Zaz
“Recto Verso“
Vor drei Jahren avancierte Isabelle Geffroy alias Zaz zu everybody´s darling (oder vielleicht besser: chouchou de tout le monde). Ihr Hit „Je veux“ lief im Radio rauf und runter, das Debütalbum gehörte schnell zur Grundausstattung jedes angesagten Cafés. Es ist auch wirklich schwer, Zaz nicht sympathisch zu finden: die unprätentiöse Französin begann ihre Karriere als Straßensängerin und spendet große Beträge ihrer Tantiemen an wohltätige Organisationen. Und vor allem hat sie eine wirklich tolle Stimme, rauchig, kratzig und voluminös, vom ersten Ton an unverwechselbar. Leider hat sie sich mit ihrem zweiten Album „Recto Verso“ keinen Gefallen getan: Das neue Songmaterial klingt wie ein Abklatsch der ersten Platte, nur schlechter. Die wesentlichen Elemente des Debüts tauchen alle wieder auf: Chanson, Zirkusmusik, Jazz, Weltmusik, Straßen-Folk und Franko-Pop – aber die Mischung zündet nicht, die Emotionen wirken künstlich, flach oder zu dick aufgetragen-tragisch. „Gamine“ und „Nous Debout“ sollen zum Mitsingen und –klatschen animieren, nerven durch die aufgesetzte Fröhlichkeit aber nur, „Comme Çi, Comme Ça“, „Si“ und „Si Je Perds“ sollen Piaf-Chanson-Atmosphäre verbreiten, bleiben jedoch flach und reichen bei Weitem nicht an das große Vorbild heran. Neue Akzente wie Tango-Gitarren oder Disco-Keyboards sind zu halbherzig verteilt, um wirklich zu beeindrucken. Nur „Cette Journée“ und die Single „On Ira“ überzeugen: hier zieht Zaz mit sehnsuchtsvoll-aufmüpfigen Refrains alle Register und macht deutlich, wie gut sie sein kann. Folgendes Szenario ist denkbar: Nach „Recto Verso“ gerät Zaz in eine Sinnkrise, zieht sich für eine Weile zurück, tingelt wieder als Straßensängerin und kehrt als gereifte Chansonniere auf die großen Bühnen zurück. Das Publikum wird sie lieben und „Recto Verso“ gnädig vergessen.
CD, 2013, 14 Tracks, Label: SonyMusic
Christina Mohr15.05.2013