Jessica 6
“See The Light“
Ob Ex-Hercules-&-Love-Affair-SängerIn Nomi Ruiz an das von Prince kreierte Trio Vanity 6 dachte, als sie ihr Soloprojekt Jessica 6 aus der Taufe hob, wissen wir nicht, aber die divenhafte Anmutung aller Genannten könnte ein Hinweis auf die mögliche Absicht sein. Jessica 6′ Album „See The Light“ zitiert viele Phasen der Dancemusic, von Chicago House über Paradise Garage-Disco, europäisch geprägten Elektropop und R’n’B, aber Nomi und ihre Begleiter (Andrew Raposo/Bass, Morgan Wiley/Keyboards) machen so viel mehr als tanzbare Clubgrooves aneinanderzureihen: Wie in der New Yorker Keimzelle Hercules & Love Affair geht es bei Jessica 6 um Begehren, Freude, Vergänglichkeit, Unendlichkeit, das Leben überhaupt. Nomis honigdicke, enigmatische Soulköniginnenstimme (singt hier ein Mann, eine Frau? Alt oder jung?) gibt den Songs Tiefe, macht todtraurig und herzüberströmend glücklich zugleich. Ja klar, „White Horse“ und „Fun Girl“ sind in erster Linie Dancetracks, die mit pulsenden Beats jede Party auf Vordermann bringen. Den – gar nicht sooo kontrapunktischen Gegenpol – liefern die Midtempoballaden „Champagne Bubbles“ und „Blessed Mother“, nicht zu vergessen „Prisoner of Love“, der Höhepunkt des Albums, in dem sich die Stimmen von Nomi Ruiz und Antony Hegarty zu einer transsexuellen, überirdischen, beseelten Feier der Liebe umwerben und vereinen. „See The Light“ ist hemmungslos nostalgisch und weist mit ausgestrecktem Finger in eine strahlende Zukunft – kein Widerspruch, sondern das Verdienst von Jessica 6.
CD, 2011, 13 Tracks, Label: Peacefrog
Christina Mohr16.06.2011