Sleep“ endet, wird frau genau das nicht wollen, sondern die Songs nochmal von vorne hören.

CD, 2017, 10 Tracks, Label: Radicalis

Christina Mohr

07.03.2017