Joan Armatrading

“This Charming Life“

Das schöne, ausdrucksstarke Gesicht der fast 60jährigen, wohl beständigsten britischen Bluesmusikerin und Songwriterin blickt uns vom Cover ihres 17. Albums ernst und nachdenklich an: „This Charming Life“? „In schwierigen Zeiten wie diesen sollten wir uns bewusst sein, was wir haben und das zu schätzen wissen.“, verrät sie uns. Es ist in der Tat eine ganze Menge, was Joan Armatrading hat, gilt sie doch zu Recht als Vorbild vieler Liedermacherinnen von Tracy Chapman bis hin zu Alanis Morissette. Multiinstrumentalistin, die das ganze Album – außer den Drums – selbst eingespielt und abgemischt hat, feinfühlige Sängerin, Komponistin und Poetin, die ihre Inspiration aus der Beobachtung ihrer Mitmenschen holt, hat sie ihr neues Album diesmal, laut Pressetext, der Rockmusik verschrieben. Die 11 Songs kommen denn auch mit Stromgitarre daher – meisterhaft beherrscht Armatrading die Licks und Soli des Genres. Aber das allein macht keine Rockmusik aus: Mainstream-Pop in unterschiedlichen Spielarten trifft das Ganze wohl eher. Eingängige Midtempo-Nummern wie das titelgebende „Charming Life“ oder das live zum Mitsingen animierende, Stadion-rockige „Best Dress on“, das mit verhallten Streicher-Effekten an Enya erinnernde „Goddess of Change“, das soulig-Motown-mäßige „People who Win“ oder der von einer groovigen Bassline getragene Bluesrock „Heading Back to New York City“ – sie alle klingen seltsam brav, nach einer Weile eintönig. Zu selten singt Armatrading in der sie unverwechselbar machenden Altlage; in höheren Lagen klingt ihre Stimme austauschbar. Zu oft nerven die sich wiederholenden Harmonizer-Sounds der Sologitarre, und definitiv zu wenig rockig klappert sich das Schlagzeug (Miles Bould) durch das Album. Fazit: Dem Anspruch „Rock“ wird die Platte nicht gerecht. Einsteigerinnen in das Phänomen Joan Armatrading sei eines der Vorgängeralben empfohlen. Eine akustisch eher wertkoservativ eingestellte Hörerschaft wird die durchwegs melodiösen Songs zu schätzen wissen. Wie schreibt Armatrading am Ende des Booklets: „Play these songs loud and enjoy“.

CD, 2010, 11 Tracks, Label: Hypertension

Fee Kuhn

11.04.2010