Sarah Cracknell
“Red Kite“
Alles an diesem Album ist geschmackvoll und very british: Kein Wunder, schließlich ist „Red Kite“ die neue Platte von St. Etienne-Sängerin Sarah Cracknell. Ganze achtzehn Jahre nach „Lipslide“ wandelt Cracknell mal wieder auf Solopfaden und das Ergebnis ist mehr als gelungen. Als Producer heuerte die Britpop-Ikone Carwyn Ellis und Seb Lewsley an, die für die letzten Veröffentlichungen von z.B. Colorama und Edwyn Collins verantwortlich zeichnen – offenbar verstand man sich im Studio bestens, denn die zwölf Songs auf „Red Kite“ zeichnen sich durch spürbare Harmonie aus, durch ein leicht romantisch verklärtes Retrofeeling, durch Reminiszenzen an Sechzigerjahre-Folk und -Chanson, an die junge Marianne Faithfull, Dusty Springfield, The Carpenters und natürlich an Cracknells eigene Band St. Etienne zu deren Hochzeit mit dem Album „Tiger Bay“. Hach, frau könnte einfach nur schwelgen und schwärmen und sich an Sarah Cracknells unverwechselbarer wolkig-warmer Stimme erfreuen! Und doch lohnt es sich natürlich, ein bisschen genauer hinzuhören und die Feinheiten dieses hübschen Albums herauszuheben: Zum Beispiel das Duett „Nothing Left To Talk About“, in dem Manic-Street-Preachers-Sänger Nicky Wire gemeinsam mit Sarah singt, den Ohrwurm „Take The Silver“ mit der Gastband The Rails, oder den sanft beschwingten Walzer „On The Swings“, der das Album eröffnet. „I Am Not Your Enemy“ fällt mit den knurrigen Gitarrensoli ein wenig aus dem sepiagetönten Rahmen und erinnert daran, dass wir uns in 2015 befinden und nicht 1964. Die unüberhörbare – und auch unverhohlene – Rückwärtsgewandtheit der übrigen Songs ist der einzige, aber auch wirklich der einzige Wermutstropfen dieser Platte, die frau all ihren Freundinnen vorspielen sollte.
CD, 2015, 12 Tracks, Label: Cherry Red Records
Christina Mohr23.06.2015