Ani DiFranco

“Which Side Are You On?“

Alben von Singer-/Songwriterinnen sind musikalisch meistens nicht besonders spannend, schließlich kommt es ja zuallererst auf die Texte an. Nicht so bei Ani DiFranco, die selbstverständlich auch sehr viel Wert auf ihre Lyrics legt, der Musik aber einen mindestens ebenso hohen Wert beimisst. Seit über zwanzig Jahren betreibt DiFranco ihr eigenes Label Righteous Babe Records und genießt deshalb alle künstlerischen Freiheiten. Nach einer längeren Veröffentlichungspause zieht sie auf ihrem 17. Studioalbum alle Register: Protestsong, Folk, Funk und Punk, Mariachi-Klänge, jazzige Avantgarde, eigenwillige Americana-Entwürfe. Die 41-jährige verliert sich aber nicht in uferlosem Ausprobieren; DiFranco ist wild und fokussiert zugleich, mutig und klug in der Auswahl ihrer GastmusikerInnen: Cyril Neville von den Neville Brothers ist dabei, Anais Mitchell, der Saxofonist Skerik und ein Hornisten-Orchester aus New Orleans. Anis volumige Stimme und ihr geniales Fingerpicking-Gitarrenspiel halten alles zusammen: Sympathie zur
Occupy-Bewegung, die Zukunft Amerikas, ihr Leben als Ehefrau und Mutter einer fünfjährigen Tochter – all diese Themen fließen in ihre Songs ein und machen in Kombination mit der Musik DiFrancos neues Album zu einem eindrucksvollen Dokument dafür, wie Singer-/Songwriterinnen klingen können, wenn sie sich ein kleines bisschen Riot Grrrl-Attitüde bewahrt haben. Dass der 92-jährige Pete Seeger auf DiFrancos Version seines Protest-Klassikers „Which Side Are You On?“ höchstselbst Banjo spielt, ist natürlich ein Höhepunkt der Platte, aber nicht der einzige.

CD, 2012, 12 Tracks, Label: Righteous Babe Records

Christina Mohr

19.01.2012