Defne Sahin

“Unravel“

„Unravel“ – enträtseln, entfalten – ein sehr passender Titel, den Defne Sahin ihrem zweiten Album gegeben hat. Seit ihrem Debutalbum „Yasamak“ 2011 hat sie sich weiterentwickelt, nach eigenen Angabe mehr Verständnis für den musikalischen Flow und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Stilrichtungen erlangt. Die in Berlin geborene Deutschtürkin studierte Jazzgesang in Berlin und Barcelona und New York. Dort schloss sie mit dem Master of Music in Vocal Jazz Performance 2014 ab. Sie trat in den verschiedensten Jazzclubs und Festivals rund um den Globus auf, unter anderem in der Carnegie Hall in New York. Ihr Stil ist nicht mit einem Wort zu umschreiben, es ist ein wenig von allem dabei, Jazz, Bossa Nova und mediterrane Volksmusik. Was auch ein wenig ihre Lebensstationen Spanien, Brasilien, Berlin, Istanbul und aktuell New York widerspiegeln. Der rote Faden zieht sich auch bei der Zusammenstellung der Songs und der Band weiter, auch hier ist Multikulti das Thema. So sorgen der griechische Bassist Petrus Klampanis, der kubanische Pianist Fabian Almazan und der Puerto Ricaner Henry Cole am Schlagzeug für die stimmigen Harmonien. Der Berliner Gitarrist Keisuke Matsuno und der argentinische Pianist und Sänger Guillermo Klein erweitern das Spektrum als Special Guests. Sechs der Titel sind Eigenkompositionen, für „Heart, We Will Forget Him“ hat sie die Vorlage von Emily Dickinson erweitert und den Titel „Echoes Of Dream“ zusammen mit Klein komponiert. Einen Jazzklassiker hat sie auch im Gepäck, „Skylark“, der Standard von Mercer und Carmichael. Hier setzt sie neue Akzente und besinnt sich auf ihre Jazzwurzeln. Mit dem Stück „Sonnet 18“ unterlegt sie das wohl bekannteste Sonnet von Shakespeare über seine Muse und Inspiration mit Musik. Ihre Inspiration für den Titelsong „Unravel“ fand sie in Maurice Ravels „Gaspard De La Nuit“, was durchaus herauszuhören ist. Ihre Songs sind in sich stimmig und auch stets passend zu ihrer gefühlvollen Stimme arrangiert. Doch fehlt es ihnen an Individualität, nach dem dritten Titel wirkt vieles bekannt. Die Charaktere der unterschiedlichen Ansätze, die hinter den Songs stehen, das Multikulti der Band verliert sich und alles verschwimmt. Schade, so ist eben eine Platte wie viele, ohne große Alleinstellungsmerkmale.

CD, 2016, 11 Tracks, Label: Fresh Sound Records

Anja Klein

24.07.2016